„Klaus-Dieter bevorzugt aber ein Gläschen Bier. Abends, wenn …“
„Das kann Ihr werter Gatte von heute an vergessen. Bier treibt den Blutdruck in die Höhe und vergiftet die Leber. Wollen Sie schon demnächst in schwarze Klamotten schlüpfen?“
„Na – natürlich nicht“, stotterte Schwanhilde, griff gedankenversunken wieder in ihre Haarpracht und löste unbewusst den Knoten, sodass die Haare wie ein Vorhang herunterfielen und ihr blasses Gesicht umrahmten.
„Ich – ich muss das Ganze erst verdauen, Herr Doktor. Bis jetzt hat noch kein Arzt so eindeutig mit mir gesprochen.“
„Das glaube ich Ihnen, Frau Becker. Bei so einer miesen Versicherung gibt’s normalerweise keine Ratschläge auf Krankenschein. Nur weil ich heute meinen großzügigen Tag habe, weihe ich Sie in Geheimnisse ein, die normalerweise nur den Privatpatienten vorbehalten sind. Aber jetzt haben wir genug gesprochen, Frau Becker. Es wird Zeit, dass ich mein ärztliches Wissen in die Tat umsetze.“
Und mit Schwung pflanzte der gute Mann die dicke Nadel in den Allerwertesten seines Patienten, der gellend aufschrie. „Ich will noch nicht sterben! Zu Hilfe!“
„Sterben wollen wir alle nicht und trotzdem muss irgendwann mal Schluss sein, Patient 94, Strich 82, Strich 504, sonst würde die Erde überquellen! Aber diese Spritze wird Sie vorübergehend von Ihren Schmerzen befreien, Herr Becker, aber beklagen Sie sich nicht über die Nebenwirkungen. Sie müssen in den nächsten Tagen mit etwas Übelkeit rechnen, aber alles kann man im Leben nun mal selten haben. Die billigsten Versicherungen ranschleppen und dann einen 1a-Service verlangen, das passt irgendwie nicht zusammen. Finden Sie nicht auch?“
„Ich – ich …“ Klaus-Dieter hielt sich die schmerzende Stelle und blickte mit flackernden Augen auf den Weißbekittelten.
Dieser zog eine zweite Spritze auf und verabreichte seinem Patienten die volle Ladung.
„Mir – mir ist so furchtbar schlecht!“, klagte Klaus-Dieter, doch der Doc lächelte nur freundlich. „Das ist ein gutes Zeichen, Herr Becker. Sie sprechen auf die Spritze an, was man nicht von jedermann behaupten kann. Auf diese Weise erspare ich Ihnen den Umstieg auf ein viel besseres Präparat, das Sie dann aus eigener Tasche zahlen müssten. Sie scheinen noch einmal Glück gehabt zu haben.“
„Ich bin so verdammt müde!“, röchelte der Patient, und der Doc sagte: „Ausgezeichnet. Dann schlafen Sie doch endlich ein. Dieses Gejammer ist ja nicht zum Aushalten.“
Klaus-Dieter rollte sich wie ein Igel zusammen, und wenig später schnarchte der gute Mann vor sich hin, dass es eine wahre Freude war.
„Mein Mann wird doch hoffentlich wieder aufwachen?“, vergewisserte sich Schwanhilde und runzelte besorgt ihre Stirn.
„Das lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen, Frau Becker. In der Medizin gibt es keine hundertprozentigen Prognosen. Wir können immer nur das Beste hoffen und das Schlimmste befürchten. Dann bleibt man emotional im gesunden Gleichgewicht. Mehr kann ich im Augenblick für Ihren Herrn Gemahl nicht tun, Frau Becker. Ich hoffe, Sie waren mit meiner Arbeit zufrieden und zeigen sich beim Trinkgeld nicht von der knausrigen Seite. Schließlich ist das Leben heutzutage kein Zuckerschlecken mehr und jeder muss sehen, wie er durchkommt.“
Mit einer leichten Verbeugung und einem verschmitzten Lächeln auf den Lippen verabschiedete sich der hagere Mann, packte seine Sachen zusammen und marschierte aus dem Haus.
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