Anton Schaller
Weihnachtsgeschichten
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Inhaltsverzeichnis
Titel Anton Schaller Weihnachtsgeschichten Dieses ebook wurde erstellt bei
Tränen unterm Weihnachtsbaum
Unerwarteter Besuch
Der Bettler
Besuch aus Afrika
Ein ganz besonderer Heiliger Abend
Vom Leben vergessen
Wunder gibt es
Bin ich nicht schön?
Ein ungewöhnliches Weihnachtsgeschenk
Vorschau
Impressum neobooks
Tränen unterm Weihnachtsbaum
Tränen unterm Weihnachtsbaum
Sternspritzer sprühten, Kerzen flackerten, leise Musik klang auf.
Gebannt starrte Bruno auf den reich geschmückten Christbaum, auf die vielen bunten Kugeln, die den Lichtschein reflektierten, und auf die kleinen Schokoladebrezeln, die von den Ästen herunterhingen.
Im Zimmer war es gemütlich warm. Holzscheite knackten im Ofen, Harzknoten lösten sich puffend im Feuer. Draußen tobte der Sturm, trieb riesige Schneemengen vor sich her und warf sie gegen die Fensterscheiben, in denen sich der beleuchtete Christbaum spiegelte. Richtige Weihnachtsromantik, wo einem warm ums Herz wurde.
Bruno konnte kaum erwarten, bis die Bescherung begann... Der Junge stürzte sich dann voller Freude auf seine Päckchen, die mit buntem Papier umwickelt waren. Ungeduldig zupfte Bruno die Verpackung zur Seite und hielt dann seine Geschenke in der Hand.
Die Eltern beobachteten gespannt die Reaktion ihres Sohnes und wunderten sich dann plötzlich, wieso das freudige Strahlen aus dem Gesicht des Jungen verschwunden war.
Bruno wirkte enttäuscht und traurig, seine Bewegungen erfolgten langsam, wie in Zeitlupe.
"Was ist denn los mit dir?" fragte der Vater, während er dabei war, sein eigenes Päckchen zu öffnen. "Du hast dir doch eine Soundmaschine gewünscht, oder nicht?"
Bruno drehte das Gerät verlegen in der Hand. Seine Augen schimmerten feucht. "Schon", brachte der Junge dann nach einigem Zögern hervor. "Aber das ist ja ein ganz einfacher Apparat mit zwei schwachen Lautsprechern. Und außerdem hat er keinen Anschluss für einen USB-Stick.
Bruno wischte sich verlegen eine Träne aus den Augenwinkeln.
"Was ist denn das für eine Undankbarkeit?", begehrte der Vater auf und stemmte die Fäuste in die Hüften.
"Beruhige dich doch!", versuchte die Mutter, beschwichtigend einzugreifen und strich Bruno sanft übers Haar, dem jetzt die Tränen so richtig daher schossen. Und an ihren Sohn gewandt, sagte sie tröstend: "Dafür hast du ja noch die vielen anderen Sachen bekommen. Schau, diese schöne Jeans zum Beispiel..."
"Ja, aber das ist keine bekannte Marke, wie ich sie mir gewünscht habe - und wie sie alle meine Freunde tragen", fügte der Junge mit einem Schluchzer hinzu."Eine Wrangler, eine Levis oder eine Diesel..."
"Ich hör' wohl nicht recht!", polterte der Vater drauflos. "Sind dir unsere Geschenke also nicht gut genug? Also, ich verstehe das nicht. Zu meiner Zeit war ich froh, wenn ich überhaupt etwas unter dem Christbaum vorfand. Was soll der Unsinn mit diesen Firmennamen? Jeans ist Jeans. Ganz gleich, wie sie heißt! Ich sehe doch nicht ein, wieso ich das Drei- oder Vierfache für so eine idiotische Hose zahlen soll, nur dass irgendein bekannter Name draufsteht. Nein, Bruno, wir haben unser Geld nicht im Lotto gewonnen. Wir verdienen uns jeden einzelnen Euro auf mühsame Art und müssen uns zweimal überlegen, wofür wir ihn wieder ausgeben. Dein Freund hat leicht reden. Sein Vater ist Bankdirektor. Da spielt das Geld keine Rolle. Aber ich bin nur ein einfacher Arbeiter..."
Bruno saß am Boden wie ein Häufchen Elend. Die schöne Weihnachtsstimmung war wie weggeblasen. Tränen kullerten dem Jungen über die Wangen, und sein Brustkorb hob und senkte sich unter lautem Schluchzen.
