Prolog
1. April, Tag der Auswahltests
Tag 242
Das Herz der Nation
Tag 243
Tristan
Die Traue-Niemandem-Liste
Tristan
Tag 255
Und doch sitzt er hier
Tristan
H wie Helikoptermutter
Freitag 19 Uhr/ Wohnzimmer der Familie Roth
Tag 310
Bauchmiezelei
Tristan
Tristan
Dem neugierigen Drachen ausgeliefert
Erwachsen, voll strafbar und bereit sich fortzupflanzen
Nach dir die Sintflut
Tag 392
Erstklassige Superhelden
Zirkumpolar
Tristan
Ups, die sind gar nicht so dumm
Tristan
Nicken. Lachen. Weiter drehen.
Tristan
Tag 406
Unser Moment. Unsere Herzensangelegenheit.
Tristan
Nur der Thron ist genug
Tristan
Mit Leichen und Vermissten macht man keinen Profit
Eintracht Brechschale
Tristan
Tag 430
Tristan
Da muss ein Therapeut ran
Bastelstunde
Tristan
Spielchen
Tristan
Rockstarleben 1.0
Tristan
Die Sterne unter uns
Tristan
Gruselgeschichten
Tristan
Ruhe vor dem Sturm
Tristan
Sicher ist ein starkes Wort
Tristan
Spiel des Lebens
Epilog
Danke
Impressum neobooks
Impressum
»BeTwin«
Band 2 der »BePolarTrilogie«
Text © Martha Kindermann 2019
An der Vogelweide 88, 04178 Leipzig
Coverdesign © Kurt Stolle, Martha Kindermann
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»Schreiben ist wie Träume fangen –
Lesen das Beste an der Geschichte.«
Mein Teil ist erledigt. Jetzt bist du an der Reihe.
Viel Spaß beim Träumen, Zittern, Schmachten, Weinen, Lachen und Überraschtwerden. Auf nach Polar!
So schnell mich meine zittrigen Beine tragen können, laufe ich dem rettenden Fahrstuhl entgegen. Nicht zurückblicken. Das Ziel fest im Visier verschwimmt meine Umgebung und ich bemerke den Verfolger erst, als die Stahltür sich vor seiner Nase schließt. Erleichtert sacke ich gegen das Geländer und lasse die angestaute Luft aus der Lunge entweichen. Glück gehabt – vorerst. Nun muss ich darauf vertrauen, dass der Fahrstuhl die drei Etagen schneller überwindet, als Tam die Stufen hinuntersteigen kann. Sollte er mich einholen, garantiere ich für nichts.
Er ist ein Fremder. Ein Fremder ohne Narbe auf dem Schlüsselbein. Ein Fremder, der mir Angst macht. Ein Fremder, der mich geküsst hat, ohne seine wahre Identität zu offenbaren. Ein Fremder, der den eigenen Zwillingsbruder hinter Schloss und Riegel bringt, ohne mit der Wimper zu zucken. Ein Fremder und ein riesiges Arschloch.
Wo ist Tristan und was hat er mit ihm gemacht, um seinen Platz einnehmen zu können? Dieses BePolar-Treffen war eine saublöde Idee. Warum nur habe ich darauf bestanden, Tristans Vater kennenzulernen? Warum nur habe ich mich in die Höhle des Löwen gewagt und vorgegeben etwas zu sein, dass ich nicht bin? Ich will so unbedingt hinter die Geheimnisse dieser Organisation kommen, dass ich die wirklich wichtigen Dinge außer Acht gelassen habe.
Ich habe mich selbst verleugnet, um jetzt vor einem Menschen davonzurennen, der mein Herz im Sturm erobert und dann in tausend Stücke gerissen hat. Ich habe mich entschieden – zu schnell – zu unüberlegt und doch richtig. Mein Bauchgefühl hat mich an die Hand des guten Zwillings geführt. Tristan ist nicht der Psychopath, für den ihn alle halten, sondern ein großartiger Mensch, den ich für seine Selbstlosigkeit über alles bewundere. Diese Erkenntnis hat mich Fenjas Loyalität gekostet und das ist scheiße. Sie hat Tam damals aufgenommen, halbnackt und unterernährt. Ihr Beschützerinstinkt vernebelt ihre sonst so scharfen Sinne und das macht mich unendlich traurig.
