Avant propos
Die intuitive Einschätzung sagt mir: Dieses Buch wird eher von Frauen beachtet und vielleicht an Männer, den Partner, weitergereicht werden. Frauen leben ein ganz anderes Verhältnis zur Mode als Männer. Was ModemacherInnen seit langem an Kreationen, Farben und Dekor hervorbringen, kann derart schön & faszinierend sein, sodass Frauen nicht ruhen, dies alles zu durchstöbern, selbst dann, wenn ihre Kleiderschränke längst überfüllt sind.
Für Männer zeigt sich Mode seit rund 150 Jahren in ewig gleichen Formen, arm an Phantasie und Ausschmückung. Und wenn mal anders, dann gleich so ausgefallen, dass diese Kreationen außerhalb des Laufstegs kaum Realität gewinnen. Es gibt noch andere Gründe, warum Männer sich wenig für Modetrends interessieren: Für sie hat die Gesellschaft und insbesondere die Geschäftswelt zu allen erdenklichen Situationen Dresscodes geschaffen, die einzuhalten sind – so die anerzogene Auffassung. Da jene Männer, die Mode kreieren, sich auch konventionell kleiden, fehlen überdies Vorbilder, woran Männer sich orientieren könnten. Dresscodes für Frauen lassen demgegenüber viel Spielraum für Phantasie und individuelle Gestaltung. In dieser Situation fühlen sich Männer oft rat- bis hilflos, wie sie sich kleiden sollten. So springt nicht selten die Partnerin in die Entscheidungslücke und bestimmt, was dem Mann steht, zu welchem Anlass er was tragen könnte.
Mit diesem Buch komme für Männer von heute eine ganz andere Sichtweise zur Sprache: Eigener Stil kennt & braucht keine Dresscodes. Damit das gelingen kann, mögen Männer, statt von der Partnerin gesagt zu bekommen, was sie anziehen könnten, die Partnerin auf ihrer Reise durch die Welt der Mode begleiten. Dies solange, bis in ihnen der Wunsch aufkommt, selber zu wählen, was ihnen steht & wirklich gefällt.
Auf endlosen Streifzügen durch die Modehäuser in aller Welt werden Männer die Erfahrung machen, dass im Angebot der Damen für sie Schätze zu heben sind, die wir in Herrenabteilungen vergebens suchen. Dieser Prozess mag solange dauern, bis wir mit Stilsicherheit einkaufen und uns gänzlich anders als bisher kleiden werden.
Wem es gelingt, einen individuellen Kleiderstil zu kreieren, der wird zu jedem Anlass, Dresscodes hin oder her, angemessen erscheinen. In Anlehnung an Christian Dior’s Eintritt in die Modewelt plädiere ich hier für den New Look für Herren (new look for men).
Einleitung
„Style – all who have it share one thing: originality“2
Diana Vreeland, einst Chefredakteurin von Vogue USA
Mode ist der Bereich von kreativem Schaffen, der sich am glamourösten präsentiert. Feste bieten Gelegenheiten, wo Frauen & Männer sich in Roben stürzen können. Für viele Männer ist die eigene Hochzeit typischerweise der einzige Moment im Leben, wo sie sich sehr festlich bis etwas gewagt kleiden.
Für Frauen kreieren Modehäuser jede Saison Neues, was alltäglich zur Frage führt: „Was ziehe ich denn heute Passendes an?“ Passend zum Wetter, zu ihrer Aktivität, dem Umfeld. Männern stellt sich die Frage so nicht: Sie richten sich zumeist nach dem, was praktisch & schnell zu beschaffen ist und zum beruflichen & sozialen Umfeld passt. Für Gewagtes ist da eigentlich kein Raum. Das Grundprinzip lautet: Nur nicht auffallen, das anziehen, was man für uns allerorts bereithält.
Das Bedürfnis, sich mal gänzlich anders zu präsentieren, wird dagegen in der Fasnacht, in historisch orientierten Vereinen (Zünfte) und insbesondere in der Street Parade ausgelebt. Möglich wird diese Art von Ausgefallenheit, weil in diesem Moment viele aus der Norm treten. So braucht man sich als Individuum nicht zu exponieren.
Ist die Entwicklung der Herrenmode schon immer hinter jener für die Damen zurückgeblieben? Ein Blick an den Hof des Sonnenkönigs in Versailles zeigt ein gänzlich anderes Bild: Damen & Herren traten in farbigen, aufwändig hergestellten Roben auf, die sich wesentlich nur durch die Körperform unterscheiden, nicht aber hinsichtlich der Grundgestaltung des Modells sowie des Dekors. Ludwig der XIV. war ein totaler Modefetischist & Trendsetter, der durch sein extravagantes Verhalten Männer in ganz Europa angesteckt hat, sich sehr aufwändig, farbenfroh und mit viel Dekor zu kleiden.
