»Was?« Meine Kehle ist ganz trocken. »Du hast sicher geträumt, nur ein Warrior darf in der Stadt Waffen tragen.«
»Es war keiner von uns.«
»Hast du versucht, den Mann zu finden?«
»Das habe ich, aber ich kann mich nicht klar an sein Gesicht erinnern. Ich wusste in dem Moment nur, dass ich ihn noch nie gesehen habe. Er hatte braunes Haar und einen Kinnbart, doch wenn ich ihn noch mal sehe, würde ich ihn wiedererkennen.«
Keiner der Ärzte, die ich kenne, trägt einen Kinnbart. Mark ist rasiert, Jason hat einen Vollbart, Mickey trägt Koteletten. »Daher hast du wohl behauptet, du wärst nicht bei Bewusstsein gewesen.« Er hat das bestimmt nur geträumt, doch mein Herz hofft, dass er diesen Mann tatsächlich gesehen hat.
»Nicht nur deshalb, denn ich bin mir sicher, dass dieser Kerl Ced ermordet hat. Ich verlor erneut das Bewusstsein, obwohl ich mich vehement dagegen wehrte, und als ich aufwachte, war Cedric tot und du bereits festgenommen.«
»Du glaubst also, er wurde ermordet?«
»Ja.«
»Von wem? Vom Regime? Und warum? Und wieso er und nicht wir alle? Und in welche Verschwörung soll ich hineingeraten sein? Das gibt doch keinen Sinn!«
»Pst, ich will jetzt nicht mehr dazu sagen.«
Ist das vielleicht eine Falle? Will mich jemand auf die Probe stellen? »Und du hast gewusst, dass ich unschuldig bin, aber niemandem etwas gesagt?!« Am liebsten möchte ich meinen Frust hinausschreien.
Ich kann meinen Frust hinausschreien! Und das tue ich, obwohl der Schrei in meiner Kehle schmerzt und ich danach heiser sein werde, doch das ist mir egal.
Mein Gebrüll hört sich wirklich schaurig an, ich schreie, und ich werde schreien, bis ich keine Luft mehr bekomme. Ich brülle mir Wut und Enttäuschung aus der Seele, bis Jax meinen Kopf an seine Brust drückt und mich wiegt wie ein Baby. »Hey, ist gut.«
»Nichts ist gut!« Ich schluchze auf und fühle mich abgrundtief erschöpft. »Deine Aussage hätte mich entlasten können!«
»Nein, sie hätte mich ebenfalls ins Gefängnis gebracht, und dann hätte ich nichts für dich tun können.«
»Warum? Und was hast du denn für mich Großartiges getan?« Jetzt will er den Helden rauskehren? Dumpf pocht die Wut hinter meinen Rippen. Ich reiße mich von ihm los und stehe auf. »Ich will eine Erklärung. Für alles! Du redest und lässt mich mit noch mehr Fragen stehen.«
»Nicht hier.«
»Jax, bitte!« Falls wir abgehört werden, hat er ohnehin schon zu viel gesagt.
Ich taste nach seinem Kopf und lasse sein Haar, das sich trotz der Kürze weich anfühlt, durch meine Finger gleiten. »Erzähl mir wenigstens, was du für mich getan hast«, flüstere ich in sein Ohr.
»Ich konnte erreichen, dass du ins Serva-Programm aufgenommen wirst.«
Oh, dieser Lügner! »Das hat mein Anwalt veranlasst.« Ich möchte fort von ihm, weiche zurück, doch er packt mein Handgelenk, als könnte er es in der Finsternis problemlos sehen.
»Der Vorschlag kam von mir, Doc.«
»Er hat das nicht erwähnt.«
»Ich habe ihm viel Geld dafür gegeben.« Ich weiß, dass Jax reich ist, denn die Soldaten haben den bestbezahlten Job der Stadt. Aber das würde bedeuten, mein Anwalt ist bestechlich. Habe ich deshalb den Prozess verloren? Steckt er vielleicht mit in dieser seltsamen Verschwörung?
Meine Kehle schnürt sich zu.
»Ich musste dich wiedersehen, Doc, und das war die einzige Möglichkeit.«
»Warum wolltest du mich wiedersehen?«, frage ich heiser und lege meine Hand auf die von Jax, die immer noch mein Gelenk umschlossen hält. Ich spüre dieses kleine Gerät an seinem Arm, das einer Uhr ähnelt.
»Ich kann doch die Frau, die mein Leben gerettet hat, nicht sterben lassen.«
Totenstille breitet sich aus und ich höre nur den rasenden Puls, der mein Trommelfell zum Vibrieren bringt. Jacksons Finger verschränken sich mit meinen. Zärtlich streichelt er mit dem Daumen über meine Handfläche.
Was ist das zwischen diesem Mann und mir? Er wirkt einerseits bedrohlich, dennoch besitzt er eine sanfte Seite. Er zeigt sie mir in der Geborgenheit der Finsternis. Auf einer Toilette.
Wenn ich mir vorstelle, wie wir aussehen würden, wenn das Licht angeht – es wäre zum Piepen.
»Dann bist du meine letzte Hoffnung«, wispere ich und schließe seinen streichelnden Daumen in meinen Fingern ein.
