3
Das BKartAregistrierte in den Jahren 2015/16 insgesamt 2 440 Anmeldungen von Unternehmenszusammenschlüssen. Gegenüber den Vorjahren 2013/2014 – dort waren es insgesamt 2 279 Anmeldungen – bedeutete dies einen Anstieg um 161 Transaktionen. Seit der Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008 registrierte das BKartA(mit Ausnahme des Jahres 2013) in Deutschland ein stetiges Wachstum von Unternehmenszusammenschlüssen.[2]
4
2016 betrug der Gesamtumsatz von Unternehmenskäufen mit deutscher Beteiligung 220 Mrd. EUR.[3] Weltweit stieg im Jahre 2018 das globale Volumen von M&A-Aktivitäten auf knapp 3,88 Billionen US-Dollar an.[4]
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Die nachstehende Grafik[5] zeigt das Dealvolumen von M&A-Transaktionen mit deutscher Beteiligung in dem Zeitraum 2014 bis 2017.
Abb. 1:
M&A-Transaktionen mit deutscher Beteiligung im Zeitraum 2014 bis 2017
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Im Jahr 2017 kam es zu insgesamt 1 899 Unternehmenstransaktionen mit deutscher Beteiligung, bei denen die Mehrheit der Unternehmensanteile übertragen wurde, wovon lediglich 836 Deals innerdeutsch stattfanden.[6] Insgesamt 498 Unternehmenskäufe führten deutsche Unternehmen im Ausland durch, und 565 deutsche Unternehmen wurden von ausländischen Investoren übernommen.[7] Der Schwerpunkt der Transaktionen innerhalb des deutschen M&A-Marktes lag im Small- und Mid-Cap Bereich unter Beteiligung deutscher Mittelstandsunternehmen,[8] was auf die deutsche Unternehmensstruktur zurückzuführen ist:
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Nach der KMU[9]-Definition der EU-Kommission (bis 50 Mio. EUR Umsatz pro Jahr)[10] wurden im Jahre 2016 von insgesamt 3,47 Mio. Unternehmen in Deutschland 3,45 Mio. den kleinen und mittleren Unternehmen zugerechnet. Diese sind oftmals ein attraktives Ziel ausländischer Investoren.
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Gerade bei kleinen bis mittelständischen Unternehmen ist mit einem anhaltenden Anstieg der Unternehmenstransaktionen zu rechnen. Das IfM Bonn schätzt seit Beginn der 1990er Jahre in regelmäßigen Abständen die Anzahl der anstehenden Unternehmensübertragungen in Deutschland. Nach aktuellen Schätzungen werden im Zeitraum von 2018 bis 2022 rund 150 000 Familienunternehmen von ihren Gründern bzw. Inhabern an die nachfolgende Generation übergeben. Dies entspricht 30 000 Übergaben pro Jahr. Und bei diesen Unternehmen handelt es sich fast immer um solche in der Rechtsform der GmbH. Im Jahr 2017 wurde die Zahl der GmbHs auf ca. 1,22 Mio. geschätzt.[11]
9
Da also kleine bis mittelständische Unternehmen die deutsche Unternehmensstruktur fast vollständig prägen und die GmbH als Unternehmens-Rechtsform von diesen Unternehmen eindeutig bevorzugt wird, ist die Rolle der GmbH bei nationalen, wie internationalen Unternehmenstransaktionen von essentieller Bedeutung und ist in Deutschland als Rechtsform nicht mehr wegzudenken. Dem durch den EuGH[12] eröffneten Wettbewerb der Rechtsordnungen hielt sie stand. Im Gegensatz dazu konnte sich die britische Limited (Private Company Limited by Shares) nicht am deutschen Markt durchsetzen.[13] Die haftungsbeschränkte Unternehmergesellschaft gem. § 5a GmbHG[14] wurde von der Praxis angenommen und hat sich besonders bei Start-Ups und Kleingewerbetreibenden durchgesetzt.[15]
[1]
Römermann/ Picot Münchener Anwaltshandbuch GmbH § 21 Rn. 1.
[2]
Quelle: Beim Bundeskartellamt angemeldete Zusammenschlüsse 1993–2016.
[3]
Albersmeier/Ziegenhain/Roos M&A Review 2017, 40.
[4]
Institute for Mergers, Acquisitions and Alliances, M&A Statistics, 2008.
