Festzuhalten ist:
Ohrgeräusche im Sinne eines Tinnitus [bzw. Pseudo-Tinnitus] und Minderung des Hörvermögens [Schwerhörigkeit] bleiben nach dem ersten Ménière-Anfall bestehen. Die übrigen Symptome bilden sich (weitgehend bis vollständig) zurück.
Und:
Nach dem Ménière-Anfall besteht ansonsten absolutes subjektives Wohlbefinden!
Weiter noch:
Den „typischen Ménière-Kranken“ gibt es (eigentlich) nicht.
Dennoch fällt dem Fachmann auf, dass eine Mehrzahl der Betroffenen ausgeprägt und auffallend ängstlich ist und schnell in Panik gerät und dies bekanntermaßen völlig berechtigt!
Grund: wegen des zumeist plötzlich einsetzenden Anfallsgeschehens.
Zudem handelt es sich oft bei den Betroffenen um „vegetativ labile“ Menschen.
Eine letzte Anmerkung:
30-45% der Patienten berichten über eine Aura (Vorboten der eigentlichen Schwindelattacke), die der Attacke um wenige Minuten vorausgeht. Die Aura besteht aus leichteren oder Teil-Symptomen der Attacke mit Tinnitus, Hörminderung, Ohrdruck oder Völlegefühl im Ohr.
Bei einer großen Zahl von Kranken trten die Beschwerden in sogen. „Clustern“ auf, d.h. Episoden mit häufigen Anfällen und dazwischen Beschwerdefreiheit.
Ursachen
Die Ätiologie des Morbus Menière ist bisher nicht eindeutig geklärt. Diskutiert wird ein Endolymph-Hydrops durch:
eine Abflussstauung bzw. Resorption der Endolymphe im Bereich des Ductus endolymhaticus bzw. Saccus endolymphaticus
eine Überproduktion der Endolymphe im Bereich der Stra vascularis.
Der Hydrops des Endolymphraumes soll einen Riss der „Reissner-Membran“ verursachen, die den Endo- vom Peri-Lymphraum trennt. Dadurch kommt es zur Verschiebung von Kalium von der Endo- zur Perilymphe, die eine Depolarisation der vestibulären und cochleären Haar-Zellen hervorruft.
Entstehung und Vorkommen
Die Krankheit manifestiert sich in der Regel zwischen dem 30. und 60. Lebensjahr mit einer Inzidenz (Häufigkeit) von ungefähr 50 je 100.000 Einwohner.
In der letzten Zeit - stressbedingt, schadstoffbedingt? – kommt M. Ménière zunehmend aber auch bereits ab dem 25. Lebensjahr vor!
Die Prävalenz liegt bei etwa 0,5%. Männer sind etwas häufiger betroffen.
Bei jedem 5. Patienten konnte eine positive Familienanamnese erhoben werden – zumeist Verwandter 1. Grades –, so dass auch von einem genetischen Faktor ausgegangen werden kann.
Häufig kommt es zu Remissionen und in nicht wenigen Fällen nach dem 1. bzw. 2. Anfall zur sogen. „Spontan-Heilung“.Nicht selten hält die Krankheit aber über Jahrzehnte an. In einigen Fällen kommt es - ohne fassbaren Grund - zum sogen. „Ausbrennen“; d.h. die Krankheits-Aktivität erlischt.
Schweregrade bei M. Ménière
Beim M. Ménière gilt es verschiedene Stadien – nach Prof. Dr. Klaus Jahnke (1994 – ehemaliger Direktor der Uni-HNO-Klinik Essen) – zu unterscheiden:
Akuter Anfall
Stadium I
Fluktuierendes Hörvermögen, da sich nach dem Schwindelanfall (s.o.) vollständig normalisieren kann
Stadium II
Schwindel und fluktuierendes Hörvermögen, das sich spontan bessert, aber nicht mehr normalisiert
Stadium III
Deutliche Hörminderung ohne Fluktuation, weitere Schwindelanfälle
Symptome
Die Akut-Symptomatik des Morbus Ménière ist charakterisiert durch die klassische Symptomen-Trias bzw. -Quartett:
1. anfallsartige Schwindel-Attacken (Drehschwindel)
Oft einhergehend mit Brechreiz, Übelkeit, Erbrechen und häufig dazu mit Orientierungsverlust
2. Hörverlust
Als fluktuierende, einseitige Hör-Minderung während des Schwindel-Anfalls; zu Beginn besteht eine ‚Tiefton-Bass-Schwerhörigkeit‘ (mit einem Frequenz-Verlust bei 500-1.000 Hz), später sind alle Hör-Frequenzen betroffen
3. Ohrgeräusche (Tinnitus aurium) auf der erkrankten Seite
Als ‚Begleit-Symptom‘ tritt meist simultan auf ein
4. Nystagmus
[aufgrund des Nystagmus kann der Kranke seinen Blick nicht auf einen festen Gegenstand fixieren, was seine Standunsicherheit erhöht]
Dazu kommen zumeist sehr rasch noch:
5. vegetativ-funktionelle Beschwerden
(u.a. Ängste bis Panikzustände, Schweißausbrüche, Unruhe, Zittern, Herzrasen)
Hinweis:
Im Intervall zwischen den Ménière-Anfällen leidet der Patient nicht unter Drehschwindel.
