»Eure Haltung ist mir durchaus bekannt, Durchlaucht«, antwortete Matthias niedergeschlagen, denn er wusste nur zu gut, das Churfürst Ferdinand mit äußerster Härte gegen alles und jeden vorging, der in seinen Augen den katholischen Glauben und somit die Heilige Mutter Kirche in Gefahr brachte.
»Dann wünsche ich, dass er seine Arbeit wieder aufnimmt und geziemend seine Pflichten gegenüber seinem Churfürsten erfüllt.«
Matthias horchte auf. Vielleicht bot sich hier die Gelegenheit, Maurus‘ Wunsch zu erfüllen.
»Mit Verlaub, Durchlaucht, darum bin ich auch hier. Wie ich hörte, wurde eine Cöllner Klarissin verhaftet und der Hexerei bezichtigt. Ich würde gerne den Fall untersuchen und ihr als Propugnator beistehen.«
Ein Raunen ging durch die Anwesenden und Ferdinand von Wittelsbach zog die Augenbrauen hoch.
»Ich muss Euer Ansinnen ablehnen, Herr Liebknecht. Die besagte Nonne bedarf keiner Verteidigung, da es sich nicht um die Untersuchung eines Deliktes der criminellen Zauberei handelt. Es geht in erster Linie um die Untersuchung eines möglichen Wunders. Diesbezüglich habe ich als zuständiger Erzbischof und Hirte die Herren Doctoris Walram Wilhelm Blankenberg und Johannes Romesswinckel angewiesen, das Mirakel zu untersuchen«, stellte der Churfürst die beiden Commissare vor, die ihrerseits Matthias höflich zunickten.
»Wie ich wiederum hörte, gibt es entsprechende Beschuldigungen angeblich besessener Mitschwestern der Nonne. Außerdem soll wohl die Folter angewendet werden«, erwiderte Matthias.
»Was man so alles hört, Liebknecht, nicht wahr? Die Folter ist ein durchaus legitimes Mittel der Wahrheitsfindung und darf durchaus mit Zustimmung des Heiligen Offiziums angewandt werden. Was übrigens das Hörensagen betrifft, so kommt wohl noch eine Untersuchung auf Euch zu, Liebknecht.«
Der Advocatus stutzte überrascht.
»Wie habe ich das zu verstehen, mein Churfürst?«
»Mord, Liebknecht, Mord! Man wirft Euch vor, als Knabe in Verbrechen verwickelt gewesen zu sein.«
Konsterniert blickte Matthias den Churfürsten an.
»Ihr wisst doch, Durchlaucht, dass ich meine Kindheit in der Obhut der Benediktiner zu Siegburg verbracht habe. Wie soll ich da in einen Mordfall verwickelt gewesen sein?«
»Eben das versuchen wir herauszufinden. Darum ist Commissarius Buirmann mit der Untersuchung dieser Anschuldigung beauftragt, der im Übrigen auch während Eurer Abwesenheit Eure Aufgaben erledigt hat. Ihr seid ihm zu Dank verpflichtet, dass man Euch nicht schon verhaftet hat. Meldet Euch bei ihm. Wir haben noch ein anderes Problem zu lösen. Das sollt Ihr erledigen.«
»Darf ich erfahren, um welche Art Problem es sich handelt, Durchlaucht?«
»Ratten, Liebknecht. Man hat Ratten in der Stadt gesichtet. Ihr wisst, was das bedeutet, Krankheiten, Seuchen, Tod. Kümmert Euch darum, und nun entfern er sich. Ah, bevor Ihr geht, eins noch: Ihr dürft den näheren Umkreis Bonns nicht verlassen. Jede Entfernung von der Stadt, die mehr als drei Meilen beträgt, wird ohne unsere Zustimmung unweigerlich als Fluchtversuch angesehen, was Eure sofortige Arrestierung zur Folge hätte.«
Matthias nickte zum Zeichen, dass er verstanden hatte und verließ grußlos das Audienzzimmer.
