Hierzu habe ich auch ein Beispiel einer Klientin (38), die ich lange betreut habe. Sie schrieb:
„ Als Kind war ich meiner Mutter die allerbeste Freundin, Seelsorgerin, Krankenschwester. Ich hatte eine sehr behütete Kindheit und wurde stets gefördert. Ich habe viel, fast alles, bekommen, aber im Gegenzug erwartete man von mir schulische Leistung und Anpassung. Meine Eltern haben viel mit mir zu Hause für die Schule geübt. Wenn ich eine 3 schrieb, war zu Hause Weltuntergangsstimmung. Meine Mutter war sehr fürsorglich. Sie kaufte immer etwas, wenn sie meinte, ich könnte es gebrauchen. Auch bringt sie heute noch aus Urlauben immer viel für mich mit. Meine Mutter ruft fast jeden Tag an. Als ich mit meinem Mann und Kind im Urlaub war, schenkte sie mir noch drei weitere Tage auf der Insel und ich das musste annehmen, um sie nicht zu enttäuschen. Ich habe mit 14 meine Tage bekommen. Meine Mutter hatte mich darauf vorbereitet; allerdings war es ein komisches Gefühl. Zu diesem Zeitpunkt schlief ich noch ab und zu nachts liebend gern neben meiner Mutter im Ehebett, z.B. wenn ich eine gute Note erhalten hatte. In diesem Fall musste mein Vater dann in mein Kinderzimmer ausweichen, damit ich Mama knutschen durfte. Meine Mutter war sehr fürsorglich, sie erfüllte mir fast jeden Wunsch … “
Dieser Frau geht heute sehr schlecht. Sie kann kaum eine Beziehung führen, ihre Mutter hat bis heute Macht über sie und entscheidet mit, wie ihre Liebesbeziehung sein sollte. Sie ist depressiv, aggressiv, benimmt sich mit 38 noch wie ein kleines Mädchen, hängt total an ihrem Mann, der sie misshandelt. Sie schafft es nicht, auch nur die kleinste Sache selber zu machen. Sie ist schnell überfordert, egoistisch. Sie erwartet alles von anderen und von ihrem Mann und selbst gibt sie nichts. Sie erwartet, dass ihr Mann sie behandelt wie ihre Mama sie behandelt, wie ein kleines Mädchen. Sie ist psychisch instabil, hat Zwänge, ist kontrollsüchtig, extrem eifersüchtig und sehr kindisch. Und ihre Mama nervt sie jetzt, da sie den Eindruck hat, dass sie ihre Energie raubt, um ihr einsames Leben durchzustehen. Sie schreibt:
„ Ich werfe ihr vor, mich energetisch missbraucht zu haben. Ich werfe ihr vor, dass sie sich selber nicht in Frage stellt. Sie meint, ich hätte alles ihr zu verdanken, sie hätte immer Recht und sie macht ihrer Meinung nach alles richtig. Sie verletzt mich immer wieder mit Worten und drückt mir ihre Meinung auf, auch wenn ich sie nicht danach frage. Heute ist sie für mich eine personifizierte Hassliebe, weil ich ihre Vorzüge kenne, aber ihre negative Seite schwer tolerieren kann. Aber ich brauche sie sehr. Wie sie selbst sagt, was kann ich ohne sie? Ich weiß heute, dass ich meine Kinder nicht so behüten werde. Es macht abhängig. Es macht süchtig, du gehst darunter kaputt, aber du kannst dich emotional nicht mehr trennen. Das ist schlimm für mich, heute zu sehen, dass es keine selbstlose Liebe war. Sie brauchte diesen Erziehungsstil für sie selbst…“
Kinder, die übertrieben verwöhnt werden, kennen kein Mitgefühl. Wenn sie groß sind, erwarten sie, dass sich alles immer um sie dreht und dadurch werden sie sozial unfähig.
Dass Vernachlässigung ein großes Hindernis für die Kinder darstellt, um glücklich zu werden, ist bekannt und mehr brauche ich darüber nicht zu schreiben. Vernachlässigte Kinder entwickeln sehr schnell Komplexe, seien es Minderwertigkeitskomplexe oder übertriebene Überlegenheitskomplexe. Diese Kinder haben Schwierigkeiten, Kontakt mit anderen zu knüpfen, sie können auch gewalttätig sein.
Dass überbehütete Kinder die gleichen Verhaltensauffälligkeiten zeigen wie vernachlässigte Kinder, wird sicher viele erstaunen, aber das ist eine Tatsache. In der afrikanischen Kultur sagt man sogar, dass ein vernachlässigtes, verwahrloses Kind mehr Chancen hat, irgendwann im Leben glücklich zu sein, als ein übertrieben verwöhntes Kind.
