Wenig beunruhigt kümmerte er sich um seine Akten, die die noch nicht in elektronischer Form bearbeitet werden mussten. Akten die als haptische Dokumente vorlagen. Dies waren vor allem Unterlagen aus dem Ausland, die sich nicht eigneten in System eingescannt zu werden. Nach einigen Minuten klingelte, wie erhofft sein Telefon auf seinem Schreibtisch. Es war allerdings nicht der Support, sondern die Sekretärin, Frau Emsländer, seines Vorgesetzten Herr Endres. Sein Vorgesetzter, Herr Endres war ein Amtsrat durch und durch, hager und grauhaarig, mit einer runden Brille. Er verbrachte viele Jahre im Ausland und war in verschieden Positionen in den deutschen Botschaften rund um die Welt beschäftigt gewesen und zuletzt für die Vereinten Nationen tätig. Ein ebenso erfahrener und sehr stringenter Vorgesetzter, Ende fünfzig. Er war die meiste Zeit seines Arbeitslebens im Ausland gewesen und wurde für die letzten Jahre seiner Amtszeit und aufgrund seiner hervorragenden Arbeit nach Berlin geholt. Von ihm und den anderen Mitarbeitern erwartete er sehr viel und achtete penibel darauf, dass keinerlei Fehler gemacht wurden. Die Sekretärin sagte nicht worum es geht, sondern fragte, ob es Herrn Stadelmann möglich sei, jetzt zu Herrn Endres zu kommen. Eine höfliche Frage, die aber nichts anderes bedeutet als:
Kommen sie sofort herüber !
In seiner Anfangszeit, hatte er einmal geantwortet, dass es gerade schlecht sei, ob er vielleicht später kommen könnte. Daraufhin hatte Herr Endres persönlich bei ihm Angerufen und ihm höflich aber bestimmt mitgeteilt, dass sich Stadelmann jetzt, unverzüglich auf den Weg macht. Um nicht noch einmal die Missgunst seines Vorgesetzten auf sich zu lenken, unterbrach er sein momentanes Aktenstudium und machte sich auf den Weg zu Herrn Endres. Zurück auf den breiten Korridor zu dessen Amtszimmer. Dort angekommen klopfte er am Zimmer der Sekretärin und trat ein. Das Vorzimmer war wesentlich größer als sein Büro. Hier lag statt des grauen Kunststoffteppichs, ein hellbrauner Parkettboden im Schiffsgrätenmuster. In dem Büro arbeiten die Sekretärin und eine zusätzliche Schreibkraft, dessen Namen Herr Stadelmann aber nicht wusste, da diese häufiger wechselten. Meistens waren es Referendare oder Beamtenanwärter die hier einige Wochen arbeiten, um einen Einblick in die Abläufe zu bekommen.
Frau Emsländer begrüßte Stadelmann, anders als gewohnt, sehr wortkarg und formell.
" Sie können direkt durchgehen Herr Stadelmann, Herr Endres und die anderen Herrschaften erwarten sie bereits. "
Die anderen Herrschaften fragte Herr Stadelmann die Sekretärin? Diese winkte nur ab und öffnete die Durchgangstür zum Amtszimmer seines Vorgesetzten.
Das Büro seines Vorgesetzten war, ebenfalls ein großer Raum, mit zwei Fenstern, hohen Decken und dem hellbraunen Parkettboden ebenfalls im Schiffsgrätenmuster. Direkt gegenüber vom Eingang war ein großer massiver Schreibtisch in der gleichen Farbe wie der Boden. Auf dem Schreibtisch befand sich nur eine große schwarze lederne Unterlage und das übliche Diensttelefon mit mehreren Funktionstasten. Auf einem Seitentisch, der unmittelbar an dem Schreibtisch angrenzte, stand ein großer Flachbildmonitor mit der dazugehörigen Tastatur. Dahinter befand sich ein schwarzer Ledersessel. Im Hintergrund war die Wand holzvertäfelt mit einem gemalten Bild. Links vom Eingang befand sich eine Sitzgruppe mit mehreren schwarzen Ledersesseln um einen kleinen Glastisch. Dahinter an der Wand war ein großer Fachbildschirm befestigt. Der wohl für weltweite Videokonferenzen genutzt wurde. Ansonsten stand nicht viel in dem Büro, außer zwei Zimmerpflanzen, je eine an den beiden Fenstern. Sein Vorgesetzter saß nicht an seinem Schreibtisch, sondern stand daneben und blätterte in einer Akte. Am Schreibtisch saß ein Mann um die fünfzig im schwarzen Anzug und weißem Hemd und dunkler Krawatte. Dieser war Stadelmann völlig unbekannt, diesen hatte er hier noch nie gesehen. Neben dem Eingang stand ein zweiter aber wesentlich jüngerer Mann um die dreißig, ebenfalls in einem schwarzen Anzug. Der Mann der an dem Schreibtisch von Herrn Endres, saß: „Sind sie Herr Stadelmann?“ Stadelmann bestätigte mit einem: „Ja, der bin ich! Darf ich fragen worum es hier geht?“ Fast wollte sich Stadelmann ins „Achtung“ stellen, wie früher beim Militär üblich.
