Vielleicht wartet „jung, ungebunden, aufgeschlossen, sucht …“ aber auch gerade an ganz anderer Stelle oder sucht bei einer meiner Kolleginnen einen psychologischen Exkurs über seine persönlichen Vorlieben. Vor deren Umsetzung er oft ebenso viel Angst hat wie vor ihrer Nichterfüllung. Oder noch viel schlimmer: dass irgendjemand davon erfahren könnte. Draußen im richtigen Leben. Dort wo real geliebt und erlebt wird. Naja – Leidenschaft braucht Begeisterung, Begeisterung braucht Realität, Realität braucht Mut. Finde den offensichtlichen Fehler des Wartens.
Man kann es glauben oder nicht: das weibliche Pendant zum aufgeschlossenen Single-Mann zeigt sich übrigens meist bedeutend entschlossener. Selbst eine – auf den ersten Blick – eher graue Maus wagt sich an konkrete Informationen, sucht sich Adressen, geht alleine auf Partys, datet sich und bekommt in der Wartezeit auf Mr. Right ziemlich konkret heraus, wie sie sich den künftigen passenden Partner vorstellt und was mit ihm erlebt werden möchte. Frauen können gnadenlos gut sein, wenn sie es wagen, sich für ihre Bedürfnisse zu entscheiden. Da wird viel weniger hoffnungsvoll herum gesehnt und schließlich doch erst einmal gelassen. Frauen sind da meist offen, machen sich schlau, entscheiden und tun es einfach. Sie fragen ja bekanntlich auch problemlos nach dem Weg und lesen sogar Produktbeschreibungen.
Im Gegensatz zu einem von mir sehr geschätzten, eher zurückhaltenden Stammkunden. Der kam eines Tages untypischerweise etwas grummelnd vorbei und sagte, dass die Idee vom letzten Mal „irgendwie blöd gewesen sei“. Ich erinnerte mich. Er hatte sich ein Shunga Lovebath von mir empfehlen lassen. Eine Art aphrodisierenden Zusatz, dessen Spezialität darin liegt, sich nach Zugabe ins Badewasser in eine besonders sämige Konsistenz aus Gel-Perlen zu verwandeln. Eine Lustwanne voll duftendem Glibber also, was ziemlich genau dem entsprach, was er sich für sein Date gewünscht hatte. Dummerweise las er allerdings die Gebrauchsanweisung nicht und warf das zweite Tütchen Zauberpulver versehentlich mit der Verpackung weg. Nämlich genau jenes, mit dem sich der Glibber anschließend wieder in klares Wasser zurückverwandelt hätte. Somit stand der arme Kerl wohl ausdauernd mit einem Pümpel vor seiner Wanne, um das Lovebath durch den Abfluss auch wieder wegzubekommen. Bei dieser Vorstellung konnte ich die Äußerung „es wäre irgendwie blöd gewesen“ extrem gut verstehen. Bei guten Dates pümpelt man eher nicht.
Und dann gibt es wiederum diejenigen, die aus schierem Glück fast platzen mögen und oftmals schlägt ihr Herz für Dinge, die man nicht in ihnen vermuten würde. Ein sehr netter, kugelrunder, kleiner Rocker beispielweise, in Lederkluft und Jeansweste, kam schwitzend mitten im Hochsommer. Ein ganz liebenswürdiges, kommunikatives Kerlchen, das mir einen ganzen Schwung Korsetts auf den Tresen legte. Es ging um passende Größen für ihn, wir mussten ein bisschen wühlen gehen, denn auch die XXL-Damengrößen wollten seinen Waschbär-Bauch nicht so recht umschließen. Aber wir fanden natürlich etwas und er bat mich mit in die Umkleide, um ihn zu beraten. Das ist dann schon niedlich, wenn unter der Rockerkluft ein Ganzkörperanzug aus rotem Lack zum Vorschein kommt. Kein Wunder, dass diesem kleinen Hobbit extrem heiß war. Jedoch: Seine Augen strahlten, als wir das schwarz-rote Korsett tatsächlich geschlossen und auch ein wenig geschnürt bekamen. Und dann stand er da vor dem Spiegel, drehte sich verspielt ein wenig nach links und nach rechts und wollte von mir wissen, ob er das wohl tragen könne.