Wichtig ist allerdings: das Bemühen um das Wohl der Kinder ist nicht mit Überbehütung gleichzusetzen. Es kommt auf das richtige Maß an!
Überbehütung, Überbemutterung, zu viel Schutz
Überbehütung ist Fallschirmerziehung per Exzellenz.
Diese Eltern und ihre Fallschirmerziehung ersticken unweigerlich die natürliche Reifung eines Kindes. Sie behindern die Fähigkeit eines Kindes, neue Dinge auszuprobieren. Sie halten zum Beispiel ein Kind davon ab, auf einem Baum zu klettern, weil sie Angst haben, dass sie runterfallen und sich etwas brechen, sie kriegen Panik, wenn das Kind allein etwas tun will, weil sie sich Sorge machen, dass es sich selbst verletzen könnte. Sie vermeiden Situationen, in denen das Kind unangenehme Erfahrungen machen könnte, sie haben Angst vor Kindesfreundschaft, weil ein anderes Kind es verärgern könnte. Sie verwalten und kontrollieren selbst bis in Details alle Angelegenheiten eines Kindes, um sicherzustellen, dass die Dinge reibungs- und gefahrlos ablaufen.
Überbehütung, Überbemutterung, zu viel Schutz sind eigentlich eine Form der Körperverletzung und Kindermissbrauch, da sie ein Kind daran hindern, die Fähigkeiten zu entwickeln, die für eine erfolgreiche Selbststeuerung und Inständigkeit im Leben erforderlich sind.
Überbehütung und Überschutz geben die gleichen Ergebnisse, die chronischer Missbrauch auch erzeugen kann.
Zum großen Leid der Kinder und der Gesellschaft, ist leider die Zahl der überbehüteten Elternschaft wie eine Plage geworden. Die Gesellschaft ist damit überschwemmt, mit oft katastrophalen Folgen.
Es mag viele erstaunen, aber eine der sichersten Möglichkeiten, ein Kind beim Großziehen zu schaden, das im Leben kämpft, das in allem nur Herausforderung sieht, ängstlich, unsicher und negativ ist, ist es, zu sehr zu schützen. So gut ihre Bemühungen auch sein mögen, können tatsächlich Eltern, die ihr Kind zu schützen, ihnen langfristig mehr Schaden zufügen, als dies in vielen Fällen von Kinderschlechtbehandlung der Fall ist.
Die Überbehütung von Kindern schadet Kindern und der Gesellschaft und macht aus ihnen echte Fallschirmkinder, auch im Erwachsenenalter.
Eltern, die sich überfürsorglich verhalten, schaden ihrem Kind, obwohl sie das Gegenteil wollen.
Überbehütung und Überbemutterung schaden den Kindern und machen sie auch als Erwachsene unselbständig. Außerdem können sie schwer Selbstvertrauen entwickeln. Überschutz fördert Angstprobleme bei Kindern, da Eltern dazu neigen, ihre eigene Angst darüber, was ein Kind erleben könnte, auf ihre Kinder zu übertragen.
Wir Eltern wollen nur das Beste für unsere Kinder und dafür geben wir uns sehr viel Mühe, aber warum sind dann so viele Kinder trotzdem in ihrem Verhalten gestört bzw. auffällig? Es liegt meiner Meinung nach auch an der Überbehütung der Kinder.
Es erscheint sich zu widersprechen, aber eine der sichersten Möglichkeiten, ein Kind kaputt großzuziehen, ein Kind das im Leben sehr hart kämpfen muss, ein Kind das Schwierigkeit hat Herausforderung zu meistern ist, es zu sehr zu behüten und schützen.
Eltern, die immer für die Kinder da sind, bei jedem Schrei schon beispringen, behindern am Ende die Kinder, ihre eigene Kraft zu entfalten. Es nimmt den Kindern die Chance über sich hinauszuwachsen und persönliche Erfolge zu feiern. Es verhindert, dass die Kinder ein stabiles Selbstwertgefühl entwickeln, indem sie die Schwierigkeiten, die sie auf ihrem Weg finden, eigenständig bewältigen. Unser Handeln schwächt unsere Kinder und lässt nicht zu, dass sie ihr Selbstvertrauen stärken. Sie sind ängstlich, unzufrieden mit sich selbst, sind sehr misstrauisch, haben oft Zweifel und glauben nicht an sich. Psychosomatische Krankheiten, Essstörungen, seelische Störungen usw., sind an der Tagesordnung.
Eine Erziehung zur Abhängigkeit, bei der wir nicht zulassen, dass die Kinder auch schmerzhafte Erfahrungen machen, selbst ihre Wege und Lösungen suchen, bei denen wir uns schon bei kleinen Schwierigkeiten anbieten, macht die Eltern zu stolzen Helfern, aber die Kinder unglücklich und unfähig.
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