Am Tag, als Nick in die Schule kommen wollte, stand sie früher auf als sonst und machte sich besonders schön zurecht. Sie wollte ihm gefallen, aber vor dem Abend bei Bea und Bernd hatte sie regelrecht Angst. Sie hatte lange gezögert, Nick davon zu erzählen, hatte es aber vor zwei Tagen dann endlich getan. Er war ebenso wie sie hin und her gerissen, wie sie beide mit der Situation umgehen sollten.
„Ach, wir schaffen das schon irgendwie. Ich kann doch nach dem Essen schon mal zu dir fahren und warte dort auf dich.“
Katja wollte ihm schon sagen, dass er lieber nicht mit zu ihr kommen sollte, aber sie brachte es nicht fertig, seine Vorfreude zu zerstören.
„… müssen wir mal überlegen, ob wir nicht einen Grund finden, wie wir uns mit Erlaubnis meiner Eltern treffen können.“
Katja war so in Gedanken versunken, dass sie den Anfang von Nicks Satz gar nicht wahrgenommen hatte.
„Was meinst du?“, fragte sie.
„Wir können zum Beispiel sagen, ich hänge in der neuen Schule in einigen Fächern ziemlich hinterher und bräuchte Nachhilfe. Dann kann ich immer kommen und wir tun so, als ob wir lernen. Ich bin nämlich eher den anderen voraus. Sport steht dort eben an erster Stelle und den Rest schaffe ich mit links.“
„Wir warten mal ab, wie der gemeinsame Abend so läuft, ehe wir große Pläne schmieden.“
„Es dauert nicht mehr lange, dann bin ich achtzehn.“
„Das ist schön, aber es heißt noch lange nicht, dass wir einfach ein Paar sein können. Die vielen Jahre, die zwischen uns liegen, werden niemals weniger.“
Sie hatten irgendwann aufgelegt und Nick war beunruhigt. Es hatte sich beinahe so angehört, als würde Katja die Beziehung zu ihm bereuen. Am Freitag stand er dann plötzlich auf dem Parkplatz vor ihr und lächelte umwerfend, so froh war er sie zu sehen. Katja begrüßte ihn mit einem Kuss auf die Wange, nachdem sie sich umgesehen hatte. Nick folgte ihr in die Schule und ging an dem Tag mit seiner alten Klasse mit. In der Deutschstunde am Ende des Schultages durfte er berichten und die anderen hatte die Möglichkeit zum Fragen.
Ryan grinste, als er fragte: „Wie machst du das mit deiner Freundin? Seht ihr euch noch?“
Katja war blass geworden und ging zum Fenster, um es zu öffnen. Sie holte tief Luft und hörte Nicks souveräne Antwort.
„Wir sehen uns so oft wie möglich. Wenn man sich liebt, dann geht das auch auf eine größere Entfernung.“
Katja setzte sich und war nun wieder beruhigt. Nick hatte alles im Griff und am Ende der Stunde blieb er noch kurz da, als die anderen aus der Tür waren.
„Danke, dass ich hier sein durfte.“
„Ich bin froh, dass alles so gut geklappt hat. Aber einen Moment lang war mir ganz schlecht.“
Nick schüttelte den Kopf und strich über Katjas Hand. Er fühlte sich gut, kam sich erwachsen vor und freute sich auf den Abend und die Nacht. Katjas Herz klopfte wild, es wurde erst wieder ruhig, als Nick gegangen war. Sie hatten vereinbart, dass er am Auto warten würde. Sie lief noch einmal in den Keller, wo sie ihre Kunst-Sachen einräumte und verabschiedete sich im Lehrerzimmer von Lena. Von Robert Beier war weit und breit nichts zu sehen.
Auf dem Weg zum Parkplatz sah sie Nick auf der Tischtennisplatte sitzen. Sie fragte, warum er nicht am Auto war, aber er nickte nur in die Richtung. Katja sah, dass Robert Beier mit einer roten Rose an ihrer Beifahrertür lehnte.
„Oh nein, was will der denn schon wieder? Hat er dich gesehen?“
„Ich glaube nicht, ich bin direkt hier stehengeblieben, als ich ihn dort sah. Er lauert dir ja regelrecht auf. Am liebsten würde ich ihm eine reinhauen.“
„So weit kommt es noch. Halte dich bitte zurück, ich kläre das.“
Katja war wütend: auf Robert, weil er so penetrant war und auf Nick, weil er manchmal so unbedacht redete und auf sich selbst, weil sie sich und Nick in diese unmögliche Lage gebracht hatte. Am liebsten hätte sie alles ungeschehen gemacht, aber das war unmöglich. Mit dieser Wut im Bauch ging sie auf Robert zu, der sich nun grinsend zu ihr wendete und ihr die Rose entgegenhielt.