»Wartenberg, werter Freund«, sagte Churfürst Ferdinand, nachdem er sicher war, dass der Advocatus auch das Vorzimmer verlassen hatte, »sorgt mir dafür, dass die Untersuchung Buirmanns gründlich und vor allem ohne Aufsehen durchgeführt wird. Es steht zu viel auf dem Spiel, als dass wir uns jetzo einen Skandal leisten könnten.«
»Sehr wohl, Durchlaucht«, antwortete der Präsident des Geheimen Rates. »Ihr könnt meiner Diskretion versichert sein.«
»Ich weiß, Bruder in Christo«, lächelte der Churfürst. »Und nun zu Euch, meine Herren«, wandte er sich den beiden Commissaren zu. »Wie ist das erste Verhör verlaufen und welchen Eindruck habt Ihr gewonnen?«
»Wir haben die Nonne wie befohlen am vergangenen Montag das erste Mal befragt«, ergriff Johannes Romesswinckel zunächst das Wort. »Dabei haben wir allgemeine Fragen gestellt, um ihre Redseligkeit zu erproben. Schwester Sophia machte dabei einen ernsten und gewissenhaften Eindruck, keinesfalls zeigte sie sich geschwätzig. Wir haben sie darüber belehrt, dass wir mit ihrer Hilfe die wundersamen Vorgänge zu erklären versuchen und feststellen wollen, ob es sich bei ihren Visionen wahrhaftig um göttliche Eingebungen oder um ein teuflisches Spiel Satans handelt.«
»Dabei zeigte sie sich sehr verständig und versprach, nach bestem Wissen und Gewissen an der Aufklärung der Vorgänge mitzuwirken«, ergänzte jetzt Commissarius Blankenberg die Ausführungen seines Kollegen. »Wir haben sie auch auf die Möglichkeit der Tortur hingewiesen.«
»Ja und? Wie hat sie reagiert?«, wollte der Churfürst ungeduldig wissen.
»Sie erschien uns einsichtig. Ich glaube nicht, dass wir die Folter anwenden müssen.«
»Es geht nicht darum, was Ihr glaubt, Commissarius. Es geht darum, was für die Wahrheitsfindung erforderlich ist«, donnerte Ferdinand von Wittelsbach.
»Aber Durchlaucht«, protestierten die beiden Commissare.
»Kein Aber ! Die Herren dürfen sich nicht von ihrer Unschuldsmine beeindrucken lassen. Wartenberg, ist der Abgesandte des Heiligen Offiziums schon eingetroffen?«
»Pater Vincentius Justiniani ist gestern Abend angekommen. Er steht den beiden Commissarii ab morgen zur Verfügung.«
»Wer um alles in der Welt, ist Pater Vincentius Justiniani?«, wollte Blankenberg wissen.
»Ein päpstlicher Inquisitor«, erklärte Wartenberg. »Wir haben ihn angefordert, da wir den Verdacht hegen, dass es sich bei besagter Nonne in Wirklichkeit um eine raffinierte Hexe handelt. In solchen Fällen der frevlerischen Zauberei von geistlichen personae ist die Inquisition hinzuzuziehen.«
»Ihr habt es gehört, meine Herren. Beginnt also nach Absprache mit dem Inquisitor mit der peinlichen Befragung. Ich erwarte rasche Ergebnisse!«
»Wie Euer Gnaden wünschen«, murmelten die beiden Commissarii niedergeschlagen.
»Von jetzt an erfolgen Eure Berichte an Generalvikar Gelenius, der die Verhöre beaufsichtigen wird. Er wird mir dann weiter berichten. Und sorgt dafür, dass der Kellner sie weiterhin wohl verwahrt und gut mit Verpflegung und Wein versorgt. Sie bleibt weiterhin in dieser beheizbaren Kammer wohnen.«
»Wir werden dem Rentmeister Eure Order übermitteln«, verabschiedeten sich die beiden Commissarii.
»Dann geht mit Gott, meine Herren«, erwiderte der Churfürst.
»Die Dinge nehmen jetzt Ihren Lauf«, sprach Ferdinand zu den beiden verblieben Gästen, Generalvikar Gelenius und dem Präsidenten des Geheimen Rates Wartenberg.
»Ihr habt alles auf den Weg gebracht, Durchlaucht. Aber vergesst nicht: Es sind Gerüchte im Umlauf, dass Nikolaus von Langenberg in der Stadt weilt«, fügte Wartenberg an.
»Dann setzt Eure besten Spione an und findet heraus, wo er sich versteckt und was er plant. Wir sollten ihm immer einen Schritt voraus sein.«
Ferdinand von Wittelsbach nickte, als er wieder allein war und rieb sich beinahe vergnügt die Hände. Er würde die Hexenbrut ein für alle Mal ausmerzen und den katholischen Glauben reinigen und erneuern. Rom würde es ihm danken müssen und dann wohl endlich von der ständigen Forderung ablassen, dass er die Priesterweihe empfanden müsse. Er konnte kein Priester werden! Schließlich war er auch so ein guter Hirte der ihm anvertrauten Erzdiözese.
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