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Angesichts der gestiegenen strategischen Bedeutung eines Outsourcing-Projektes darf sich die qualitative Bewertung der eigenen IT aber nicht mehr allein an betriebswirtschaftlichen Kriterien wie Kosten pro Transaktion oder Kosten im Verhältnis zum Umsatz orientieren, sondern muss zusätzlich durch einen Best Practice-Vergleich bezüglich der effektiven und effizienten Unterstützung von Geschäftsprozessen ergänzt werden. Deshalb erschließen sich die Einflüsse der IT-Strategie auf das EBIT nur dann, wenn technische Neuerungen oder Standardisierungen einschließlich Skalierungseffekte in einer direkten Kostenreduktion münden.
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An mitunter komplexen Ursache-Wirkungsketten lässt sich jedoch ablesen, wie strategische Zielsetzung und IT korrespondieren. In einem konjunkturellen Umfeld, das – wie im Jahr 2002 – durch Wachstumsabschwächung, teils rezessiven Aussichten und Gewinnrückgängen geprägt ist, stellt die Stärkung der Kundenbindung (Customer Relationship) ein probates Mittel zur Verbesserung des EBIT dar. Vergleichbares gilt für die Verbesserung der Prozessabläufe bis hin zu integrierten Wertschöpfungsketten mit Geschäftspartnern und Kunden, die durch die gemeinsame Nutzung von Informationen und Funktionen zur Produktivitätssteigerung führen.[19]
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Weitere bilanzielle Vorteile, die sich positiv auf den Shareholder-Value auswirken, sind z.B. in der Übertragung von Nutzungsrechten (z.B. beim Software-Outsourcing) zu finden. Nach § 248 Abs. 2 HGB darf für immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens, die nicht entgeltlich erworben wurden, ein Aktivposten nicht angesetzt werden .[20] Hat der Kunde somit eine eigene Software erstellt bzw. diese mit Unterstützung von externen Beratern erstellt, so darf er diese gem. § 248 Abs. 2 HGB nicht in seiner Handelsbilanz aktivieren. Wenn der Kunde im Rahmen eines Outsourcing-Projekts seine selbst entwickelten Softwareprogramme auf den Provider überträgt und hierfür eine entsprechende Vergütung erhält, so muss der Kunde diese Vergütung als Einnahme in seiner Bilanz aktivieren, obwohl er diese Software faktisch (natürlich gegen eine entsprechende Vergütung) weiterhin im Rahmen des Outsourcing-Projektes nutzen kann. Ein bilanzieller Vorteil läge somit mit der Übertragung der Nutzungsrechte auf der Hand.
1› III› 8. IT-Governance
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Die gesetzlichen Auflagen an ein Risiko-Management können es notwendig machen, dass in einem Konzern eine einheitliche Corporate-Governance und somit auch ein IT-Governance-Modell eingeführt werden muss. Mit dem Begriff IT-Governance wird der Auftrag an den Chief Information Officer (CIO)[21] eines Unternehmens umschrieben, den IT-Bereich zielgerichtet zu steuern – orientiert an den Erwartungen der Gesellschafter bzw. der Unternehmensleitung. IT-Governance bedeutet hierbei die Beherrschung oder Steuerung der IT-Prozesse und der IT-Infrastruktur zur Unterstützung der Geschäftsprozesse.[22]Die Definition des amerikanischen IT Governance Institute formuliert glasharte Forderungen: Am Unternehmen soll sich die IT ausrichten; versprochenen Nutzen soll sie realisieren, das Unternehmen nach vorn bringen, indem sie Chancen nützt und ihren eigenen Nutzen maximiert. Schließlich: Ihre Ressourcen soll sie verantwortlich nutzen, Risiken im Griff behalten.[23]
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Ein Outsourcing-Projekt kann eine wesentliche Hilfe für das Management sein, eine entsprechende IT-Governance in einem Konzern mit der Unterstützung eines erfahrenen Providers effektiver, günstiger und schneller umzusetzen, da die Realisierung von IT-Governance-Modellen zur Kernkompetenz eines Providers zählt. Insbesondere kann ein Outsourcing-Projekt von Vorteil sein, wenn der Kunde verpflichtet wird, bestimmte IT-Governance-Anforderungen wie die des § 25a Abs. 2 KWG oder des Sarbanes-Oxley Act (SOX) gerecht zu werden.
[1]
Siehe Bruch Outsourcing, 1998, S. 5.
[2]
Siehe Computerwoche Nr. 1/2 vom 10.1.2003.
[3]
Siehe Computerwoche Nr. 6 vom 8.2.2002.
