Das brachte Abby zum Grinsen. »Dein Vater oder der Händler?«
»Mein Vater, aber der Händler hätte sich wohl kaum gewehrt. Jedenfalls hat Dad ihn mir zum Einzug in mein Apartment geschenkt.« Madison tippte sich an die Stirn. »Schenkt mir eine Eigentumswohnung in Bloomington und dann ein Auto dazu. Ich kann dir nicht sagen, wie sehr ich mich darauf freue, nach dem Studium richtig zu arbeiten. Endlich mal was, wo man mir nicht alles in den Hintern schiebt und ich wirklich was leisten muss.«
Sie waren in der Zwischenzeit vor einem feinen Restaurant angekommen. Abby war sich sicher, dass sie ohne dieses schicke Auto, das nun von einem Angestellten geparkt wurde, da nie reingekommen wären. Sie selbst trug sichtlich alte Sachen und Madison …
Nun, Madison war Madison. Abgetragene Jeans und ein kariertes Hemd über einem ärmellosen Top waren die Standardausrüstung der Rothaarigen. Es war nicht so, als müsste sie darunter eine schlechte Figur verstecken oder wüsste nicht, was sie tragen konnte. Im Gegenteil, Abby kannte ihren Schrank voller Kleider von namhaften Designern. Madison legte einfach keinen Wert darauf. Ob das daher kam, dass sie sich bei den Pferden und als zukünftige Tierärztin ohnehin die Hände schmutzig machen musste, oder sie es einfach praktischer fand, hatte Abby nie hinterfragt. Sie kannte Madison nur so.
»Ich dachte, wir gehen Fast Food essen?«, fragte Abby unbehaglich. Ein Kellner führte sie zu einem ausgezeichnet gelegenen Tisch neben einem Fenster.
Madison zuckte die Schultern und musterte Abby kritisch. »Schätzchen, darüber fangen wir jetzt nicht an zu diskutieren. Meine Kreditkarte hat ein Limit, das ich nicht mal dann erreichen würde, wenn ich hier eine Party mit hundert Leuten schmeiße. Lass dich auf was Ordentliches zu essen einladen. Ich weiß, du bist stolz wie keine Ahnung was und würdest mich nie darum bitten, dich in ein teures Restaurant einzuladen. Genau deshalb besteh ich drauf, nicht einfach Fast Food mit dir zu essen. Ich will dich ein bisschen verwöhnen, okay?«
Abby seufzte und konnte plötzlich nachvollziehen, wie Ethan sich in seiner Rolle heute gefühlt hatte. Aber gerade wegen des morgendlichen Gesprächs verstand sie auch ihre Freundin. Madison hatte eben viel und teilte gern mit denen, die es weniger gut hatten. Vermutlich würden sich die Angestellten dieses feinen Schuppens über ein ordentliches Trinkgeld freuen dürfen.
»Wie läuft das Studium?«, fragte Abby ihre Freundin während der Vorspeise. »Du hast bald Prüfungen, oder?«
»Ja, nicht mehr lange bis zum Abschluss. Wird wohl mit Auszeichnung über die Bühne gehen.« Madison zuckte die Schultern und spießte ein Salatblatt auf, als wäre ein abgeschlossenes Studium nichts Besonderes. »Vermutlich werde ich meinen Vater überreden müssen, mir nicht gleich eine eigene Tierklinik zu bauen oder so.«
Abby lachte. »Nach allem, was ich von ihm weiß, wäre ihm das zuzutrauen. Und was hast du danach vor?«
Madison seufzte und griff nach der Serviette, die sie neben ihrem Teller ausbreitete. Dort fing sie an, sie zu falten. Das sah irgendwie kompliziert aus. »Das ist der Grund, warum ich mich mit dir treffen wollte. Ein Headhunter hat mich kontaktiert. Mir wurde ein Job als Tierärztin in einer großen Pferdeklinik angeboten. Natürlich erstmal nur zum Sammeln von Erfahrung, bis ich zertifiziert bin. Aber es ist gut möglich, dass ich danach fix übernommen werde.«
Abby fiel die Kinnlade runter. »Aber … Madison, das ist doch toll! Wolltest du das nicht immer?«
»Ja schon, es ist … nun ja, die Klinik ist in Kentucky. Ich meine klar, es ist jetzt nicht die halbe Welt dazwischen. Ich wär in relativ kurzer Autofahrt hier, wenn ich meine Großeltern, Eltern oder dich in Indy besuchen will. Trotzdem bin ich mir nicht sicher, ob ich das möchte. Andererseits würde ich einige Jahre mit einem Tierarzt mit mehrjähriger Erfahrung zusammenarbeiten. Davon kann ich eigentlich nur profitieren.«
