Man mag es kaum glauben, aber Kotz hat mir überall, wo er die Bewertungen in eigener Kompetenz vergeben konnte, eine 2 gegeben, [38]das Minimum ohne personalrechtliche Konsequenzen. Die Begründungen sind hanebüchen. Konkret unterstellt er mir, dass der Projektverlauf für die Datenmigration schleppend gewesen sei. Ich sei zu schnell mit einer Lösung zufrieden, ich würde zu wenig vorausschauend planen und die Zusammenarbeit könne verbessert werden. Auf Rückfrage kann er die Kritikpunkte nicht konkretisieren. Sie bleiben allgemein und damit für mich wertlos. In diesem Stil verläuft der größte Teil des Gesprächs. »Zweck des Mitarbeitergesprächs ist es, den Mitarbeiter zu tadeln und nicht Streicheleinheiten auszuteilen«, reagiert er auf meine Feststellung, dass er an allem herumnörgle. Wütend stehe ich auf und verlasse das Büro. »Der Bund muss sparen. Melde dich bei dem Personaldienst«, ruft er mir zynisch nach.
Kündigung und Krankschreibung
Es ist unglaublich: Das ganze Jahr über habe ich gutes Feedback erhalten, niemand hat etwas zu beanstanden gehabt. Vor einem Jahr habe ich eine schlechte Personalbeurteilung akzeptiert, um den Konflikt beizulegen. Ich musste über den eigenen Schatten springen. Ich habe eine zweite Probezeit akzeptiert. Ich erhielt auch da ausnahmslos gutes Feedback. Castem ist im Gegensatz zu G-SOA in produktivem Einsatz, was auch mit meiner Entscheidung zu tun hatte, die beiden Projekte zu entflechten. Und jetzt sind wir wieder gleich weit. Ich habe von alldem Mobbing genug und kündige noch am gleichen Tag in einer emotionalen Aufwallung meinen Job per E-Mail. [39]Danach gehe ich nach Hause und bleibe dort für den Rest der Woche. Abteilungsleiter Hinkebein fragt den Personaldienst, ob die Kündigung rechtskräftig sei. [40]Sie ist es nicht und so erhalte ich umgehend eingeschriebene Post vom HR [41]mit der Bitte, meine Kündigung zu unterschreiben.
Das tue ich allerdings nicht, sondern kehre am kommenden Montag an den Arbeitsplatz zurück. Ich will die Arbeit wieder aufnehmen. Kotz sieht mich, wird kreidebleich und beginnt zu stammeln: »Ah, du kommst wieder, ähm, ich dachte, du kommst gar nicht mehr.« Da hat er sich allerdings getäuscht. Ich gebe nicht so schnell auf. Nach Einschalten des PCs stelle ich allerdings fest, dass mein Account gesperrt ist. Ich gehe ins Büro von Kotz und frage, was das soll. »Du hast gekündigt und bist per sofort freigestellt. Bitte verlasse umgehend den Arbeitsplatz und geh nach Hause.« Ich rege mich auf und werde laut: »Das ist eine unglaubliche Frechheit! Meine Kündigung ist nicht gültig, weil ich sie nicht unterschrieben habe.« Das findet wiederum Kotz eine Gemeinheit. Die Situation schaukelt sich hoch und gipfelt schließlich in einer Bemerkung von mir über den vor einigen Tagen in Texas stattgefundenen Amoklauf: [42]»Also ich kann langsam verstehen, wenn Leute durchdrehen und um sich schießen, wie kürzlich ein Psychiater in Texas.« Ich erwähne diese Bemerkung, weil das BIT und Dr. Fasel später versuchen werden, mir wegen dieser Aussage einen Strick zu drehen, indem sie behaupten, ich hätte einen fürchterlichen Amoklauf angekündigt.
Für mich ist die Situation unerträglich geworden. Das andauernde Mobbing hat mich mürbe gemacht. Ich rufe deshalb das Kriseninterventionszentrum (KIZ) der UPD Waldau an, wo man mich anfänglich abzuwimmeln versucht. Schließlich gelingt es mir doch noch, einen Termin zu vereinbaren. Ich gehe am Nachmittag vorbei und bleibe gleich für die nächsten zwei Tage dort. Ich erzähle der diensthabenden Ärztin vom Konflikt, der mich hergeführt hat. »Das ist eine ganz hässliche Geschichte, die Sie mir da erzählen«, kommentiert sie meine Ausführungen.