„Katja, je abweisender du bist, umso mehr macht mich das an. Ich habe immer noch jede Frau bekommen, die ich wollte. Für heute nimm die schöne Rose. Die soll dich am Wochenende an mich erinnern.“
Katja nahm die Rose und grinste nun ihrerseits. Dann brach sie den Stiel in der Mitte durch und riss die Blüte ab, ehe sie alles vor Robert auf den Boden fallen ließ.
„Ich spreche jetzt mal ganz langsam, weil du anscheinend auf der Leitung stehst: Ich will nichts von dir und es wäre besser, wenn du aus meinem Leben verschwindest. Du bist der Letzte, mit dem ich mich verabreden möchte.“
Statt sich aufzuregen und zu schimpfen sagte Robert mit einem unergründlichen Lächeln: „Ich liebe Frauen, die wild sind und widerspenstig. Eines Tages wirst du mich wollen. Du wirst mich anbetteln, mit dir auszugehen. Ich kann warten, meine Liebe. Hab ein schönes Wochenende.“
Damit drehte er sich um und stieg in sein rotes Cabrio. Katja war immer noch zornig, als Nick zu ihr herüberkam.
„Was für ein Arsch!“, schimpfte sie. „Der bringt es fertig und verfolgt mich. Wenn er das mit uns herausfindet, bin ich erledigt. Ich setzte dich zuhause ab. Wir sehen uns ja heute Abend.“
Nick wagte nicht, irgendetwas zu sagen, also setzte er sich still auf den Beifahrersitz und stieg brav zuhause aus. Da er Katja vor der Haustür nicht küssen konnte, legte er eine Hand auf ihr Knie.
„Bis heute Abend. Ich liebe dich.“
Katja fuhr heim und dachte an Nick, Bea und Robert. Alles war schrecklich und wie so oft in den letzten Tagen war sie voller Zweifel und Verwirrung. Konnte das noch lange gutgehen?
Am Abend bei Bea vermied sie den Blickkontakt mit Nick. Erst, als er sie aufforderte, mit nach oben in sein Zimmer zu kommen, sah sie ihn erschrocken an.
„Warum das denn?“
„Ich will dir zeigen, was ich für meine Mutter zum Geburtstag habe, also komm mit. Mama, Papa, ihr bleibt hier!“
Oben angekommen schloss Nick die Tür und zog Katja an sich, die sich zuerst dagegen sträubte.
„Bitte hör auf! Wir können doch nicht … hier im Haus … deine Eltern …“
Dann verschloss Nick ihren Mund mit einem Kuss. Nachdem er Katja wieder losgelassen hatte, öffnete er den Schrank und nahm ein Bild heraus, das einen wunderbaren Sonnenuntergang zeigte.
„Wie findest du es?“
Katja staunte, denn das Bild, das er anscheinend selbst gemalt hatte, war wirklich gelungen. Sie lobte ihn dafür und Nick fühlte sich stolz und zufrieden.
„Ich freue mich auf später. Wenn wir mit dem Essen fertig sind, mache ich mich auf den Weg zu meiner Freundin. Du unterhältst dich noch ein bisschen mit meinen Eltern und kommst schnell nach. In Ordnung?“
„Nick, ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist. Ich schäme mich jetzt schon in Grund und Boden, wie ich hier deine Eltern hintergehe, die meine besten Freunde sind.“
Als sie seinen traurigen und enttäuschten Blick sah, lenkte sie ein und versprach schnell nachzukommen. Da konnte auch Nick wieder lachen und küsste sie noch einmal, ehe sie wieder ins Wohnzimmer gingen.
„Was hat er denn ausgefressen?“, fragte Bernd.
„Nichts, ich habe nur ein wirklich schönes Geschenk für Bea gesehen. Du wirst dich sehr freuen. Nick hat mir gesagt, dass er ein paar Schwierigkeiten hat, weil ihm einige Themen in der neuen Schule fehlen. Vielleicht sollte ich ihm ein bisschen helfen.“
In dem Augenblick, wo Katja es ausgesprochen hatte, tat es ihr schon leid. Niemals wieder würde sie sich mit Bea und Bernd unbefangen unterhalten können. Am liebsten wäre sie weggelaufen und hätte geheult, aber nun machte sie gute Miene zum bösen Spiel, als Bea erfreut nickte.
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