wurde 1788 in Danzig geboren und starb 1860 in Frankfurt am Main. Er gilt heute als einer der bedeutendsten und eigenwilligsten Nachfolger der Lehre Kants. Sein Einfluss auf die Kulturgeschichte ist unschätzbar: Von Wagner und Nietzsche zu Tucholsky, von Hermann Hesse bis zu Thomas Mann beeinflusst sein Denken Künstler und Schriftsteller bis heute.
Während das Werk Arthur Schopenhauers in der akademischen Welt wie eh und je ein Randdasein fristet, fällt es nicht schwer, die nicht nachlassende Begeisterung bei allen anderen Philosophie-Interessierten nachzuvollziehen. Schopenhauers einzigartige Position in der Philosophiegeschichte folgt vor allem aus der ungewöhnlichen Verbindung von östlichem Buddhismus und deutschem Idealismus. Seine pessimistische Lebensphilosophie geht - für die deutsche Tradition ungewöhnlich - davon aus, dass der Welt ein irrationales Prinzip zugrunde liegt und das Leben letztlich Leiden bedeutet. Diese Annahme führt ihn jedoch nicht zu einem intellektualisierten Zynismus, sondern zu einer altruistischen Mitleidsethik, die auch heute noch die philosophische Grundlage für ein vernünftiges Lebenskonzept bieten kann.
Die vorliegende Auswahl zeigt Schopenhauer als Meister der sprachlich verdichteten Lebensweisheit: Sein virtuoser Sprachgebrauch, seine genaue Beobachtungsgabe und sein polemisches Talent machen Arthur Schopenhauer nicht nur zu einem der literarisch herausragendsten deutschen Philosophen, sondern sind ein Beispiel dafür, dass Philosophie kein trockenes Handwerk sein muss.
"In Hinsicht auf die Schätzung der Größe eines Menschen gilt für die geistige das umgekehrte Gesetz der physischen: Diese wird durch die Ferne verkleinert, jene vergrößert." Arthur Schopenhauer
Arthur Schopenhauer
Die Wahrheit kann warten
Arthur Schopenhauer
Die Wahrheit kann
warten,
denn sie hat ein langes Leben vor sich
Auswahl kleiner
philosophischer Schriften
Herausgegeben von
Bruno Kern
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Der Text basiert auf der Ausgabe marixverlag, Wiesbaden 2013
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ISBN: 978-3-8438-0333-5
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„Das Leben ist eine missliche Sache!“
Über Philosophie und ihre Methode
Einige Betrachtungen über den Gegensatz des Dinges an sich und der Erscheinung
Einige Worte über den Pantheismus
Zur Philosophie und Wissenschaft der Natur
Zur Ethik
Zur Rechtslehre und Politik
Zur Lehre von der Unzerstörbarkeit unseres wahren Wesens durch den Tod
Nachträge zur Lehre von der Nichtigkeit des Daseins
Nachträge zur Lehre vom Leiden der Welt
Über den Selbstmord
Nachträge zur Lehre von der Bejahung und Verneinung des Willens zum Leben
Über Religion
Über das Schöne
Über Gelehrsamkeit und Gelehrte
Selbstdenken
Über Schriftstellerei und Stil
Über Lesen und Bücher
Psychologische Bemerkungen
Gleichnisse, Parabeln und Fabeln
Einige Verse
„DAS LEBEN IST EINE MISSLICHE SACHE!“
DIE WEISHEIT EINES GELASSENEN PESSIMISTEN
Er ist wahrscheinlich der meistgelesene Philosoph im deutschen Sprachraum überhaupt. Bis heute erfreut sich Arthur Schopenhauer einer schier unglaublichen Popularität, während er doch innerhalb der akademischen Philosophie eher ein Randdasein fristet – zu Unrecht, wie hoffentlich auch an diesem Band deutlich wird. Wenn man Kants Kritik der reinen Vernunft nachsagte, sogar die Friseurlehrlinge hätten sie seinerzeit verschlungen, dann passt dieses Diktum in unseren Tagen am ehesten noch auf Schopenhauers Hauptwerk, Die Welt als Wille und Vorstellung .