Die Mutter nahm Bruno in die Arme und sprach beruhigend auf ihn ein: "Glaubst du denn wirklich, dass du bei deinen Freunden weniger giltst, wenn du nicht so eine teure Hose und nicht so eine tolle Soundmaschine hast?"
Bruno nickte überzeugt. "Die lachen mich doch alle aus..."
"Dann lass sie doch!", fuhr der Vater dazwischen. "Auf solch feine Freunde kannst du leicht verzichten. Entweder sie nehmen dich so an, wie du bist, oder ihre Freundschaft taugt eben nichts. Dann ist es nicht schade um sie..."
"Ich werde mit deinen Freunden reden", versprach die Mutter, "und ich glaube, dass sie allesamt gescheit genug sind, um unseren Standpunkt zu verstehen. Nicht jeder kann sich alles leisten. Und nur dumme Menschen beurteilen den Wert eines anderen nach dessen Besitz. Es kommt doch auf die wesentlichen Dinge an. Und diese Dinge kann man nirgends kaufen", erklärte die Mutter mit Nachdruck. "Ein richtiger Freund mag dich nicht deswegen, weil du nach der neuesten Mode gekleidet bist oder eine Super-Stereoanlage besitzt. Nein, Bruno, ein richtiger Freund mag dich, weil er dich von deinem Wesen her nett und sympathisch findet. Und ich weiß, dass zum Beispiel Richard, dein bester Freund, im Grunde genommen genauso denken wird, wenn ich ihn darauf anspreche. Wetten wir?"
Bruno beruhigte sich zusehends. Die tröstenden Worte seiner Mutter wischten die Enttäuschung fort. Und nach kurzer Zeit stahl sich ein leichtes Lächeln auf sein Gesicht.
Ein Weihnachtslied erklang...
Wiederum fauchte eine Windbö ums Haus und wirbelte Schnee in die Höhe. Das Feuer im Ofen flackerte.
Im Zimmer war`s gemütlich. Bruno spürte, wie der Weihnachtsfriede wieder langsam in sein Herz zurückkehrte...
Unerwarteter Besuch
„Morgen kommt Albert wieder in die Schule!“, verkündete die Lehrerin und schlug ihre Hände erfreut gegeneinander. „Ich hoffe, dass ihr ihm helft, möglichst schnell wieder in den Schulalltag hineinzufinden. Zwei von euch haben sich übrigens bereit erklärt, Albert beim Nachlernen des Unterrichtsstoffes zu helfen. Das finde ich super!“, fügte Frau Nemetz noch hinzu und deutete auf Tobias und Noa. „Die beiden werden sich ganz speziell um Albert kümmern!“
Am nächsten Tag wurde der Junge, der viele Wochen krank gewesen war, aufs herzlichste begrüßt. Nur Jan hielt sich zurück und blickte etwas verächtlich auf die schmale Gestalt seines Mitschülers, der ein scheues Lächeln auf sein eingefallenes Gesicht zauberte. Jan war das genaue Gegenteil: groß, kräftig, vor Gesundheit strotzend. Der Junge war felsenfest davon überzeugt, dass er sich von keiner Krankheit unterkriegen lassen würde. Albert wirkte auf Jan wie ein Gespenst, das gerade aus dem Grab gestiegen war.
Als der Junge dann an Jan vorbeiging, murmelte dieser spöttisch. „Hallo, Glatzkopf! Wo hast du denn deine blonde Mähne gelassen?“
Alberts Gesicht versteinerte. Er fuhr sich instinktiv über seinen Kopf, dem die schöne Haarpracht durch die vielen Chemotherapien abhanden gekommen war. „Wird schon wieder nachwachsen!“, flüsterte der Junge und ging unsicheren Schrittes auf seinen Platz. Mit zittrigen Händen packte er seine Schultasche aus und richtete die Hefte und Bücher für die erste Stunde her.
„Du bist ja ein richtiger Tattergreis geworden!“, spottete Jan und packte seinen Mitschüler grob am Oberarm. „Von deinen Muskeln kann man auch nicht mehr viel spüren. Du warst einmal ein richtiger Kerl, mit dem man herumbalgen konnte.“
„Das geht jetzt nicht mehr“, antwortete Albert. „Ich habe fast die Hälfte meines Körpergewichts verloren, aber die Ärzte haben mein Leben gerettet. Nur das zählt für mich. Kannst du das verstehen, Jan?“
Der Junge murmelte etwas Undeutliches vor sich hin und verzog sich dann in seine Bankreihe.
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