„Du hast die Invasoren also gesehen?“
„Ja … deshalb glaub mir einfach, dass es keine andere Möglichkeit gibt, als sich ihnen unterzuordnen. Hauptsache, wir können wieder zusammen sein.“
Er steht auf und kommt auf mich zu. Aus irgendeinem Grund möchte ich zurückweichen, tue es aber nicht. Was Alexander sagt, klingt logisch Auch wenn es nicht mit meinen moralischen und ethischen Überzeugungen konform geht.
Zögerlich lasse ich seine Umarmung zu, aber die alte Vertrauthaut will nicht so schnell zurückkehren.
„Ich brauche Zeit, das alles zu verarbeiten ...“
Alexander lässt mich unwillig los. „Haben zwei Jahre ausgereicht, um unsere Liebe zu
zerstören?“
„Nein … und ich habe mir gewünscht, dass du zurückkommst und lange an der Überzeugung festgehalten, dass es passiert. Aber irgendwann habe ich mich damit abgefunden, dass du nicht zurückkommst.“
„Ich bin zurückgekommen ...“, antwortet Alexander und schenkt mir eines seiner strahlenden Alexander Lächeln. „Was hältst du davon, wenn ich uns etwas koche? Wie früher? Spaghetti Arrabiata ... Dein Lieblingsessen ...“
„Ok ...“, antworte ich und bin froh, dass die körperliche Nähe erst einmal vorbei ist. Was ist nur los mit mir? Er benimmt sich so, als wäre er niemals fort gewesen … und doch fühlt Alexander sich an wie ein Fremdkörper. Ist das normal? Vielleicht war ich einfach zu lange alleine.
„Ich muss Tara eine Nachricht schicken ...“, fällt mir plötzlich ein. „Sie haben mich aus dem Club geholt und sie dort zurückgelassen. Tara weiß nicht, was los ist.“
Alexander antwortet nicht sofort, während er die Töpfe aus den Schränken holt – jeder Griff sitzt, er weiß noch genau, wo alles steht. „Wir sagen ihr morgen Bescheid. Tara kann gut auf sich selbst aufpassen. Das konnte sie immer.“
„Du hast nie viel von ihr gehalten ...“, stelle ich fest.
„Und sie nicht von mir ...“
Das allerdings ist wahr – die beiden gingen sich immer aus dem Weg, soweit es ihnen möglich war.
„Weißt du etwas von meinen Eltern?“
Er weicht meinem Blick aus. „Dein Vater war derjenige, der den Erstschlag geplant hat, und es hat niemand überlebt, der so viel Verantwortung getragen hat. Bevor sie ihn abgeholt haben, hat er sich das Leben genommen … und deine Mutter hat sich entschlossen, mit ihm zu gehen.“
Ich dränge die Tränen zurück – eigentlich war es mir längst klar, dass meine Eltern nicht mehr leben, aber ich musste von ihm hören.
„Und … was wollen sie hier? Was wollen sie von uns?“, frage ich, während ich mich an den Tisch setze, während Alexander in der Küche herumwerkelt.
„Rohstoffe … was sonst?“
„Natürlich ...“, antworte ich resigniert, denn mir wird klar, dass sie nicht gehen werden, bevor sie den Planeten ausgebeutet haben.
„Wir leben, Su ...“, sagt Alexander, während er die Spaghetti ins mittlerweile kochende Wasser stellt.
Er hat recht … und ich verstehe nicht, warum es sich plötzlich so seltsam anfühlt, ihn hier zu haben.
Die Pasta schmeckt fabelhaft – genauso wie früher. Alexander beobachtet mich, während ich Spaghetti auf die Gabel drehe. „Ich habe die ganze Zeit an dich gedacht, Surana. Alles, was ich wollte, war zu dir zurückzukehren. Es war mir den Preis wert, mich mit dem Feind zu verbünden.“
Ich nicke pflichtschuldig und fühle mich dabei mies. Zwei Jahre lang habe ich um Alexander getrauert und mich selbst bemitleidet. Jetzt sitzt er vor mir und ich komme nicht damit klar. Was, wenn er mit mir schlafen will? Natürlich wird er das wollen … und ich sollte es auch wollen. Wir hatten immer guten Sex. Vielleicht etwas zu routiniert, aber das hat mir nichts ausgemacht. Auf jeden Fall hatten wir Sex …und zwar in dem gleichen Bett, in dem wir heute Nacht wieder gemeinsam schlafen werden. Warum fühlt sich das so seltsam an?!
