Es gibt da eine Sache, die ich auch mache: Das Positive an mir sehen. Also, ich sehe gut aus, habe tolle Haare und ich bin Autor. Das stellt mich unheimlich auf die Beine. Macht das auch. Schaut euch an, und sagt zu euch vor dem Spiegel: ”ich habe schöne Beine“, ”ich kann ganz toll schreiben“ oder ”meine Ohren sind optimal angewachsen“. Nicht weit suchen. Das müsst ihr immer wieder machen, jeden Tag. Ihr findet ganz schnell viele positive Werte an euch. Es können auch immer wieder die Gleichen sein. So lernt ihr euch selber lieben. Das solltet ihr wirklich jeden Tag machen, und dankbar sein dafür. So dreht euer Unterbewusstsein von negativ auf positiv. Das ist der erste Schritt.
Gebt euch Zeit dafür. Gebt euch durch Gebete, oder etwas, was euch viel bedeutet, Halt. Ich habe das Universum und die Engel. Die sind für mich Seelenbalsam. Ich kommuniziere viel mit ihnen, und sage danke, dass sie mich führen. Ihr müsst Vertrauen finden in das Leben. So baut ihr eure Ängste ab. Sicher ist das ein Prozess, und der dauert etwas. Auch die schlechten Momente solltet ihr nicht werten, sonst würde auch ich nicht mehr leben wollen, denn ich ecke jeden Tag irgendwo an.
Es ist auch gut, wenn ihr euren Tagesablauf strukturiert. So wisst ihr genau, ich arbeite eine gewisse Zeit, die ich versuche einzuhalten, und dann erst kommt die Pause. Verlangt Motivation von euren Betreuern, das zu schaffen, und zwar genau in diesem Moment, an dem ihr aufgeben wollt. Ich habe das auch jahrelang geübt, und tue es immer noch.
Genauso wie ihr in der Natur Frieden findet. Beobachtet die Vögel, die Blumen. Ruht euch unter einem Baum aus, tankt Energie. Verbindet euch mit dem Einfachen im Leben. Stellt auch keine Ansprüche an das Leben, und akzeptiert eure momentane Krankheit, als sei sie ein guter Kollege, der euch etwas belästigt, sich aber wieder anders verhalten wird, wenn ihr ihn so akzeptiert, wie er ist. Genießt das Leben immer einen kleinen Schritt mehr, und akzeptiert eure Näpfchen der dunkleren Seite. Sie werden dann schneller wieder hell und klar.
Ich wünsche euch das Selbstvertrauen eines dürstenden Kamels in der Wüste, dass es eine Oase mit Wasser finden wird.
Mit den leuchtvollen Farben des Regenbogenlichtes grüße ich euch zuversichtlich und motiviert.
Dominic Müller
(Erika Müller)
Ich wurde in all den Jahren so viele Male gefragt, wie ich denn gemerkt hätte, dass mit Dominic etwas nicht stimmt.
Die Schwangerschaft verlief problemlos und im Austrittsbericht des diensthabenden Arztes im Krankenhaus stand: Spontangeburt, gesunder Knabe. Dominic weinte schon im Krankenhaus viel. Sie brachten ihn abends, so gegen elf, regelmäßig zu mir ins Bett, weil er nicht schlafen wollte. Ich kann mich auch erinnern, dass eine Freundin zu mir sagte, sie hätte noch nie ein so schönes Baby gesehen. Vielleicht drückte schon damals seine Einzigartigkeit durch.
Zu Hause war es anstrengend, denn Dominic schlief nicht besser als im Krankenhaus. Er bekam auch ein extrem juckendes Ekzem an seinen Wangen, die er sich nachts so blutig kratzte, dass ich ihm Fäustlinge nähte, die ich zum Schlafen über seine Hände zog. Wenn Babys weinen, versucht man ja oft, ihnen den Schnuller in den Mund zu stecken. Bei Dominic löste das oft Brechreiz aus, und die ganze Nahrung kam im hohen Bogen retour. Es grauste ihn sicher schon damals vor diesem Silikonzeugs im Mund.
