Sänger musste immer mit genau einem Anstellwinkel geflogen werden, damit die Triebwerke Schub liefern, den Ingenieure auf die dritte Stelle hinter dem Komma ausgerechnet hatten. Sagen wir, es wäre 8,735° gewesen. Der Anstellwinkel ist der Winkel, den die Längsachse des Flugkörpers und die Strömung zueinander haben. Mit diesem wurde das Sänger-Projekt über mehrere Jahre lang weiterentwickelt. Ein Professor sagte dazu, es wären „Rechenorgien“ gewesen.
Dann kam ein Ingenieur auf die „dumme“ Idee, zu fragen, wie genau man diese 8,735° einhalten kann. Gar nicht! Denn ein Flugzeug fliegt nie geradeaus, sondern immer leicht Hochtief-Hochtief. Dies nennt sich „Phygoide“. Jeder Flugzeugingenieur lernt dies im Studium im Fach „Flugmechanik“. Das ist ähnlich, wie wenn man mit dem Fahrrad durch den Schnee fährt und sieht, dass man immer leicht Zickzack fährt. Geradeaus ist unmöglich.
Damit lieferten die Triebwerke keinen Schub mehr und das Sänger-Projekt war „gestorben“. Das hängte man nicht an die große Glocke, aber man ließ es einschlafen. Es war ein wenig peinlich.
Er galt vor wenigen Jahren als große Innovation: Man gibt Kohlefasern, die man klein geschnitten hat, in Beton und erhält einen Beton, der nicht nur druckfest, sondern auch zugfest ist. Dabei sollte man aber wissen, dass faserverstärkter Beton nichts Neues ist. Bekannt waren zu diesem Zeitpunkt Metallfasern und (spezielle) Glasfasern. Aus glasfaserverstärkten Beton kann man sogar dünnwandige Boote bauen.
Nun hatte man Kohlefasern in den Beton gemischt. Das funktioniert sicher hervorragend, hat aber einen großen Nachteil: Kohlefasern sind etwa 5 Mal so teuer wie Glasfasern. Damit wäre es sinnvoller, doppelt so viel Glasfasern unterzumengen, um die gleichen Materialeigenschaften zu erreichen. Somit widerspricht dieser Beton den Grundlagen des Maschinenbaus: Beton ist ein billiger Werkstoff, Kohlefasern sind sehr teuer. Es ist aber sinnlos, billige und teure Dinge zu kombinieren, denn die Nachteile des billigen Werkstoffes (Beton) können durch die Vorteile des teuren Werkstoffes (Kohlefasern) nicht aufgewogen werden.
Seit der Preisvergabe hat man von dem Material auch nichts mehr gehört. Die Erfahrung zeigt, dass sich leider mittlerweile auch Profis von Dingen wie „Kohlefasern“ beeindrucken lassen. Es steht synonym für „Hightech“. Kostenbewusst denkende Leute versuchen übrigens, Hightech-Materialien so weit wie möglich zu vermeiden, denn sie verlangen meist große Kompromisse. Was nicht bedeuten soll, dass sie überall überflüssig sind.
Ellenbogenschützer und Stadt-Fahrradrahmen
Auch bei Ellenbogenschützern kam man auf die „Idee“, sie aus reinem kohlefaserverstärktem Kunststoff zu bauen, um „innovativ“ zu sein. Dieses Material ist aber schlagempfindlich, es splittert fast wie Glas. Auch hier wird „Kohlefasern = toll = innovativ“ gesetzt.
Fahrradrahmen von Stadtfahrrädern bekommen oft Stöße oder Schläge. Kohlefaserverstärkter Kunststoff geht dabei kaputt, indem er „delaminiert“. Aber es kommen auch Leute auf die Idee, Stadtfahrräder mit Kohlefaserrahmen zu bauen. Für einen solchen Unsinn gibt es nämlich Forschungsgelder.
Zusammenfassung der „Spielverderber“
Die Beispiele stellen dar, dass ein Projekt oder eine neue Idee noch so vielversprechend sein kann: wenn die Physik ein einziges „schlagendes“ Argument hat, das zeigt, dass die Sache nicht funktioniert, muss man es hinnehmen. Es können Argumente sein, an die sogar Profis nicht denken, obwohl es zu deren Grundlagenwissen gehört, da dieser Aspekt im konkreten Fall nicht in Betracht gezogen wird. Es ist also nicht so wie im normalen Leben, in dem man gewisse Probleme und Schwierigkeiten umgehen kann.
Es gilt in dieser Hinsicht:
Physik ist rücksichtslos.
Mit Physik kann man nicht verhandeln.
Hier helfen auch keine guten Absichten.