Ich lasse es zu, dass er mich wieder auf seinen Schoß zieht. »Ich habe einen Namen, der uns weiterbringen könnte, aber dazu muss ich an einen Computer, der nicht vom Regime kontrolliert wird.«
»Ich kenne jemanden, der uns helfen könnte«, sage ich vorsichtig. Das ist die Wahrheit. Außerdem wittere ich eine Chance auf Freiheit. »Aber ich komme hier nicht raus und darf auch mit niemandem von außerhalb sprechen.«
»Vielleicht gibt es einen Weg. Schließlich hat ein Warrior Sonderrechte. Wir werden das gemeinsam durchziehen müssen, um die Wahrheit aufzudecken.«
Wir … Plötzlich sehe ich ihn mit anderen Augen. Auch wenn er mich hätte entlasten können und ich folglich nicht in dieser Klemme stecken würde, kann ich ihm nichts vorwerfen. Denn er hat Recht: Sollten Leute von ganz oben hinter dieser perfiden Verschwörung stecken, säßen wir nun beide hinter Gittern. Jax hält etwas zurück. Ich bin mir sicher, dass er wichtige Informationen hat, die Licht ins Dunkel bringen können. Meine Hoffnung auf Rettung steigt, und mit einem Warrior an meiner Seite, der mich offensichtlich attraktiv findet, sieht die Welt nicht mehr ganz so schwarz aus.
Zärtlich fahre ich im Dunkeln über sein Gesicht, dann schreie ich auf.
Jax zuckt zusammen. »Verdammt, Doc, warn mich das nächste Mal vor«, knurrt er.
»The Show must go on …«
Kapitel 3 – Kriegerküsse
Zwanzig Minuten später liegen wir im großen Bett. Das Licht ist gedimmt, es ist fast dunkel, bis auf einen violetten Schimmer. Die Kameras können im Nachtsichtmodus trotzdem alles aufzeichnen.
Jax hat mich aus der Toilette gezerrt, ich habe geweint. Es sollte aussehen, als hätte er sich an mir vergangen. Ich werde weiterhin mitspielen, denn niemals war die Chance größer, meine Freiheit wiederzuerlangen – falls Jax wirklich die Wahrheit sagt. Auch wenn er nicht mit der ganzen Sprache herausgerückt ist, vertraue ich ihm. Unser Gespräch und sein Verhalten auf der Toilette haben meine Meinung über ihn grundlegend geändert. Trotzdem platze ich vor Neugierde.
Unter der Zudecke taste ich nach seinem Arm und wispere: »Jax?«
Brummend rollt er sich zu mir herüber. Ich weiß, dass er müde ist. Die Einsätze verlangen den Soldaten alles ab. Selbst im Halbdunkel erkenne ich die Schatten unter seinen Augen.
Sein Kopf liegt an meiner Schulter, eine Hand schiebt sich auf meinen Bauch, dann rutscht er über mich und bedeckt mich mit seinem Körper.
»Was wird das?«, flüstere ich in sein Ohr. Hm, wie gut er am Hals duftet. Nach Mann und der fruchtigen Badezutat. Er drückt meine Schenkel auseinander und legt sich dazwischen. Zum Glück stützt er sich ab, sonst würde er mich zerquetschen. Er ist breit wie ein Schrank. Aber seine Größe und Stärke machen mir nichts mehr aus. Mit ihm auf mir fühle ich mich beschützt.
»Hier sind überall Mikros, schon vergessen?« Er redet so leise, dass ich ihn kaum verstehe. »Die können alles hören. Lass uns das verschieben.«
Sein weicher Penis schmiegt sich an meine Scham. Da meine Beine geöffnet sind, spüre ich ihn direkt in meiner Spalte. Mein letzter Orgasmus liegt lange zurück, und im Whirlpool hat Jax mich bereits so heiß gemacht, dass ich vorsichtig meine Hüften hebe, um den angenehmen Druck zu erhöhen.
»Was soll das?« Seine Stimme klingt plötzlich eine Nuance tiefer, sein Atem stößt hart gegen meine Schläfe.
»Tut mir leid, ich bin nicht gefühlskalt.« Hilfe, habe ich das gesagt? Allein seine nackte Gestalt auf mir erregt mich und macht aus mir eine verruchte Frau. Aber was soll’s, ich bin ohnehin an der untersten Sprosse der Karriereleiter angelangt. Wenn ich schon sterben werde – auch wenn jetzt ein Funken Hoffnung besteht –, sollte ich mitnehmen, was geht, und Jax ist der heißeste Kerl der Stadt. Als ich ihn zum ersten Mal auf meinem Screener gesehen habe, war ich versucht, mir zukünftig die Highlights seiner Aufzeichnungen für meine Mediathek zu holen. Doch allein das Gesamtkonzept der Sendung hat mich so angewidert, dass ich mir verboten habe, dafür auch noch Geld auszugeben. Außerdem hat mich mein Job gefordert und von der Versuchung abgelenkt. Was auch besser war, denn ich glaube nicht, dass es mir gefallen hätte, Jax in Action mit anderen Servas zu erleben. Allerdings habe ich mich öfter gefragt, warum ein Warrior keine feste Partnerin hat. Der Job lässt wohl keine Beziehung zu. Wer möchte auch mit einem Mann zusammen sein, der jeden Moment von einem Rebellen oder Outsider getötet werden kann?
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