Auffällig wurde er für mich in dieser Situation: Wir saßen am Tisch beim Essen, Dominic neben uns im Kindersitz. Immer wenn ich zu ihm sprach, reagierte er nicht. Das fiel mir immer mehr auf, und ich vermutete, dass er nicht hörte. Dominic war damals etwa dreizehn Monate alt. Wenn ich etwas über Autismus gewusst hätte, wären mir auch andere auffällige Verhaltensweisen von ihm eher bewusst geworden. Er stopfte sich alles in den Mund – angefangen von Blumenerde, über Hydrokugeln, Styroporkugeln vom Kinderstaubsauger, Sand bis hin zu Steinen – einfach alles, was er so finden konnte. Auffallend war auch sein Zehenspitzengang, sobald er richtig laufen konnte. Das tat er auch erst mit fünfzehn Monaten. Er schlürfte tagelang Meerwasser, bis er Durchfall bekam. Spazierte am Strand tagelang hin und her. Wenn der Fernseher lief, ging er mit dem Gesicht ganz nah an den Bildschirm ran. Er kniete am Salontisch und bewegte sein Spielzeugauto hin und her, völlig konzentriert auf die sich drehenden Räder. Manchmal, wenn es an der Haustür klingelte und Dominic die Person sah, warf er sich rückwärts zu Boden und klopfte mit seinem Schädel auf den Untergrund. Beruhigen konnte man ihn in dieser Situation sehr schlecht. Sprachlich kommunizierte er einzelne Wörter wie Mama, Papa, ogi, ugi, agi und acht. Das fiel aber nach kurzer Zeit wieder weg.
Aufgrund unserer Vermutung, dass unser Sohn nicht hören könnte, nahmen wir Kontakt mit dem Kinderarzt auf, der uns einen Termin bei einer Psychologin im Kinderspital Bern vermittelte. Er meinte, dass es auch eine Entwicklungsverzögerung sein könnte. Jungs seien ja manchmal etwas später als das weibliche Geschlecht. In Bern wurde die Psychologin jedoch auch nicht fündig und es wurde ein Hörtest gemacht. Dominic reagierte dabei auch nicht großartig, und der Professor tadelte uns, dass man das als Eltern eigentlich schon früher hätte merken müssen. Dominic wurde dann ein Schlafsirup verabreicht und daraufhin an ein Messgerät angeschlossen, das attestierte, dass Dominic zu hundert Prozent hörte. Das Schlussgespräch blieb der Arzt uns bis heute schuldig.
Da jetzt guter Rat teuer war und man nicht wusste, was los war, verschrieb die Psychologin für Dominic Früherziehung. Dabei kommt eine Fachperson zu dem Kind nach Hause und versucht spielerisch herauszufinden, wo die Ursache liegen könnte. Bei Dominic zeigte diese Maßnahme wenig bis keinen Erfolg. Vielmals zog die Frau entmutigt von dannen, bis sie eines Tages, Dominic war inzwischen zweieinhalb Jahre alt, den Ausdruck Autismus fallen ließ und die Vermutung in den Raum stellte, dass unser Sohn eventuell solche Züge haben könnte. Ich wurde aufmerksam, denn endlich gab es einen konkreten Verdacht, und erkundigte mich daraufhin in einer Buchhandlung, wo mir ein Autismus-Ratgeber empfohlen wurde. Auf einer Seite waren zehn Verhaltensweisen angegeben, die auf ein autistisches Verhalten hindeuteten. Ich konnte acht von zehn Übereinstimmungen finden und meldete mich daraufhin beim Kinderarzt mit meinem Verdacht. Er konnte mir aber diese Vermutung nicht bestätigen, mit den Worten, dass er sich mit Autismus gar nicht auskenne.
Ich erzählte meiner Freundin von meiner Vermutung, und wie es der Zufall oder das Schicksal manchmal so will, war sie gerade in Behandlung bei ihrem Hausarzt. Wie sie wusste, hatte er zwei autistische Brüder. Sie fragte ihn, ob er sich Dominic mal anschauen würde.
Er nahm sich die Zeit, und Dominic hüpfte im Behandlungszimmer auf Zehenspitzen auf und ab, gab dabei unartikulierte Laute von sich. Nach fünf Minuten Beobachtung war es für den Arzt klar: Dominic zeigte deutliche Anzeichen für Autismus! Eigentlich wollte ich diese Diagnose nicht hören und doch war ich im ersten Moment froh, endlich Klarheit zu haben. So konnte er auch bei der Invalidenversicherung (IV) angemeldet werden. Dominic war jetzt fast drei Jahre alt. Autismus war vor zwanzig Jahren für viele noch ein Fremdwort. Glücklicherweise hat sich das Wissen um die Krankheit bis in die heutige Zeit massiv verbessert.
(Cordilia Derungs)
Der Schweizer Psychiater Eugen Bleulerprägte den Begriff Autismus um 1911 im Rahmen seiner Forschungen zur Schizophrenie. Er bezog ihn ursprünglich zunächst nur auf diese Erkrankung und wollte damit eines ihrer Grundsymptomebeschreiben – die Zurückgezogenheit in eine innere Gedankenwelt. Bleuler verstand unter Autismus „die Loslösung von der Wirklichkeit zusammen mit dem relativen oder absoluten Überwiegen des Binnenlebens“.
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