Die Symptome Tinnitus, Druckgefühl und Tieftonschwerhörigkeit können jedoch chronisch vorhanden sein und über den Anfall hinaus andauern.
In Bezug auf die Schwerhörigkeit ist oftmals eine Verschlechterung im Verlauf festzustellen: Während sich das Hörvermögen anfänglich nach den Anfällen erholt und vollständig wiederkehrt, ist es möglich, dass bei längerer Erkrankungsdauer das Hörvermögen auch in der beschwerdefreien Zeit vermindert bleibt. In der Regel wird dann eine pantonale Schwerhörigkeit angegeben, die um 40-60 dB liegt. Eine völlige Gehörlosigkeit wird nicht angegeben.
Diagnostik
Man möchte meinen - zumindest der Laie -, dass das eindeutige Vorliegen und Vorkommen des typischen und charakteristischen „Ménière-Symptomen-Trios bzw. Quartetts“ ausreichender Beleg für die Krankheit wäre und dadurch eine weitere und weiter gehend Diagnostik (zumindest in der weit überwiegenden Mehrzahl der Fälle) nicht mehr erforderlich wäre, sich also erübrige.
Weit gefehlt!
Es ist – bzw. es sollte so sein! –, dass die Diagnose „M. Ménière“ schlussendlich das Resultat einer ‚Ein- und Ausschluss-Diagnostik’ ist.
Unabdingbar ist – diesem Fachgebiet kommt das uneingeschränkte Primat zu – eine umfassende Untersuchung beim Hals-Nasen-Ohren-Facharzt .
Anmerkung:
Die Diagnose eines Morbus Menière kann gestellt werden, wenn mindestens zwei spontane Anfälle mit Drehschwindel von mindestens 20 Minuten Dauer aufgetreten sind, ein Tinnitus mit oder ohne Druckgefühl auf dem Ohr vorliegt und ein Hörverlust mit audiometrischen Tests objektiviert werden konnte.
1. umfassende, akribische Anamnese
[mit Angabe des bisherigen Krankheitsverlaufs, die Häufigkeit der Anfälle, als Einzel- oder Cluster-Anfälle mit allen Symptomen, die weiteren Symptome, Krankheits-Befürchtungen – kommt Krankheit in der engen Familie vor? – welche weiteren Krankheiten bestehen? – was wurde bisher diagnostisch und therapeutisch vorgenommen? – derzeitige Medikation – Lebensgewohnheiten, Stress, Ansehen in Beruf und Gesellschaft]
2. Basis-Untersuchung
z.B. durch den Hausarzt bzw. hausärztlichen Internisten
mit sofortiger Zuweisung zum HNO-Arzt
3. HNO-ärztliche Untersuchung
mit entsprechenden apparativen Optionen:
3.1 Elektro-Cochleographie
[Testung der Funktionstüchtigkeit der Haarzellen des Hörorgans, sowie des Hörnervs (Vergrößerung des Summen-Aktions-Potentials bei Hydrops)]
3.2 Audiometrische Untersuchungen
[Ménière-typischeHörkurve, Positives ‚Recruitment‘ im SISI-und Fowler-Test, Glyceroltest]
3.3. Weber-Test
[Lateralisierung zur gesunden Seite hin]
3.4 OAE-Test
[OAE = Oto-Akustische Emissionen; d.i. die Messung von Schallaussendungen der äußeren Haarzellen des Innenohrs. Mit den OAE kann gezielt die Funktion der Cochlea (Hörschnecke) geprüft werden]
3.5 BERA-Test
[= Hirnstamm.Audiometrie]
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