Bedeutende Modehäuser in Paris und deren Designer wie Christian Dior, Yves Saint Laurent, Karl Lagerfeld und andere liessen sich nach 1945 vom Mode- & Festzauber von Versailles inspirieren3. Die von ihnen geschaffene Mode versucht, den glamourösen touch von Versailles weiter zu pflegen: „Versailles est le plus grand salon d’essayage du monde, c’est une vitrine, un repère mouvant, fixant les usages et les caprices.“3 Und was fällt uns dabei auf? Die modische Entwicklung ist nur für die Damen weitergeführt worden. Für die Herren hat man ab etwa der zweiten Hälfte des 19. Jh.4,5 eine unauffällige, schmucklose, oft in schwarz, grau oder dunkelblau gehaltene, wenig attraktive Standardkleidung geschaffen, die selbst heutzutage jene zu festlichen Anlässen tragen, welche die faszinierenden Kreationen für die Damenwelt erschaffen. Ja, selbst bedeutende bildende Künstler bleiben gegenüber dem eigenen Outfit konventionell & phantasielos. Bei Picasso ist ein gestreiftes T-Shirt gerade mal die Ausnahme.
Man mag sich fragen, warum die bedeutendsten ModeschöpferInnen kein Interesse daran finden, auch für die Männer die einstige Tradition weiter zu entwickeln. Auf dem Laufsteg, wo die neuesten Kreationen präsentiert werden, fehlt es nicht an Andersartigem für Männer, auch nicht in den entsprechenden Modegeschäften. Aber selbst dort stehen die Verkäufer da in ihrem business attire Look! Dass Kreationen für Männer, die klar übers Ziel hinaus schiessen, keine Realität hinsichtlich einer Mode, die auch getragen wird, nach sich zieht, zeigt ein Blick auf Fotoshootings bei Anlässen wie „The Golden Globe“6: Die Damen in hinreissenden Roben – die Herren dagegen verharren kontrastreich in der Vervielfachung von ewig Gleichem, ohne jeglichen Pfiff & Mut zu präsentieren. Die Durchsicht der vom Magazin Vanity Fair geführten international best dressed list (men) führt zum selben Resultat: Wir finden überwiegend Männer in schwarzen, konventionellen Anzügen mit Krawatte oder Fliege! Was Männern fehlt, ist eine tragbare, verfügbare Mode, welche ohne zu übertreiben, sich kreativ vom Üblichen unterscheidet.
In diesem Zusammenhang ist es bedeutsam zu hören, was Gabrielle Chanel7 über die Bekleidung eines ihrer Liebhaber, den Herzog von Westminster, sagt: Sie schätzte an ihm ganz besonders, dass er stets in einfachen Tweeds gleich angezogen war. Das ist keine gute Nachricht im Hinblick auf Veränderung. Wollen Frauen unscheinbare, förmlich gekleidete Partner? Ja, vielleicht deshalb, damit die volle Aufmerksamkeit und Bewunderung nur auf sie fällt.
Wenn ich mit meiner Partnerin, einer sehr schönen und speziell gekleideten Frau, unterwegs bin, dann schauen die meisten Leute tatsächlich zuerst auf mich. Wohl nur deshalb, weil ich nicht das an habe, was sie für einen Mann gewohnt sind zu sehen. Glück gehabt, meine Frau hat damit kein Problem – aber andere vielleicht schon. Demgegenüber stellte in früheren Zeiten eine vergleichbare Kleidung für Damen und Herren kein derartiges Problem dar.
Ein weiteres Hindernis zeigt Wirkung, warum Männer eine Bekleidung meiden, welche an scheinbar weibliche Formgebung & Dekor erinnert: Das ist die verbreitete Vorstellung, dass Modedesigner, Tänzer und andere, die besonders kreativ sind, homosexuell seien. Obgleich gesellschaftlich akzeptiert, möchten Männer nicht den Anschein erwecken, geltende Normen, was sie repräsentieren sollten, zu missachten.
Damit man als Mann aus der Omnipräsenz von Dresscodes und des allgegenwärtigen saisonalen Modeangebots gelassen austreten kann, braucht es somit ein klares Ja zur Gestaltung des eigenen Outfits. Es braucht, wie Diana Vreeland sagt, einen persönlichen Stil.
Читать дальше