Und ich finde: ja! Absolut. Das kann er. Weil er diesen schrillen Fetischtraum glücklich trägt und mit Leben füllt. Es macht nicht unbedingt „einen schlanken Fuß“, aber darum geht es ja auch nicht. Er fühlt sich pudelwohl und wird damit irgendetwas Spannendes anfangen. Zuhause oder in einem Club, der dafür ausgerichtet ist. Und jetzt, in diesem Moment, standen wir eben beide lächelnd in einer Kabine, er legte freudestrahlend die behaarten Hände auf seinen runden Bauch, streckte sich ein wenig aufrechter und sagte völlig überzeugend:
„Stimmt! Das ist sehr schön und betont die Taille. Schließlich kann man doch zeigen, was man hat! Hach, ich liebe mein kleines Geheimnis!“
Ja. Und ich liebe, besonders in solchen Momenten, meinen Job und würde ihn gegen keinen anderen tauschen wollen, in denen wir uns so oft mit all den genormten Masken begegnen. Es hat doch jeder sein sehnsüchtiges, kleines Geheimnis. Auch wenn nicht jedes in Lackrot unter einer Lederkombi herausblitzt.
1.3
Mastermind: Der „auf alles perfekt vorbereitet“-Single
Ein ziemlich engagierter Trockenschwimmer ist der nächste Single-Typus. Und ich gebe zu, beim ersten Kontakt mit dieser Spezies dachte ich lange Zeit, ich wäre im falschen Film oder hätte irgendeine relevante Information verpasst.
Dass Männer bei uns auch für ihre Frauen einkaufen, ist nichts Ungewöhnliches. Manche verschenken zum Hochzeitstag etwas, das sie gerne mal an ihr sehen würden. Die einen mit kleinem Budget und eher recht plakativen Ideen, andere mit ganz ausgezeichnetem Geschmack. Wir weiblichen Angestellten haben schon oft einem Mann unser aufrichtiges Kompliment ausgesprochen, wenn da einer mit viel Liebe zum Detail eine Auswahl an Dessous, Düften, Nylons und Accessoires zusammenstellte, die fast ein wenig neidisch machen kann. Und es gibt auch die sehr bemühten Männer, die offensichtlich hilflos geraume Zeit vor einer meterlangen Dessous-Wand stehen, aber eine Beratung scheuen. Manchmal lösen wir Kolleginnen dieses Problem, indem wir ganz zufällig ein Stück entfernt ein Gespräch unter uns beginnen und uns über Optik und Passform verschiedener Modelle austauschen. In solch einem Fall sieht man nebenan dann die Ohren wachsen und nicht selten wandert anschließend genau eines der besprochenen Modelle, sogar in selbst ausgewählter Größe, an die Kasse. Eine Art Beratung-light, die uns immer wieder viel Spaß macht.
Aber es gibt auch Geschenkanlässe, die in mir eine Menge Fragen aufwerfen:
„Ich hätte gerne etwas für eine Frau.“
„Aber klar, gerne. Was soll es denn sein?“
„Naja, ich weiß nicht so recht. Vielleicht erstmal etwas, was sie anziehen kann.“
„Ok, haben Sie sich ein spezielles Material vorgestellt? Hier im Fetisch-Bereich kann ich Ihnen Lack, Wetlook und Latex anbieten.“
„Was wird denn gerne getragen?“
Es folgt eine kleine Materialkunde, bei der wir eher zu den leicht tragbaren Dingen tendieren, da ein klassischer Latex-Käufer wüsste, dass er Latex bevorzugt.
„Ja, dann vielleicht sowas wie hier drüben.“
„Welche Größe soll es denn sein?“
„Ich kenne mich da nicht so genau aus. So wie Sie etwa. Vielleicht mit etwas mehr (alternativ: weniger) Busen.“
„Gut, dann wäre das ungefähr eine M-Size. Meinen Sie, das kommt hin?“
„Ja, das könnte ich mir ganz passend vorstellen. Und dann noch was Erotisches zum Spielen.“
„In welche Richtung soll es denn gehen?“
„Ich hatte da ehrlich gesagt auf Ihre Beratung gehofft.“
„Sehr gerne, aber ein klein wenig thematische Starthilfe müssen Sie mir schon bitte geben.“
„Naja, also es wäre schön, wenn sie mich ein bisschen dominieren würde. Aber so, dass es auch ihr Spaß macht.“
„Ähm, wir stehen hier zwischen Peitschen, Fesseln, einer Unzahl an Painplay-Artikeln, Keuschheitskäfigen und Co. Was reizt Sie denn besonders?“
„Alles.“
„Ok. Was halten Sie davon, wenn ich Ihnen eine Art Starter-Set zusammenstelle? Sehr brauchbare Dinge, mit denen man kaum falsch liegen, aber einiges ausprobieren kann?“
„Das klingt gut, aber unbedingt auch etwas Verwöhnendes für die Frau. Etwas, was sie richtig heiß macht.“
„Das bekommen wir hin. So (lang und breit erklärt), ich denke, das wäre ein sinnvolles Set, mit dem Sie zuhause Freude auslösen werden.“
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