Alexander scheint mir meine Gedanken im Gesicht ablesen zu können, denn er runzelt die Stirn und legt sein Besteck zur Seite. „Hat dich ein anderer für sich beansprucht, während ich fort war?“
Ich schüttele den Kopf. „Nein! Es gibt keinen anderen.“
Er scheint beruhigt, sieht mich aber weiter ernst an. „Du trägst den Verlobungsring nicht mehr.“
Automatisch streiche ich mir über den Finger. „Ich dachte irgendwann, dass … ich habe ihn abgelegt, weil er mich zu sehr an uns erinnert hat.“
„Aber du hast den Ring noch?“
„Er liegt in der Schmuckdose auf meinem Nachttisch.“
Alexander steht auf, geht aus dem Raum und kommt kurze Zeit später mit dem Ring zurück. Als er meine Hand nimmt, um mir den Solitaire an den Finger zu stecken, prickelt meine Hand von seiner Berührung – ein seltsames Gefühl. Ich starre auf den funkelnden Stein, weil ich Alexander nicht in die Augen sehen kann.
„Es hat sich nichts geändert zwischen uns, Su …“
„Nein ...“
Alexander runzelt die Stirn. „Da bin ich mir gerade nicht sicher, Su, aber es ist egal. Denn du könntest gar nicht Nein sagen … selbst, wenn du es wolltest.“
Irritiert schaue ich auf. Diese Worte hören sich so gar nicht nach Alexander an.
Alexander lacht über meinen verwirrten Gesichtsausdruck. „Du weißt doch, dass du mir nicht widerstehen kannst, Su.“
Ich zwinge mir ein Lächeln ab. Für einen Mann wie Alexander, der immer gerade heraus war und nie etwas Geheimnisvolles an sich hatte, erscheint er mir fast, als hätte er etwas zu verbergen.
„Ich räume das Geschirr ab, wie früher, wenn du gekocht hast ...“, schlage ich vor, um die unangenehme Situation aufzulösen.
Alexander seufzt. „Ich gehe duschen. Sind meine Sachen noch da oder hast du die auch weggepackt?“
„Alles noch da ...“, antworte ich und fühle mich irgendwie schuldig.
Während ich das Geschirr in die Spülmaschine räume, höre ich, wie Alexander den Schrank öffnet. „Das Zeug habe ich wirklich mal getragen? Eine spannende Auswahl von Weiß, Schwarz und Dunkelblau. Kommt mir vor, als würden die Sachen einem Fremden gehören.“
Ich schließe die Spülmaschine und schalte sie an. Alexander hat niemals etwas anderes getragen, als Hemden und Jeans in der Freizeit, einen Anzug zu offiziellen Gelegenheiten oder eine Uniform, wenn er im Dienst war. Er hätte alles tragen können, aber das passte nicht zu seinem aufgeräumten Charakter. Ich frage mich erneut, was in den letzten zwei Jahren passiert ist. Alexander sieht nicht aus, als sei er gefoltert worden oder hätte körperlich zu leiden gehabt. Aber was, wenn die Besetzer ihn einer Gehirnwäsche unterzogen haben? Das würde auch dieses Gefühl der Fremdheit erklären, das ich ihm gegenüber empfinde. Was, wenn die Männer, die für die Invasoren arbeiten alle einer Gehirnwäsche unterzogen wurden?! Vielleicht kann ich herausfinden, was mit Alexander passiert ist. Niemand steckt zwei Jahre Gefangenschaft so locker weg, wie er gerade vorgibt.
Ich versuche, nicht die ganze Zeit auf Alexanders Schultertattoo zu schauen. Es handelt sich um ein in sich verschlungenes Muster, und es fällt mir schwer, es zu ignorieren. Alexander hat Tattoos immer verabscheut, und jetzt ist da ein riesiges auf seiner Schulter. Hat er es sich während seiner Gefangenschaft machen lassen? Es ist ein weiteres Indiz dafür, dass etwas mit ihm nicht stimmt.
Seit einer halben Stunde versuche ich mich nun auf den Flatscreen des TV zu konzentrieren – zuerst auf die Nachrichten, in denen fremdgesteuerte Moderatoren erzählen, wie gut es dem Land, dem Planeten und uns allen geht … und seit etwa zehn Minuten läuft ein alter Film, der mich auch nicht ablenken kann. Ich kann Alexanders Hand, die auf meinem Rücken liegt, nicht ausblenden. Die ganze Zeit muss ich an die kommende Nacht denken … und an Tara, die noch immer nicht weiß, was passiert ist. Morgen muss ich mich unbedingt mit ihr in Verbindung setzen.
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