1 ...7 8 9 11 12 13 ...33 »Es war die beste Zeit meines Lebens«, fand Benjamin. »Diese Befreiung davon. Aber jetzt ist das langsam vorbei. Jetzt hat mich das wieder, das Leben. Und ob du’s glaubst oder nicht, jetzt gefällt es mir wieder.«
Make Love, not War
Charlotte sah ihn nachdenklich an, nachdem er seine Rede beendet hatte. »Du Armer«, sagte sie schließlich. »Da ist dir ja ganz schön was entgangen in der Zwischenzeit. Kein Wunder, dass du immer so schaust.«
Benjamin legte den Kopf schief und die Stirn in Falten.
»Na ja. Erst dachte ich, bloß nicht schon wieder so ein idiotischer Tittenfetischist«, grinste sie breit. »Deine Augen waren ja noch größer als mein Busen. Dann fiel mir auf, wie schüchtern du bist. So ein großer Kerl, und kuckt jedes Mal so verschämt weg, wenn er erwischt wird. Ein großer Junge, der gern möchte, aber sich nicht traut.«
Benjamin senkte schuldbewusst den Blick. Mist, schon wieder. Er blickte auf.
»Wie jetzt«, sagte Charlotte und lachte lauf auf, eine perlende Lautreihe, eine gluckernde Kaskade ansteigender Töne. »Aber lass ruhig«, beruhigte sie ihn und tätschelte ihm dabei das Knie, während sie ihre Füße wieder auf die Erde stellte.
»Jetzt verstehe ich das. Ich finde dich ganz nett, also mach dir nicht so viele Gedanken. Das passiert mir auch nicht zum ersten Mal, das kannst du mir glauben. So ziemlich jeder Mann glotzt mich an wie das achte Weltwunder. Und mindestens jede zweite Frau.«
Sie zog ihre Füße wieder auf ihren Sessel und legte die Hände in den Schoß. »Lassen wir das Thema. Klar, ich könnte mich jedes Mal beschweren und die Ungerechtigkeit der Welt beklagen, andererseits …«
Sie wirkte beunruhigt, fand Benjamin. Irritiert. Er wollte aber nicht nachbohren, froh, dass er über dieses Thema nicht reden musste. Worüber hatten sie gerade gesprochen? Die Triebhaftigkeit des Menschen, und wie die Menschheit die Welt zerstörte.
»Wie siehst Du das denn alles?«, fragte er.
Sie goss sich einen weiteren Tee ein, ließ ein paar Kandiskristalle hineinfallen, rührte um und trank. Dann setzte sie die Tasse wieder ab und sah ihn ein paar Sekunden lang nur an.
»Als Du Paviane und Schimpansen erwähnt hast, dachte ich schon, du arbeitest auf dem gleichen Feld wie ich«, sagte sie fröhlich. »Ich habe viel mit Primaten zu tun, und mir sind da erhebliche Unterschiede aufgefallen.«
Benjamin fragte sich, welche. Er schlug die Beine übereinander.
»Ich denke da an das Thema Aggression«, erklärte sie. »Schau dir die Schimpansen an. Sie führen regelrechte Kriege gegen andere Gruppen, sie können sehr grausam sein, sie sind Machos, die Frauen und schwächere Männchen unterdrücken, sie können morden und zerstören. Genau wie wir. Wir müssen ähnliche Gene haben.«
»Die sind uns in der Tat genetisch am nächsten«, wusste Benjamin. »Unsere Brüder, sozusagen.«
»Genau. Dann sieh dir ihre kleineren Verwandten an, die Bonobos. Sehen aus wie kleine Schimpansen, sind aber das genaue Gegenteil. Sie kämpfen nicht, sie regeln alle Probleme durch Sex, ausschließlich durch Sex, jung und alt, Männchen mit Weibchen, Männchen mit Männchen, Weibchen mit Weibchen, genital, oral, manuell, zu zweit, zu dritt, in Gruppen. Alle Konflikte werden weggevögelt. Keine Hierarchien, kein Krieg. Fröhliche Hippies. Von denen haben manche von uns auch was. Und ich würde mir wünschen, wir wären alle wie die.«
»Oder wie die Gorillas«, fiel Benjamin ein. »Behutsame Riesen. Kraft wie Ochsen, aber zärtlich wie Schmusekatzen. Vegetarier. Die sind genauso friedlich und bilden große, harmonische Familienverbände.«
»Stimmt«, gab Charlotte zu. »Aber es gibt immer nur einen Silberrücken, der herrscht und alle Weibchen begattet.« Sie lächelte. Bist du ein Silberrücken oder ein Bonobo, las Ben aus ihrer Frage.
»Das stimmt schon. Aber sie bringen die jüngeren Männchen nicht um, weisen sie nur ihre Schranken. Genetisch macht das Sinn«, sagte Benjamin.
