Stell Dir vor, Du bist aufdem Grund des Bewusstseins angekommen, auf der Basis. Die Wahrnehmung des Nichts. Wenn Du aber das Nichts wahrnimmst, ist da ein Wahrnehmender.
Die Narkose ist eine Reduktion auf die Basis des Bewusstseins, aber sie ist nicht Bewusstlosigkeit. Die Annahme, dass da, wo kein Objekt – etwas zu Beobachtendes – ist, auch kein Subjekt sein kann, ist ein philosophischer Fehler. Denn wir reden hier von einer Form der EIN-HEIT, die in sich selbst ruht, aber dennoch aus sich heraus die Gesetze des Lebens erzeugen kann. Es ist ein Grundzustand, aber kein Nicht-Zustand. Es existiert weder Raum, noch Zeit, noch Ausdehnung in irgendeiner Dimension. Er ist „dimensionslos“.
Ich weiß nicht, was Du für Erfahrungen mit Narkose hast, oder ob Du schon überhaupt mal eine hattest. Aber vielleicht erklärt der Adrenalinschub vor dem Wegdriften Dir ein bisschen was: Du kontrollierst Dich selbst und (scheinbar) die Welt über den Verstand, über die Emotionen, über die Sprache, über Deine Sinne. Der Verlust dieser Dinge ist somit gleichzeitig ein Kontrollverlust. Der Verstand will nicht in diesen Grundzustand zurückkehren. Mit der Angst vor dem Tod ist es übrigens das gleiche. Verstand und Emotion kämpfen daher dagegen an. Das Ergebnis nennt man „Todeskampf“.
Aber gerade weil das, was ich in der „bewussten Narkose“ (einmal) gefunden habe, nicht Nichts ist, sondern vielmehr die unbewusste Einheit, ist es das, wo wir herkommen. Wenn Du es vielleicht ein bisschen esoterisch magst: „Die schlafende All-Seele“.
Ein Punkt. Keine Ausdehnung. Einheit. Die Basis des Seins.
Der „unbewusste Weltgeist“
Ist unbewusst das gleiche wie ohne Bewusstsein? In meinen Augen existiert ein kleiner, aber feiner Unterschied. Man kann bei Bewusstsein sein und gleichzeitig unbewusst, dann erreicht das Bewusstsein nicht die erforderliche Tiefe, um ein Thema zu erfassen. Bei der großen Mehrheit der Menschen betrifft dies wie im letzten Kapitel angedeutet das Thema „Tod“.
Bewusstseins bildung gründet auf Erfahrung, nicht auf Lernen im Sinne von Vokabeln oder Formeln lernen. Scheinbar gibt es keine Erfahrung mit dem Thema Tod – zumindest nicht aus der heute vorherrschenden materialistisch-wissenschaftlichen Sichtweise. Damit ist das Thema Tod weit außerhalb der Erfassung durch das normale Alltagsbewusstsein.
Der Mensch ist, was den Tod angeht, unbewusst. Allerdings wäre es vermessen zu behaupten, dass der Tod deswegen damit automatisch mit „ewiger Bewusstlosigkeit“ einhergeht. Das wäre eine unzulässige Vertauschung der Standpunkte.
Im Umkehrschluss: „unbewusst“ bedeutet nicht : nicht existent. Es gibt viele Grade und Abstufungen von „Unbewusstsein“. Alle laufen darauf hinaus, dass das Bewusstsein ein bestimmtes Thema noch nicht erfahren, noch nicht erfasst hat. Da es unendlich viele Themen gibt, in die sich das Bewusstsein vertiefen kann, gibt es auch unendlich viele Grade von „Unbewusstsein“, genau wie es unendlich viele Abstufungen von „Bewusstsein“ gibt.
Du kannst das selbst mit einem Experiment für Dich nachprüfen: wenn Du Schläfst und in den weniger tiefen Schlafphasen in einen Traum gehst, weißt Du, dass die Zeit gegenüber der Realität verzerrt ist. Du kannst beispielsweise um fünf vor Drei einschlafen, einen langen Traum haben und um fünf nach Drei wieder aufwachen. Du kannst auch eine kurze Traumsequenz haben und vier Stunden am Stück geschlafen haben. Weißt Du, wann das der Fall ist? Wenn Du in eine tiefere Schlafphase übergehst und damit in die „Zeit-Losigkeit“. Denn in tiefen Schlafphasen gibt es keine Erfahrung der Zeit – genauso wie in der Narkose.
