Das Skelett im Abflussrohr
Von Georg Braun
Georg Braun
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Der Autor:
von
Georg Braun
Papyrus Testverlag, Berlin
1. Edition, 2020
© 2020 All rights reserved.
Papyrus Testverlag, Berlin
Inhaltsverzeichnis
Kapitel 1 2
Kapitel 2 6
Kapitel 3 13
Kapitel 4 18
Kapitel 5 22
Kapitel 6 28
Kapitel 7 33
Kapitel 8 40
Kapitel 9 44
Kapitel 10 50
Kapitel 11 55
Kapitel 12 60
Kapitel 13 65
Kapitel 14 70
Kapitel 15 74
Kapitel 16 78
Kapitel 17 84
Hauptkommissar Waldschütz freute sich auf einen ruhigen Arbeitstag. Seit zwei Tagen hatte sich der Andrang an Todesfällen auf seinem Schreibtisch spürbar entspannt. „Karin, was meinst du, wie lange es noch so ruhig laufen wird?“ Kommissarin Degelmann zuckte mit den Achseln: „Wenn du schon so fragst, wird es nichts mehr mit der ruhigen Restwoche.“ Sie sollte schon nach zehn Sekunden Recht behalten: „Jochen, pack die Jacke, wir fahren nach Bad Cannstatt. Skelettierte Leiche im Abfluss.“ Allein diese wenigen Worte ließen Waldschütz das Gesicht verziehen.
„Hatte mir vorgenommen, heute gediegen Mittag zu essen. Wird wohl nichts“, lamentierte Waldschütz. Degelmann dachte nur an den vor ihr liegenden Fall. Sie saß auf dem Beifahrersitz und telefonierte mit den Streifenbeamten, welche bereits am Fundort erste Ermittlungen aufgenommen hatten. „Sperrt das Gebiet ab, Gaffer können wir nicht gebrauchen.“ Jochen Waldschütz hob den rechten Daumen, Zeichen, dass er mit der Maßnahme Degelmann einverstanden war. Er brauchte Ruhe, am besten Geräuschlosigkeit, die aber niemals gewährleistet wurde.
Das Blaulicht ließ die Polizisten durch den Stau fräsen. Sie hatten freie Fahrt und nahmen sich diese. Schließlich wartete eine skelettierte Leiche, dass sich jemand um sie kümmerte. „Woher weiß man eigentlich, dass wir zuständig sind?“ Fragte Waldschütz die Kollegin.
„Du weißt doch, der Präsident will, dass wir die ungeklärten Todesfälle übernehmen. Die Kollegen sind mit anderen Arbeiten überlastet, wir finden immer noch freie Kapazitäten.“
„Du vielleicht, ich sicher nicht. Mir reichen die Toten, deren Todesursache unnatürlich gewesen war.“
„Seh es doch so: Auch du kannst Abwechslung gebrauchen.“ Degelmann schaffte nicht, dass sich die Laune des Hauptkommissars aufhellte, er stierte auf den gestauten Straßenverkehr und drängelte nach vorne.
„Mach Platz“, brüllte er und meinte einen vor ihm kriechenden Fahrer, der den Weg versperrte und die Wut von Waldschütz hochkochen ließ.
„Jochen, der Tote rennt uns nicht weg. Zumal ein Skelett.“ Darüber musste Waldschütz grinsen. „Hast Recht. Sollen wir erst noch eine Vesperpause machen?“ „Übertreib nicht, wir sind im Dienst.“ Schade, dachte Waldschütz, liebend gerne würde er den knurrenden Magen beruhigen, daraus wurde nichts.
Die Kriminalbeamten hatten den Fundort erreicht, nach dem Abstellen des Wagens setzte jeder der beiden die stillschweigende Absprache um. Degelmann suchte die Streifenkollegen auf, Waldschütz sammelte seine Eindrücke und versuchte sich ein Bild zu machen. Eines, das diesmal zu einer schwierigen Aufgabe, möglicherweise zu einem Zerrbild verkommen könnte.
„Weiß man schon, wer der Tote ist?“, schaute er einen Streifenkollegen an.