[4]
Siehe Bruch Outsourcing, 1998, S. 6.
[5]
Computerwoche Nr. 32 vom 8.8.2003.
[6]
Dietrich/Braun Business Process Outsourcing, 2004, S. 48.
[7]
Siehe in diesem Kapitel unter Rn. 1.
[8]
Müller/Prangenberg Outsourcing-Management, S. 30.
[9]
Bruch Outsourcing, 1998, S. 6.
[10]
Vendor-Management siehe 2. Kapitel Formen, Auslagerungsbereiche (Tasks), Commercials.
[11]
Riedl Der bankbetriebliche Zahlungsverkehr, 2002, S. 391.
[12]
Siehe hierzu die Analysen von Burchhard, der von 80 % bei einer Universalbank spricht Burchard Die Bank 1997.
[13]
http://www.norisbank.de/3035_3389.htm.
[14]
Zur Fertigungstiefe beim Outsourcing siehe 2. Kapitel Formen, Auslagerungsbereiche (Tasks), Commercials.
[15]
Fraglich ist, ob mit sog. garantierten Service Level immer auch eine Beschaffenheitsgarantie i.S.d. §§ 443, 444 BGB gemeint ist, siehe 4. Kap. Rn. 164 ff.
[16]
IT Service Management nach ITIL, S. 2.
[17]
Oecking in: Köhler-Frost, 5. Aufl. 2004, S. 104.
[18]
Busse von Colbe in: Pellens, Lexikon des Rechnungswesens, 4. Aufl. 1998, S. 642.
[19]
Gram in: Köhler-Frost, Allianzen und Partnerschaften im IT-Outsourcing, 5. Aufl. 2004, S. 59.
[20]
Vgl. Söbbing Neue IDW-Stellungnahme zur Bilanzierung von Software, ITRB 2004, 25, 26.
[21]
Der aus dem amerikanischen Management stammende Begriff des Chief Information Officer (CIO), ist der oberste IT-Leiters in einem Unternehmen/Konzern; Stahlknecht/Hasenkamp Einführung in die Wirtschaftsinformatik, S. 441.
[22]
Ein praktisches Beispiel für die Umsetzung der IT-Governance ist das Service Level Management (SLM); vgl. Fechner in: Gründer, IT-Outsourcing in der Praxis, 2010, S. 213 f.
[23]
http://www.cio.de/index.cfm?pageid=246&ForumTreeview=0&maid=2486&cat=det&forumboard=5&forumthread=886.
1› IV. Gründe, die gegen ein Outsourcing-Projekt sprechen
IV. Gründe, die gegen ein Outsourcing-Projekt sprechen
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Neben den oben nicht abschließend aufgezählten Vorteilen, die ein Outsourcing-Projekt verspricht, kann es selbstverständlich auch eine Reihe von Nachteilen geben, die durch ein Outsourcing-Projekt oder mehrere Outsourcing-Projekte, vor allem für den Kunden, entstehen.
1› IV› 1. Verlust von Entscheidungsspielräumen
1. Verlust von Entscheidungsspielräumen
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Durch Übergabe des IT-Betriebs an einen externen Provider ist ein Unternehmen bei der Umsetzung einer neuen IT-Strategie immer auch an die Möglichkeiten des Providers gebunden. Sicherlich kann dazu im Outsourcing-Vertrag einiges vereinbart werden, aber wenn solche Punkte nicht vorhersehbar waren, wie z.B. bei einer neuen M&A-Strategie, muss der Provider hierzu erst einmal Kapazitäten schaffen.
1› IV› 2. Insourcing nur durch hohen Aufwand möglich
2. Insourcing nur durch hohen Aufwand möglich
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Ein Nachteil eines Outsourcing-Projekts könnte im Verlust strategischer Möglichkeiten gesehen werden, wie z.B. wieder den IT-Betrieb selbst zu betreiben. Ein einmal durchgeführtes Outsourcing ist de facto mittelfristig irreversibel (nicht behebbar), da die durch das Outsourcing deinvestierten Ressourcen mit wesentlich höherem Investitionsaufwand völlig neu bereitgestellt werden müssen.
1› IV› 3. Abhängigkeit von Providern
3. Abhängigkeit von Providern
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Ein weiterer Nachteil könnte in der Abhängigkeit vom Dienstleister gesehen werden. Der Kunde und der Provider sind durch das Outsourcing-Projekt eng miteinander verbunden. Die Entscheidung, nicht mehr mit dem Outsourcing-Partner zusammenzuarbeiten, ist mit erheblichen Folgen und Kosten verbunden.
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