»Trotzdem sind mir die Bonobos lieber,« erwiderte Charlotte. »Wenn wir deren Gene gegen unser Schimpansen-Erbe tauschen könnten, hätten wir eine bessere und viel fröhlichere und buntere Welt.«
»Tja«, murmelte Benjamin. »Wenn wir das könnten. Als Biologen wären wir genau die Richtigen dazu. Die Werkzeuge dazu haben wir.«
Hilft Bügeln?
Charlotte stand auf, ging zur Tür und schaltete das Deckenlicht ein. »Schluss jetzt mit dem Gelaber. Wenden wir uns den wichtigen Dingen des Lebens zu.« Sie streckte ihm eine Hand entgegen und half ihm aus dem Sessel. »Jetzt machen wir ernst.«
Benjamin sah sie mit großen Augen an.
»Jetzt wird gebügelt!«, sagte sie.
Sie gab ihm ein altes Männerhemd. Größe 45, reine Baumwolle. Während Benjamin das Bügeleisen einstellte und destilliertes Wasser einfüllte, überlegte er, wie sie wohl an das Hemd gekommen war. Ein früherer Lover? Oder trug sie gern Männerhemden?
Egal. Benjamin breitete das Hemd vor sich aus, mit der Knopfleiste am Rand des Bügelbretts, und setzte das Eisen an.
Charlotte hatte in der Zwischenzeit das Teegeschirr in die Küche getragen und eine Flasche Wein mit zurückgebracht, die sie jetzt öffnete. Der Abt , las Benjamin auf dem Etikett. Ein Rotwein von einem Klostergut. Charlotte goss etwas davon in eins der Gläser. Er sah zurück auf das widerspenstige Objekt vor ihm.
Die Knopfleiste gehorchte ihm nicht. Das war mindestens eine doppelte oder sogar vierfache Lage Stoff. Zudem waren die Knopflöcher umstickt. Das Hemd musste leicht eingelaufen sein, der Stoff kräuselte sich zwischen den Knopflöchern, wie Haut in der Badewanne nach einem mehrstündigen Bad. Benjamin wandte sich statt der Knopfleiste erst mal dem auf Links gedrehten linken Brustteil zu und fuhr mit dem Eisen an den Knöpfen entlang nach oben. So weit, so gut, nur an der von der Leiste abgewandten Seite hatte er einige kleine Bugwellen in das Hemd gepflügt.
Charlotte kam herüber, nahm ihm das Eisen aus der Hand und stellte es aufs Ende des Bügelbretts. Sie stand leicht vornübergebeugt vor ihm, Hände auf dem Brett, und sah Benjamin direkt in die Augen. Er hätte sie jetzt ganz leicht küssen können, fuhr ihm durch den Kopf. Ihre Brust berührte über dem Bügelbrett fast die seine. Einen Wimpernschlag später trat Charlotte ein wenig zurück.
»Bügel das erst mal mit der Hand«, sagte sie, und machte es ihm vor, brachte das Hemd dann aber wieder durcheinander. Benjamin tat es ihr nach. Das Hemd sträubte sich gegen den Glättungsversuch. Er hatte nicht verstanden, was sie meinte.
»Sanft, als ob du über den darunterliegenden Körper streicheln würdest«, empfahl sie ihm. »Stell dir einfach vor, du würdest mich jetzt eincremen. Ich bin das Hemd, der Stoff ist meine nackte Haut.« Sie lächelte ihn ermunternd an und setzte sich wieder.
Benjamin unterdrückte einen Seufzer und legte seine Hand auf das Hemd. Die Spitze seines Mittelfingers lag jetzt auf ihrem eingebildeten Bauchnabel. Er stellte sich ihren nackten Bauch vor, ein wenig gewölbt, vielleicht mit kurzen, weichen Haaren bestanden, mit einem kleinen Wirbel über dem Nabel. Ihre Wange war auch leicht beflaumt gewesen; er stellte sich vor, dass sie ein ganz weiches und kurzes Fell hätte, das sie mochte und nie rasiert hatte.
Er wusste auch nicht, wie er auf diesen Gedanken gekommen war. Seine Hand fuhr wie von selbst in einer sachten, fast unmerklichen Bewegung im leichten Bogen nach oben, der Stoff machte bereitwillig Platz. Weiter oben regte sich Widerstand gegen seine zarte Berührung, und Benjamin nahm die andere Hand zur Hilfe und zupfte den widerspenstigen Stoff in die richtige Richtung. Das Hemd gab nach, es mag das, dachte Benjamin, es folgt mir in einer organisch wirkenden Weise. Es schmiegte sich seiner Hand an. Als ob es die Bewegung tatsächlich mochte. Er strich noch einmal sanft über das nun schon bereitliegende Hemd.
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