„Noch nicht.“
Dann wird der Job zu einer delikaten Angelegenheit, zu einem Abenteuer im Dschungel der ungeklärten Todesfälle vergangener Jahre. Und er musste eng mit Dr. Helmut Schwarz zusammenarbeiten, dem Gerichtsmediziner, dem Waldschütz schon oft auf die Nerven gegangen war. Routinemäßig ließ er im Gedächtnis die Namen aller Zahnärzte weit und breit kursieren, Waldschütz ahnte, dass er nur über die die Identität des Toten herausfinden würde. Wenn nicht ...
„Ich lass mal die DNA überprüfen“, sagte Karin Degelmann.
„Ich bin sicher, dass der Tote nicht freiwillig ins Rohr geklettert ist. Also: Wo kam er zu Tode?“
Der Fundort warf viele Fragen auf: Wie kam der Tote dorthin? Oder Wie lange liegt er schon im Abflussrohr? Wer hat etwas beobachtet? Diese Fragen zu beantworten war Degelmanns Aufgabe. Sie übernahm die Drecksarbeit üblicherweise, die Feinjustierung, die Analyse und Synthese der vorhandenen Informationen zu einem Gesamtbild kam Waldschütz zu.
Der Schädel faszinierte ihn. Nicht, weil er noch nie einen solchen in Händen gehalten hätte. Das vorliegende Exemplar wirkte skurril, wie ein Überbleibsel aus einer fremden Epoche. Wahrscheinlich stammte er auch aus einer Zeit, wo Menschen noch ohne technische Hilfsmittel den Alltag bestritten. Doch das konnten Fachleute am besten eruieren, Archäologen oder Paläontologen. Er war einfacher Kriminalbeamter mit einem ausgezeichneten Instinkt, mehr nicht. Die Hauptfrage wäre logischerweise dann: Wie hat der Tote dort so lange ausgehalten, ohne vollständig zu verwesen? Oder war der Typ noch frisch? Waldschütz hatte nicht die kleinste Spur, was ihn in Stress versetzte. Er trat einige Schritte zur Seite, nachdenken war angesagt. Gelang am besten mit einer Zigarette. Vermutlich die sechste am heutigen Tag, dem 2.3. 2019. „Gab auch mal bessere Tage“, seufzte der Hauptkommissar.
„Du Helmut“, eilte Karin Degelmann außer Atem herbei, „die Dame ist eine Anwohnerin. Die Uni Tübingen hatte vor etwa drei Monate Ausgrabungen durchgeführt, meinte sie.“
„So meint sie“, raunzte Waldschütz, „was soll ich damit anfangen? Hingehen und fragen, ob die Wissenschaftler in Bad Cannstatt eine Ausgrabung gemacht haben?“
„Du hast mal wieder eine Laune“, winkte Degelmann ab und ließ ihren Kollegen in Ruhe.
Degelmann hatte ihm gerade den Rücken gekehrt, als es ihm wie ein Blitz durch den Kopf schoss: „Ich könnte eine andere Frage stellen, nämlich ob sie ...“ Die schlechte Laune war plötzlich verflogen.
„Karin, ich fahr mal rasch nach Tübingen. Mir kam so eine Idee, die vielleicht besser wäre.“ Ehe sie antworten konnte, saß Waldschütz in seinem Wagen und brauste in die fünfzig Kilometer südöstlich gelegene Uni – Metropole am Neckar. Den Fluss hatten beide Städte, während Tübingen den deutlich verschlafeneren Eindruck hinterließ, aber mit seiner Lieblichkeit die Menschen magisch in den Bann zog. Was die Wissenschaft betraf, lag Tübingen der Hauptstadt Baden – Württembergs deutlich voraus. Das mussten selbst die eingefleischten Stuttgarter neidlos anerkennen.
Claudia Heidmüller arbeitete als Archäologie – Professorin an der Uni Tübingen. Der Umgang mit Skeletten gehörte zum Kernbereich ihres Berufs. Ausgrabungen brachten oftmals alte Mumien ans Tageslicht, da durfte man nicht zartbesaitet sein. Schließlich galt ihr Interesse der Wissenschaft und da passten Empfindlichkeiten nicht an vorderster Front.
„Frau Professor Heidmüller“, platzte Waldschütz in eine Vorlesung, „Kripo Stuttgart, ich müsste Sie sprechen.“ Entsetzt starrte die Gelehrte den Tölpel akademischer Gepflogenheiten an. „Geehrter Herr, Sie müssen sich gedulden. Sie können mich gerne in einer Stunde sprechen.
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