Sein Vater hatte für ihn eigentlich eine Karriere als Kaufmann vorgesehen und stellte ihm die Finanzierung einer Weltreise in Aussicht, falls er sich diesem Berufswunsch unterordnen würde. Der junge Schopenhauer akzeptierte den Deal, um freilich nach des Vaters Tod dessen Bedingung nicht zu erfüllen, seine Lehre abzubrechen, in schon fortgeschrittenem Alter ein Gymnasium zu besuchen und schließlich seine akademische Laufbahn mit einer Habilitation in Berlin zu krönen. Der innere Antrieb zur Philosophie aber erwuchs ihm zunächst aus der Erfahrung des Lebens selbst. Das biografische Schlüsselerlebnis, das ihn zum Nachdenken über das Dasein veranlasste, war das Leid von Galeerensklaven, das er in der französischen Hafenstadt Toulon erlebte. Der Anfang der Philosophie – für Aristoteles bekanntermaßen das Staunen – ist für ihn die Erfahrung des Leids der geschundenen Kreatur. Dies wird einen bleibenden Impetus seines Denkens bilden und begründet wohl auch seine Beschäftigung mit fernöstlichen Lehren wie dem Buddhismus.
Die Philosophie seiner Tage steht ganz im Zeichen von Kants „kopernikanischer Wende“. Kants „Transzendentalphilosophie“ wendet sich dem Nachdenken über die Bedingungen unseres Erkennens selbst zu, macht die Erkenntnistheorie anstelle der alten Metaphysik zur „prima philosophia“, zum Ausgangspunkt aller Philosophie. Mit den Anschauungsformen von Raum und Zeit und den Verstandeskategorien ist unser Erkennen Kant zufolge streng auf den Bereich der Erscheinungen beschränkt. Die objektive Ursache dieser immer schon von den subjektiven Voraussetzungen unserer Erkenntnisfähigkeit überformten Erscheinungen allerdings, das „Ding an sich“, bleibt unerkannt, das „ignotum X“, das man zwar eben als die Ursache der Erscheinungen postulieren muss, aber nicht „erkennen“ kann. Kant wird zum Ausgangspunkt der weiteren Entwicklung philosophischen Denkens, näherhin des Deutschen Idealismus , der in Hegel seinen Höhepunkt findet. Die Denker des Deutschen Idealismus arbeiten sich auf je ihre Weise an den verbleibenden Widersprüchen, unbefriedigenden Erklärungen und „dogmatischen Resten“ bei Kant ab, die sie mit ihren Systemen überwinden wollen. Unbefriedigend zum Beispiel ist bei Kant das nahezu beziehungslose Nebeneinanderbestehen von theoretischer und praktischer Vernunft. Einen Widerspruch stellt es dar, wenn Kant das „Ding an sich“ als Ursache der Welt der Erscheinungen postuliert und damit die Kategorie der Kausalität, die nur im Bereich der Erscheinungen ihre Gültigkeit hat, außerhalb dieses Bereiches anwendet. Nicht geklärt ist auch die Rolle dessen, was der subjektiven Erkenntnis die letzte integrierende Einheit verleiht, Kants „transzendentale Apperzeption“, usw.
Arthur Schopenhauer beschreitet – fernab von denen, die die philosophische Szene beherrschen – hierbei seinen eigenen, höchst originellen Weg. Das unserer Vorstellung von der Welt zugrunde liegende Reale, das kantische Ding an sich, ist für ihn der Wille als universales Lebensprinzip! Bestimmend für diese Einsicht ist es, dass sich der Mensch nicht nur als erkennendes Subjekt, sondern unmittelbar in seiner Leiblichkeit erfährt! Dieser Wille nun manifestiert sich innerhalb der gesamten Natur in immer höheren Stufen der Objektivation, bis er schließlich im Intellekt des Menschen selbst die Voraussetzungen seiner eigenen Anschauung hervorbringt. Unsere Welt, in der wir leben, ist also zugleich ihrem ganzen Wesen nach durch und durch Wille und durch und durch Vorstellung. Der Wille als universales Prinzip der Natur ist das tragende Fundament. In unserem Intellekt wird diese Welt als Wille zur Vorstellung. 1
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