Abby lächelte ihre Freundin aufmunternd an. »Ach Süße, lass dich nicht davon verrückt machen, dass du den Wohnort wechseln müsstest.«
Madison faltete die Serviette fertig. Nun erkannte Abby, dass sie ein kleines Segelschiff daraus gezaubert hatte. Madison schmunzelte verunsichert. »Siehst du, deshalb musste ich mit dir reden. Du machst mir Mut. Denkst du, ich krieg das hin? Neuer Bundesstaat, neuer Job? Besuchen würde ich dich trotzdem immer wieder, versprochen.«
»Klar schaffst du das!«, versicherte Abby ihrer Freundin. »Ich freu mich für dich. Das ist ein tolles Angebot, das du dir verdient hast. Du hast fleißig gelernt und hart dafür gearbeitet. Nimm den Job an und freu dich über diese Chance. Meine Tür steht dir immer offen und du kannst mich jederzeit besuchen. Und ansonsten können wir auch telefonieren und skypen, wenn du mich mal kurzfristig sehen willst. Mach dir nicht so viele Sorgen. Du packst das.«
»Danke, Süße.« Madison wirkte gerührt und stellte ihr kleines Segelschiffchen neben Abbys Teller. »Ich komme mir gerade richtig albern vor, aber nimm das bitte mit. Ein Schiff ist irgendwie das Symbol einer Reise, oder? Ich breche in ein paar Monaten sozusagen zu neuen Ufern auf. Ich bin mir nicht sicher, ob ich mich das trauen würde, wenn du mir nicht gesagt hättest, dass ich das hinbekomme.«
Abby lächelte und nahm das kleine Serviettenschiff vorsichtig hoch. »Das ist hübsch. Danke, Madison. Ich stelle es mir aufs Fensterbrett neben meinem Esstisch. Dann denke ich immer an dich, wenn ich es sehe.«
»Weil du so häufig isst, so wie du aussiehst«, witzelte Madison und die Stimmung wurde lockerer. »Vielleicht besuche ich dich ja nochmal, bevor ich abreise. Oder du kommst ein paar Tage zu mir, falls du es schaffst, dir freizunehmen.«
»Ich fürchte, wenn du zu mir kommst, musst du dir ein Hotel nehmen. Keine Ahnung, ob mein Sofa bis dahin frei wird«, murmelte Abby mit einem schiefen Grinsen.
Sie konnte regelrecht sehen, wie Madisons Ohren auf die dreifache Größe wuchsen. »Das musst du mir erklären.«
Abbys Gesicht fühlte sich plötzlich heiß an. »Ich hab sowas wie einen … Mitbewohner.«
Madisons Augen wurden rund. »Jetzt bin ich noch gespannter. Erzähl. Wie kommt’s?«
Abby vergrub das Gesicht in ihren Händen und holte Luft, nicht ganz ohne Theatralik. Sie wusste, wie sehr ihre Freundin gute Geschichten liebte. »Erinnerst du dich noch an den Veteranen, der mich vor ein paar Monaten vor diesem besoffenen Arsch gerettet hat?«
»Ethan? Klar. Der Obdachlose mit den schönen Augen.« Madisons Grinsen wurde zweideutig.
Abby verdrehte die Augen und erzählte Madison schließlich von den letzten Tagen. Ihre Freundin hörte geduldig zu.
»Okay, du hast ihn gelegentlich erwähnt, aber dass eure Freundschaft über den Sommer so gewachsen ist, war mir nicht bewusst.« Madison wirkte nachdenklich. In der Zwischenzeit hatte der Kellner ihnen das Dessert gebracht. Abby aß es in winzigen Bissen. Sie wusste gar nicht, ob sie schon jemals ein so gutes Tiramisu gegessen hatte. Da fuhr ihre Freundin bereits fort. »Also, dass du ihm geholfen hast, finde ich toll, Abby. Wirklich. Nur, wie kommst du damit klar?« Madison musterte sie prüfend. »Und damit meine ich nicht nur finanziell.«
Abby tunkte ihren Löffel in den Nachtisch und presste ertappt die Lippen aufeinander. »Ich weiß es nicht. Das ist es ja. Aber jetzt warten wir mal ab. Vielleicht sagt er mir auch heute, dass er gleich die Fliege machen will und das mit der Starthilfe hat sich erledigt.« Sie zuckte betont gleichgültig die Schultern.
»Süße, ich glaube nicht, dass er das tun wird. Wenn er diese Chance nicht ergreifen würde, wäre er echt dämlich.« Madison legte den Kopf schräg. »Aber Hand aufs Herz. Wenn du jemals was brauchst, sag es mir. Ich kaufe euch Lebensmittel oder … keine Ahnung. Gehe mit euch shoppen. Oder so.«
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