Beim Kommando „Achtung!“ nimmt der Soldat unverzüglich Grundstellung zum Vorgesetzten oder in die befohlene Richtung ein, wie bei der Meldung an einen höheren Vorgesetzten. Dieses Kommando dient auch dazu, Handlungen und Bewegungen von Soldaten in besonderen Situationen zu unterbrechen.
Zu mehr kam er nicht, der unbekannte Mann am Schreibtisch, forderte ihn auf näherzukommen und der zweite Mann an der Tür verschloss die Tür und stellte sich wortlos davor. Herr Endres mischte sich ein und erklärte: „Herr Stadelmann es geht hier um eine heikle Angelegenheit. Diese beiden Herren sind vom BND und haben ein paar Fragen an sie. Bitte beantworten Sie alle voll und umfänglich, damit wir diese Angelegenheit schnell aufklären können!“ Ihm wurde kein Platz angeboten und er stand etwas verloren vor dem Schreibtisch seines Vorgesetzten, an dem der Beamte des BND saß. Mit der Tür und dem zweiten BND Mitarbeiter im Rücken war die gesamte Situation sehr unbehaglich. Zudem wusste er immer noch nicht, warum die beiden Mitarbeiter eigentlich da waren. Hatte er einen Fehler gemacht, war dies eine neue Form die Mitarbeiter zu überprüfen? …
Der BND Mitarbeiter am Schreibtisch startete auch ohne weitere umschweife seine Befragung:
Wie heißen Sie?
Wie lautet ihr genaues Geburtsdatum?
Wo sind sie geboren?
Wie heißen ihre Eltern?
Wo sind sie zur Schule gegangen?
Wie lautet ihre Adresse zur Schulzeit?
Wo wohnen sie zurzeit?
Sind sie verheiratet?
Dabei stellte der Mann am Schreibtisch die Fragen so schnell, dass ihm kaum Zeit blieb richtig darüber nachzudenken. Auch wiederholte er einige Fragen in umgekehrter Reihenfolge oder er fragte nach dem Vornamen seines Vaters, dann wieder nach dem Geburtsnamen der Mutter, sein erstes Haustier…
Die gesamte Befragung war ziemlich ermüdend und noch immer konnte er sich nicht vorstellen, warum er überhaupt befragt wurde. Die Daten, die er abgefragt wurde, hatten die beiden offensichtlich schon. Dann kam der Beamte am Schreibtisch endlich zum Punkt und stellte nun andere Fragen:
„Was wissen sie über die Operation -Riscus-"?
Stadelmann war etwas verwundert und beteuerte, dass nie etwas von dieser Operation gehört habe!
Der BND Mann war von der Aussage völlig unbeeindruckt und fragte weiter:
„Woher wissen sie darüber?
Wer hat ihnen Informationen darüber gegeben und für warum recherchieren sie darüber?“
Stadelmann war wie vor dem Kopf gestoßen:
"ICH KENNE KEINE OPERATION RISCUS!"
Wie kommen sie darauf? Fragte er nach.
Bitte antworten Sie nur auf meine Fragen, ermahnte ihn der BND Mann. Danach ging die Befragung von Vorne los:
"Wie heißen sie? Wo sind sie geboren?“
Nach einer gefühlten Ewigkeit und immer wieder gleiche Fragen zu seiner Person fragte der Mitarbeiter erneut:
„Was wissen Sie von der Operation Riscus?"
Stadelmann verlor langsam die Geduld und wurde lauter:
" ICH KENNE KEINE DERARTIGE OPERATION, auch wenn sie mich noch hundertmal fragen!“
Jetzt schaltete sich sein Vorgesetzter mit ein:
"Herr Stadelmann, wer außer ihnen kennt ihre Zugangsdaten zu ihrem PC"?
Stadelmann war jetzt noch irritierter: "Niemand natürlich!“
Herr Endres wieder: „Haben sie ihre Zugangsdaten irgendwo aufgeschrieben, wo jemand an diese hergekommen wäre?“
Stadelmann verneinte auch diese Frage vehement: Nein, Herr Endres, ich halte mich strickt an die Anweisungen. Ein derartiger Fehler würde mir nie unterlaufen! Bitte, meine Herren worum geht es hier?“
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