Bling. Die Tür öffnet sich. Panisch sehe ich mich nach allen Seiten um, bevor ich einen Schritt aus dem Fahrstuhl wage. Der Schein der Straßenlaterne lässt keine Schatten in der Eingangshalle erkennen und so verschwinde ich lautlos durch den Hauptausgang. Mit rasendem Puls und Tränen in den Augen laufe ich ziellos in die Dunkelheit. Ich blicke nicht zurück – ich kann nicht zurückblicken. Bitte, Tam, lass mich in Ruhe! Folge mir nicht! Sprich mich am besten nie wieder an und sorge dafür, dass dein Bruder zu mir zurückkehrt!
Zwanzig Minuten später erreiche ich trotz der vorherrschenden sieben Grad völlig durchgeschwitzt das elterliche Heim. Ich drehe den Schlüssel in der rothschen Haustür und breche auf der Bastmatte im Flur zusammen. Wenn meine große Schwester noch am Leben wäre, müsste ich nicht vereinsamt meine Tränen zurückhalten und den Kloß im Hals herunterschlucken. Sie würde neben mir knien und mich zwingen die Wut freizulassen. Ich vermisse Rhea wahnsinnig und das wird mir an diesem furchtbaren Abend einmal mehr bewusst. Ich war ungerecht und egoistisch. Ich habe sie dafür gehasst, dass sie mich auf dieser Welt alleine zurückgelassen hat. Dafür, dass sie mich in die Akademie und damit in die Fänge von BePolar geführt hat. Ich liebe sie und diese Liebe sollte alles verzeihen können. Die letzten Wochen waren so ereignisüberflutet, dass es kein Zauberstück war, die Schuldgefühle und die nicht enden wollende Trauer zu verdrängen. In all dem Trubel blieb kaum Zeit, über ihren angeblichen Unfall und die Umstände ihres viel zu frühen Todes nachzusinnen. Ich werde die Verantwortlichen finden, auch wenn ich damit ganz allein dastehe. Tristan ist wer weiß wo abgeblieben, Fenja ein Tabuthema und ich muss die Stellung bei BePolar halten, ohne zu wissen, was mich dort erwartet. Ich will hier sitzen und heulen, meine Schwester vermissen, mich um Tristan sorgen, meine Freundin brauchen, Tam in den Wind schießen und mein Leben wiederhaben. Hier allein in der Dunkelheit, mit klappernden Zähnen und salzigen Wangen bleibt mir jedoch nur eins – eine scheiß Angst.
1. April, Tag der Auswahltests
Wie verabredet stehe ich um 7:15 Uhr an der Rathausecke und warte. Fenja zieht es vor, mit ihrem Freund Elvis in die Schule zu fahren und heimlich den Rücksitz unsicher zu machen. ›Hallo!‹ ›könntest du mir bitte einen Stift leihen?‹ und ›Bis morgen‹ , fassen alles zusammen, was wir uns derzeit zu sagen haben. In all meiner Wut und Trauer war es praktisch, einen Prellbock zu haben und ihr die Schuld an meinem gebrochenen Herzen zu geben. Doch wenn ich ehrlich bin, weiß ich, dass sie rein gar nichts für mein ganz persönliches Liebeschaos kann. Ich fühle mich seit Wochen wie ein lebloses, graues Fleischpatty – zwischen zwei Burgerhälften gequetscht – die unterschiedlicher kaum sein könnten. Sesam, oder nicht Sesam – beide Zwillinge machen mir Angst auf ihre eigene Weise, beide Brüder lösen Gefühle in mir aus, denen ich noch nicht gewachsen bin und beide lassen mich zu diesem emotional verwirrten Fleischbatzen werden, der ich gerade zu sein scheine. Tristan ist fort und die Sorge zerreißt mich – leiert mein Herz durch den Fleischwolf, um es wieder und wieder zu Pattys zu verarbeiten.
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