Der Oberarzt, welcher am nächsten Tag zur Arztvisite kommt, rät mir, eine neue Stelle zu suchen. Gute Leute könnten die Stelle wechseln, schlechte Mitarbeiter müssten so etwas ertragen, weil sie keine Wahl hätten. »Sie sind doch ein guter Mitarbeiter«, versucht er, mir Mut zum Handeln zu machen. Ich bin mit seinem Vorschlag nicht einverstanden. Warum soll ich jetzt schon wieder die Verantwortung übernehmen? Ich bin schon vor einem Jahr über meinen Schatten gesprungen, um den Konflikt beizulegen. Kotz hat seither nie etwas zu beanstanden gehabt. Also, warum wieder ich? Eine Stelle zu suchen ist mit Aufwand verbunden und wer sagt mir, dass es am neuen Ort besser sein wird? »Es ist ein Managementprinzip, dass der Rangniedere die Verantwortung übernehmen muss«, entgegnet er mir. Wie bitte!? So etwas fühlt sich für mich wie eine Ohrfeige an. Nein, ich finde es nicht richtig, dass ich für das Führungsversagen der Vorgesetzten die Verantwortung übernehmen muss. Diese Leute verdienen mehr und haben größere Entscheidungskompetenzen. Sie sollen deshalb auch die größere Verantwortung tragen und diese nicht an die Mitarbeiter delegieren. Wir beenden daraufhin das Gespräch.
Nach dem Austritt aus dem KIZ übernimmt Dr. Fasel, welchen ich schon im vergangenen Jahr aufgesucht habe, die ambulante Nachbetreuung. Ich bleibe vorerst für zwei Wochen und dann auf Drängen des Personalchefs (!) bis Ende Jahr krankgeschrieben. [43] [44]Das zweite Zeugnis stellt der Arzt nur widerwillig aus: »Sie sind nicht krank«, gibt er zu bedenken. Diese Bemerkung ist sehr wichtig, wird mir doch der gleiche Psychiater zu einem späteren Zeitpunkt in den Rücken fallen, indem er mich als persönlichkeitsgestört bezeichnet und zwischen meiner angeblich gestörten Persönlichkeit und dem Konflikt am Arbeitsplatz einen ursächlichen Zusammenhang herstellt.
Rückzug der Kündigung – Differenzbereinigungsverfahren
Am 16. November ziehe ich meine Kündigung, die wegen fehlender Unterschrift gar nicht gültig ist, zurück. [45]Eine rein formelle Handlung. Einen Tag zuvor initialisiere ich ein Differenzbereinigungsverfahren für die Personalbeurteilung, mit der ich nicht zufrieden bin und die ich auch nicht akzeptiert habe. Ich schreibe dazu den Abteilungsleiter Hinkebein an, um ein Gespräch für eine Differenzbereinigung zu organisieren. [46]Wegen Ferienabwesenheit [47]findet dieses erst am 17. Dezember zusammen mit dem Stellvertreter von Kotz statt. Das Gespräch verläuft seitens Hinkebeins in einem ausgesprochen herablassenden Ton. Er sei nicht bereit, die Qualifikation anzupassen. Hämisch grinsend stellt er fest: »Für mich ist ihre Arbeit eine Zwei.« Wenn ich das nicht akzeptieren würde, mache er eine Eins daraus. Er werde die Qualifikation nicht anpassen und sie so belassen, wie Kotz die Arbeit beurteilt habe. Auf meine detaillierten Einwände entgegnet er: »Ich diskutiere mit Ihnen nicht in dieser Detailtiefe. Sie sind für mich nicht belastbar und für diese Stelle ungeeignet.« Auf sachlich fundierte Argumente reagiert er zunehmend aggressiv, sodass das Gespräch schließlich abgebrochen werden muss.
Das Verfahren ist mehrstufig und die nächsthöhere involvierte Stelle ist der Direktor. Da mich die Aussagen von Hinkebein nicht überzeugt haben, trete ich schließlich am 23. Dezember schriftlich an den Direktor heran und trage dort meine Argumente nochmals vor. [48]Ich stoße aber auch hier auf taube Ohren. [49]Wenn ich wolle, könne ich als letzte Stufe noch an den Personalchef herantreten. Darauf verzichte ich.
Was soll man dazu sagen? Ich fühle mich ziemlich veräppelt. Das ganze Verfahren ist eine Farce, weil ausgerechnet diejenigen Personen und Stellen involviert sind, die Konfliktparteien sind. Da kann ich nur den Kopf schütteln. Allerdings bin ich von der Reaktion des Direktors nicht erstaunt. Ich hätte es voraussehen müssen, denn so ein Verhalten ist typisch für die Bürokratie im Allgemeinen und für dieses Amt im Besonderen.
Geschäftsleitung solidarisiert sich mit mobbendem Vorgesetzten
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