»Du brauchst keine Angst haben, ich werde dir nichts tun, Doc.« Langsam nimmt er die Hand von meinem Mund. »Ich brauche nur Informationen.«
Doc?
Sein Griff lockert sich, Jax wickelt mich in das Handtuch ein und zieht meinen bibbernden Körper wieder an sich.
Was ist los? Träume ich? Er klingt nicht mehr ungehalten und streichelt sanft meinen Arm.
Meine Stimme überschlägt sich. »Aber, vorhin …« Ich erinnere mich zu gut daran, wie er mir die »Kleidung« vom Leib gerissen und zugesehen hat, wie ich mich erleichtert habe.
»Das war nur Show, damit niemand Verdacht schöpft.«
War sein Fuß auf meiner Scham auch Show? Das hat schließlich niemand gesehen. »Du hättest mich wenigstens allein auf die Toilette gehen lassen können.«
»Ich hatte die Befürchtung, du könntest dir was antun.«
Er sorgt sich um mich? Was ist das für ein Spiel? Ich bin verwirrt, mein Verstand kann den Richtungswechsel nicht begreifen.
Jax zieht mich mit sich, und plötzlich sitze ich auf seinem Schoß. Er hat sich auf die Toilette gehockt.
»So konnte ich außerdem diesen Raum unauffällig inspizieren«, flüstert er. Sein warmer Atem streift meinen Hals und ein Prickeln durchläuft mich. »Ich konnte weder Kameras noch Mikros entdecken. Der Chef der Show hat uns auch versprochen, dass wir auf der Toilette nicht gefilmt werden.«
Das behauptet er doch bloß! Ich habe gesehen, wie er mich angestarrt hat. Tief atme ich durch, um mich weiterhin zu beruhigen. Mein Puls ist immer noch auf 180. »Warum ist dann das Licht aus?« Gibt es hier Spiegel? Ich glaube nicht, denn hinter Spiegeln lassen sich Kameras auch wunderbar verstecken.
Gefühlte zehn Sekunden schweigt er, bevor er antwortet: »Du sollst dich nicht noch mehr vor mir erschrecken. Ich habe gesehen, wie du mich angeschaut hast.«
»Wie meinst du das?«
»Du siehst das, was alle in mir sehen: das Ungetüm, den Killer. Meine Narben machen dir Angst.«
»Das stimmt nicht. Ich bin Ärztin. Deine Narben machen mir nichts aus.«
Er drückt mich fester an seine Brust. »Dann siehst du in mir nur einen Killer.«
»Natürlich dachte ich, du willst mich töten, das ist schließlich dein Job«, antworte ich zischend. »Wie konnte ich wissen, dass du mir etwas vorspielst?« Ich rette Leben, er nimmt sie. Kann ich so einem Mann vertrauen?
»Würdest du mich wollen, wenn ich kein Warrior wäre?«
Seine direkte Frage schockiert mich, mein Herz macht einen Satz. »Was?«, hauche ich, obwohl ich ihn genau verstanden habe. Ist das ein offizieller Anmachversuch? Hier, in der Vergnügungseinheit?
Die Badewannenszene steht mir noch bestens vor Augen, mein Kitzler zuckt, als ich daran denke, wo er seinen Fuß hatte.
Würde ich ihn wollen, wenn er ein normaler Bürger wäre? Außer seinem Körper kenne ich kaum etwas von ihm.
Jax räuspert sich. »Vergiss es. Was ist damals im Krankenhaus passiert? Warum wurdest du verurteilt?«
Themawechsel, puh. »Das weißt du doch. Alle wissen es.«
»Ich möchte deine Version hören. Aber vorher schrei.«
»Was?«
»Denk an die Show.«
Die habe ich beinahe vergessen! Hier im Dunkeln mit Jax, auf seinem großen, gestählten Körper, er nackt und ich nur mit einem Handtuch bekleidet … Aber da draußen lauert die Meute vor den Screenern. Alle denken, Jax tut mir gerade die furchtbarsten Dinge an.
»Neeeiin!«, kreische ich und würde wohl lachen, wenn die Lage nicht verdammt ernst wäre.
Ich sitze mit einem Warrior … Nein, ich sitze auf einem nackten Warrior auf der Toilette einer Vergnügungseinheit und spiele dem Publikum etwas vor. Hätte mir das jemand vor einem Jahr prophezeit, hätte ich es niemals geglaubt.
Ich lege einen Arm um seinen Nacken und fühle die Sehnen darunter. Sie sind hart wie Drahtseile. Seine Haut und das kurze, verstrubbelte Haar sind noch feucht vom Bad.