Je tiefer Dein Bewusstsein in den Schlaf sinkt, umso verzerrter wird die Erfahrung von Zeit, um schließlich ganz zu verschwinden. Und Du wirst beobachten, dass Dir die Zeit zusammen mit den Sinneseindrücken entgleitet. Keine Sinneseindrücke – keine Zeit.
Dazwischen findest Du Übergänge in Deiner Wahrnehmung. Der traumgleiche Zustand erscheint Dir verschwommener, diffuser als der Wachzustand. Vor allen Dingen scheinst Du die Kontrolle zu verlieren, da Dein Verstand zurück tritt.
Das sind die Übergänge unterschiedlicher Grade von Bewusstseinsstufen. Du regredierst in Stufen eines „gedimmten“ Bewusstseins.
Meine Gedanken zum Thema „Leben“
Wenn man, so wie ich (in meinem Fall mehr oder weniger erzwungenermaßen) das ganze Leben mit dem Thema Bewusstseinsbildung beschäftigt ist und war, stellt man sich irgendwann die „letzte“ philosophische Frage: warum gibt es etwas und nicht nichts? Oder ein bisschen spezifischer: wieso hat das Leben gewonnen ?
Die Voraussetzungen sind nämlich denkbar ungünstig. Die Erkenntnis verdanken wir dem Entropiegesetz oder dem zweiten thermodynamischen Hauptsatz. „Alles strebt maximale Entropie an“ (Eigentlich: in einem System gibt ein stärker erwärmter Körper immer Wärme an den weniger warmen Körper ab). Entropie bedeutet so viel wie „Unordnung“. Wenn man diesen Satz auf das Leben und das Sein im Allgemeinen anwenden will, kann man das so formulieren:
„In der Natur gleicht sich alles immer mehr an, der Grad der Differenzierung wird immer kleiner. Es ist unmöglich, dass der Grad der Differenzierung zwischen zwei Körpern größer wird.“ Oder noch kürzer formuliert: „Alles neigt zu Zerfall“.
Das Leben jedochdemonstriert uns permanent das Gegenteil: ein Baum wächst und grenzt sich von seiner Umwelt ab, erst wenn er stirbt, sterben auch Wachstum, Differenzierung und Abgrenzung. Der tote Baum kehrt wieder in seine Umwelt zurück, indem er verrottet.
Mit dem Menschen ist es das Gleiche: der lebende Körper, der lebende Organismus wächst und differenziert sich. Er vergrößert seine Eigenständigkeit bis zu einem gewissen Grad und ist eine von der Umgebung klar abgetrennte Einheit, mit der er allerdings in Wechselwirkung tritt. Mit dem Tod tritt der Verwesungsprozess ein: die Unordnung, die Entropie, siegt – aber erst nach dem biologischen Tod ! Der Körper kehrt zu den Elementen, in seine Umwelt zurück.
Wir sehen: Leben stellt sich komplett gegen den zweiten thermodynamischen Hauptsatz. Leben ist Ordnung und Differenzierung, Tod ist Unordnung – oder Entropie.
Beim Menschen wird es überhaupt noch ein bisschen interessanter: er differenziert sich von seiner Umgebung nicht nur durch organisches Wachstum, sondern auch geistig. Das Bewusstsein eines Menschen nimmt sich als eine von seiner Umgebung abgetrennte Einheit wahr.
Wie kann Leben trotz Entropie überhaupt entstehen?
Wenn die Entropie gewinnt, wenn die Unordnung siegt, wenn es das Ziel aller Materie ist, zu zerfallen, sich seiner Umgebung anzugleichen – wieso zeigt uns das Leben immer wieder das Gegenteil?
Das Geheimnis ist das Bewusstsein. Jede Form von Bewusstsein.
Dabei müssen wir annehmen, dass es sehr verschiedene Formen von Bewusstsein gibt, die stark vom menschlichen Bewusstsein, der menschlichen Wahrnehmung und Interaktion mit der Welt abweichen. Der Baum stemmt sich gegen das Entropiegesetz wie die Blume, wie eine einzelne Ameise oder ein ganzer Ameisenhaufen, wie Bakterien, wie Rehe und wie Vögel. Über ihre biologische Lebensspanne hinweg eint sie alle eine Eigenschaft mit den Menschen: der (vorübergehende) Sieg über die Entropie.
Mehr noch: so genannte „primitive Lebensformen“ folgen Mustern, die sie gleichzeitig von ihrer Umwelt differenzieren aber auch in diese integrieren. Beispiel gefällig?
Eine Darmbakterie ist in ihrer „Heimat“, in ihrem Milieu, in ein größeres Ganzes integriert und Teil der körpereigenen Abwehr. Aus dieser „Heimat“ herausgenommen kann sie sehr viel Schaden anrichten.
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