Bei den Ellenbogenschützern hätte man Aramid-Fasern beimischen müssen, wie es sehr wahrscheinlich auch in der Formel 1 bei den Monocoque-Schalen gemacht wird, die die Fahrer bei Unfällen schützen.
Bei Kohlefaserbeton macht die Kostenrechnung einen Strich durch die Rechnung. Ansonsten sieht man interessanterweise, dass bei diesen technischen Dingen die Psychologie bzw. das „positiv Denken“ bzw. „Visionen“ einer vernünftigen Lösung oft im Wege steht (vgl. Ref. 128).
Genau das, also das „positiv denken“ wird heutzutage in den Himmel gehoben. Das nutzt aber nichts, wenn dem Naturgesetze entgegenstehen.
Ein Kapitel mit ähnlichen Beispielen sind im Buch auf Ref. 105dargestellt. Dort werden u. A. „Visionen“, die gerade durch die Presse geistern, kritisch betrachtet. Sie werden scheitern, was man bereits heute gesichert sagen kann: Denn der Grund des Scheiterns liegt außerhalb der Vorstellung der Konstrukteure und teilweise in anderen Bereichen: Es fehlt am umfassenden Blick und an der Einsicht, dass Technik nicht nur das eigene Spezialgebiet darstellt. Überall hat das „monokausale Denken“ Einzug gehalten.
Große Bevölkerungsanteile sind kompromisslos gegen Atomkraft, gegen Steinkohle, gegen Braunkohle, CO2, gegen Glyphosat, gegen das Töten von Tieren, gegen Gifte sowieso und selbstredend sind sie gegen Windkraftanlagen, da sie Fledermäuse, Insekten und Vögel schreddern, gegen neue Hochspannungsleitungen, gegen Plastikmüll, gegen Diesel sowieso und man ernährt sich vegan. Natürlich treibt man Sport und bevorzugt „gesundes“ Essen. Jeder, der von dieser „Zwangs-Optimierung“ abweicht, wird beschimpft und beleidigt. Da werden schon mal über die sozialen Netzwerke Drohungen ausgesprochen. Für jemanden, der sich moralisch überlegen fühlt, scheint das irgendwie kein Problem.
Die Presse befeuert den Veganismus, indem gezeigt wird, unter welch widerlichen Bedingungen Tiere zum Teil gehalten werden. Manche Tiere wurden früher auch schlimm behandelt. Es gab weniger Menschen und damit weniger Tiere. Viele Sachen waren früher normal. Die meisten Sachen sind besser geworden – manches leider schlimmer. Vermutlich werden viele ältere Ställe unter „Bestandsschutz“ betrieben. Es wird nicht gezeigt, unter welchen Bedingungen Vieh lebt, das in Ställen untergebracht ist, die nach neuen EU-Normen gebaut sind. Das bringt keine Einschaltquoten oder keine Leser. Sicher ist es sehr wichtig, Defizite zu thematisieren. Aber die Welt besteht nicht nur aus Defiziten. Hier greift dann die „selektive Wahrnehmung“ (vgl. Ref. 129): Aus der Tatsache, dass es Tieren bei der Massentierhaltung nicht gut geht, wird geschlossen, dass Massentierhaltung grundsätzlich schlecht sei.
Die Presse berichtet über Kastrationen ohne Narkose. In Randnotizen liest man, dass die EU hier nicht zu einer Regelung bereit war. Man müsste Medikamente geben. Dies aber das widerspricht anderen Regelungen bezüglich erlaubter Gifte bzw. Medikamente.
Prüfen wir die „gute alte Zeit“: „Früher“ war alles besser, oder?
Vor geraumer Zeit las ich von einer Journalistin: „Früher war eigentlich alles Bio“. Meine damals recht ungelenke Antwort war: „Frauen prügeln war Standard, Tiere hat man gestreichelt?“
Könige starben damals an ihren schönen roten und grünen Tapeten. Die Farben waren Quecksilbersalze in Verbindung mit Blei oder Kupfer. Irgendwann erkannte man, dass diese leuchtenden Farben giftig waren. Dann setzte man sie als Insektizid und Fungizid ein.
Waschen von Kleidung war eine Herausforderung. Man wusch mit Seife und einem Waschbrett. Das ist ein Ding mit einem Blech in der Mitte, das Zickzack gefaltet war. Ein irrer Aufwand für die Hausfrau.
Vor weniger als 60 Jahren nahm man einen radioaktiven Strahler und oben einen Schirm. Dort stellte man Fuß inklusive neuer Schuhe herein und konnte direkt sehen, wie viel Platz die Zehen im Schuh haben. Das war nicht im Krankenhaus, sondern im Schuhgeschäft. Es war Fortschritt, wenn man die Passform der neuen Schuhe sofort sehen konnte.
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