[5]
Von Alten M&A Yearbook Oaklins 2017, S. 4.
[6]
V on Alten M&A Yearbook Oaklins 2017, S. 4.
[7]
V on Alten M&A Yearbook Oaklins 2017, S. 4.
[8]
Römermann/ Picot Münchener Anwaltshandbuch GmbH § 21 Rn. 1.
[9]
Definition: Kleine und mittlere Unternehmen.
[10]
Empfehlung der EU-Kommision vom 6.5.2003 betreffend der Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen.
[11]
Kornblum GmbHR 2017, 740.
[12]
Vgl. Überseering-Urteil des EuGH (vom Herausgeber Rotthege als Parteivertreter erstritten), EuGH NJW 2002, 3614 und die Darstellungen im 13. Kap. Rn. 72 ff.
[13]
Bayer/Hoffmann GmbH Report 2009, R 358.
[14]
Vgl. unten Rn. 25 ff.
[15]
Zu deren erstem Geburtstag am 1.11.2009 bestanden mehr als 20 000 haftungsbeschränkte Unternehmergesellschaften (vgl. FAZ v 7.1.2010, 11); GmbHR 2009, R 358; Leitzen GmbHR 2009, 1289, 1291. Damit ist die UG rein statistisch gesehen sogar häufiger anzutreffen als die AG, von der am 1.1.2009 weniger als 18 000 bestanden, Bayer/Hoffmann GmbHR 2009 R 358.
II. Die GmbH als Unternehmen
10
Im deutschen Recht existiert keine gesetzliche Definition des Unternehmens. Für den Unternehmenskauf umfasst dieser Begriff die Gesamtheit von
– |
Menschen, |
– |
Sachen, |
– |
Rechten, |
– |
tatsächlichen Beziehungen und Erfahrungen, |
– |
unternehmerischen Handlungen, |
– |
materiellen und immateriellen Rechtsgütern und |
– |
Geschäftswerten, |
die in einer einheitlichen Organisation zur Erlangung eines wirtschaftlichen Zwecks zusammengefasst sind.[1] Zu einem Unternehmen gehören die bestehenden Vertragsverhältnisse, seine gewerblichen Schutzrechte, Marktanteile und sein Know-how. Der Unternehmensbegriff ist weiter als der des Handelsgewerbes i.S.d. § 1 HGB, da er auch freiberufliche Praxen sowie Teilbetriebe umfasst; auch diese können Gegenstand eines Unternehmenskaufes sein.[2]
11
Die GmbH ist Träger des Unternehmens. Als juristische Person (§ 13 GmbHG) ist sie Eigentümer der diesem zugeordneten Sachen, Rechte und Geschäftswerte.
[1]
Beisel/Klumpp § 1 Rn. 14-23; Ballerstedt ZHR 134 (1970), 251, 260; RGZ 170, 292 ff, 297; Schmidt § 3 Rn. 1-3; Hölters/Semler Teil VII Rn. 1.
[2]
Beisel/Klumpp § 1 Rn. 14-23; BGH NJW 1989, 763; BGH NJW 1995, 2026 ; Michalski/Römermann NJW 1996, 1305.
III. Anlässe für Unternehmenskäufe
12
Die Anlässe für den Erwerb eines Unternehmens sind vielfältig. Häufig werden Wettbewerbsvorteileangestrebt.[1] Unternehmen festigen mit Hilfe des Zukaufs ihre Marktposition. Im Bereich der Familienunternehmen steht die Nachfolgeproblematikim Vordergrund.
13
Aus Käufersichtsind folgende Absichten für Unternehmenstransaktionen typisch:
– |
Existenzgründung; |
– |
Erzielung von Synergieeffekten; |
– |
Erschließung neuer Geschäftsbereiche; |
– |
Gewinnung von Marktanteilen; |
– |
Erwerb bestimmter Vermögensgegenstände, Technologien oder besonderen Know-hows; |
– |
marktbereinigende Stilllegung nach Erwerb. |
Aus Verkäufersichtsind häufig ausschlaggebend:
– |
ungünstige Wettbewerbssituation; |
– |
Kapitalbedarf; |
– |
unterschiedliche Interessen von Gesellschaftern; |
– |
Nachfolgeproblematik; |
– |
Portfoliobereinigung; |
– |
Realisierung von Wertsteigerungen („Desinvestment“). |
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