»Erzähl du zuerst«, wispere ich und beuge mich zu ihm. »Ich möchte deine Version hören.«
Jax saß bei der Verhandlung im Publikum. Ich habe geglaubt, seine wütenden Blicke in meinem Rücken zu spüren, und hatte Angst, er würde mich im Gerichtssaal töten. »Ich fand es seltsam, dass du nicht angehört wurdest.«
»Ich habe dem Senat erzählt, dass ich noch nicht bei Bewusstsein war, als Cedric starb, daher konnte ich keine Aussage machen.« Seine Stimme klingt ein wenig erstickt, und ich spüre, wie sich in seinem Nacken Schweiß bildet.
»Du hast gelogen!«
»Ich hoffe, du kannst mir das jemals verzeihen.«
»Was ist denn passiert?« Mein Puls rast. Erneut dreht sich alles in meinem Kopf. Träume ich vielleicht? Ist deshalb alles so wirr und verrückt?
Seine Lippen streifen meine Wange. »Als ich nach der OP aufgewacht bin, sah ich dich neben mir auf einer Liege schlafen.«
»Du warst zuvor schon mal kurz wach und hast mit mir geredet, so wirres Zeug«, unterbreche ich ihn. Immer noch habe ich seinen dankbaren Blick vor Augen.
»Ja, aber ich meine ein wenig später, als wir bereits auf dem Krankenzimmer waren. Du hast einen sehr erschöpften Eindruck gemacht, lagst auf dem schmalen Bett wie tot. Ich wusste, du hast alles gegeben, um mich und meinen Bruder zu retten, hast viele Stunden lang um unser Leben gekämpft.« Er räuspert sich leise.
»Woher willst du das wissen?« Doch langsam dämmert es mir und mein Magen zieht sich zusammen.
»Ich habe gehört, wie du dich mit einem anderen Arzt an meinem Bett über die Operation unterhalten hast, bevor du dich hingelegt hast.«
»Das war Mark Lamont.« Ein Lächeln huscht über mein Gesicht. Ich vermisse die Arbeit mit ihm. Wir haben uns perfekt ergänzt.
Eine Träne läuft über meine Wange und ich wische sie hastig weg, lausche wieder Jacksons Worten, anstatt mich in der Vergangenheit zu verlieren.
»Er wollte, dass du schläfst, aber du hast darauf bestanden, dich in unserem Zimmer auszuruhen, damit du sofort zur Stelle bist, falls es einen Notfall gibt. Cedric sei zwar über den Berg, hast du gesagt, doch dir war es lieber, bei ihm zu bleiben. Du warst meine Heldin. Du hast alles gegeben, um ihn zusammenzuflicken.«
Neue Tränen steigen in meine Augen. »Ich war so erschöpft, dass ich vielleicht einen Fehler gemacht habe. Angeblich bin ich aufgestanden und habe ihm eine Spritze gegeben.« Ich schlucke. »Hast du mich … gesehen?«
»Nein, du hast tief und fest geschlafen, als er … von uns ging.«
Wieso hat er das niemandem erzählt? Oder hat er geträumt? Die Aufwachphasen sind bei jedem Menschen unterschiedlich, er kann sich nicht sicher sein, dass er durchgehend wach war. »Sie warfen mir vor, dass ich ihm das falsche Medikament gespritzt hätte und deshalb sein Herz aufhörte zu schlagen. Langsam bin ich mir wirklich nicht mehr sicher, ob ich ihm nicht doch die Medizin verabreicht habe.« Ich schluchze auf und wende im Dunkeln mein Gesicht ab, als könnte er es trotzdem sehen. »Jax, auch wenn ich einen Fehler gemacht habe – ich gehöre nicht den Rebellen an, wirklich nicht. Ich habe deinen Bruder bestimmt nicht absichtlich …« Indem er mir über den Kopf streichelt, bringt er mich zum Schweigen. Hasst er mich nicht?
»Doc, hör mir zu. Auch wenn es seltsam klingt, aber … Du bist nur eine Schachfigur in einer perfiden Verschwörung des Regimes und zufällig zwischen die Fronten geraten. Sie brauchten eine Schuldige? Voilà, da war sie.«
»Was redest du da?«
»Ich glaube, da war noch jemand im Raum«, sagt er stockend.
»Wie meinst du das?« Natürlich waren andere Leute im Raum. Pfleger, Schwestern, Ärzte.
»Ich dämmerte immer wieder weg, doch mein Kriegerinstinkt lässt sich nicht so einfach abschalten. Als die Tür aufging und sich jemand ins Zimmer schlich, blinzelte ich. Ich wollte schon wieder die Augen schließen, weil der Mann einen weißen Kittel trug und nach Arzt aussah, doch sein Gesicht kam mir nicht bekannt vor. Er stellte sich zu dir ans Bett und … zog kurz eine Pistole aus der Tasche.«
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