Der Kampfschwimmer berichtet weiter, dass er ausgewählt wurde, weil er mit seiner Ausbildung bei den Kampfschwimmern prädestiniert sei für einen derartigen Auftrag. Da nicht jeder Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes einen strapazierenden Flug in einem Helikopter überseht und zusätzlich die Weiterfahrt auf einem wackeligen Kriegsschiff. Er sei Mitarbeiter des Außenministeriums und direkt dem Staatssekretär unterstellt. Ein weiterer Vorteil war mit Sicherheit, dass er zusätzlich eine umfassende Kampfausbildung hinter sich hatte um auf alle Gegebenheiten reagieren zu können. Bis zu dem Zeitpunkt, dass der Passagier in Stockholm abgeliefert wird, durfte dieser keinen Kontakt zu irgendjemand haben und die gesamte Operation musste streng geheim bleiben. Da der Whistleblower wohl in Lebensgefahr schwebte, wenn jemand seinen Standort mitbekommen würde. Daher fanden es die Behörden wohl als eine geniale Idee, den Whistleblower auf See auf einer Fregatte zu verstecken. Da dort die größte mögliche Sicherheit gewährleistet wäre. Zudem befand sich die „Brandenburg“ in der Nähe und der kleine Umweg würde niemandem Auffallen. Und selbst wenn, könnte keine Nation, auf offener See, irgendwelche Forderungen, an ein Schiff, dass unter NATO-Flagge fährt richten. Anhand dieser Informationen war für Fkpt Brand das Risiko überschaubar. Der Whistleblower, hatte wohl schon eine abenteuerliche Flucht hinter sich. Ursprünglich begann seine Flucht in Schairem (Kasachstan), dort wollte er seine Informationen verkaufen, die er beim Hacken eines Regierungscomputers geklaut hatte. Er rechnete wohl nicht damit, dass Regierungen in Osteuropa nicht mit Terroristen oder Geheimnisverrätern verhandeln. Nur mithilfe von außen entkam er aus Schairem. Offenbar wurde ihm eine Falle gestellt, dabei wurde er angeschossen und musste Ärztlich versorgt werden. Von dort aus ging seine Flucht über Moskau, wo er einige Monate versteckt gehalten wurde, um seine Wunden zu versorgen, nach St. Petersburg. Dort bekam er Unterstützung von westlichen Geheimdiensten. Die ihn dann ermöglichten auf einen Frachter in Wyborg zu gelangen. Der Frachter „Nenavyazchivost" war vor einer Woche in Wyborg (Russland) ausgelaufen und sollte eigentlich in Tallinn (Estland) wieder einlaufen und dort den Whistleblower an den amerikanischen Geheimdienst übergeben. Doch die Russen überwachten alle Schiffsrouten nach verdächtigen Schiffen, das daran nicht zu denken war. Das Schiff wäre sofort aufgefallen, sobald es einen westlichen Hafen angelaufen hätte. So entstand eine Katz und Maus Jagd in der Ostsee. Die Geheimdienste waren sich einig, wenn ein amerikanisches Schiff oder britisches Schiff sich der „Nenavyazchivost“ genähert hätte, wäre die Tarnung aufgefallen. Die russischen Satelliten verfolgten akribisch jede Bewegung von amerikanischen oder britischen Schiffen in der Ostsee. Darum sollte eine deutsche Fregatte den wertvollen Passagier vom Schiff bergen und in einen Hafen bringen.
Kapitän Brand gab persönlich den Befehl für den erneuten Kurswechsel:
"… Posten Rudergänger! Ruder auf 8 Grad, Steuerbord – neuer Kurs 58°Nord, Maschinen 20 Knoten.“
Das Rendezvous in der Ostsee mit einem russischen Frachter sollte in Kürze stattfinden. Er selbst ging in seine Kajüte, um in das Logbuch die Daten aufzunehmen, die er laut seinen Befehlen aufnehmen durfte:
… Außerplanmäßige nächtliche U-Jagd Übung, um die Einsatzfähigkeit aufrecht zu halten. Dazu wurde die Kursänderung notwendig um in ein nahe gelegenes Übungsgebiet einzufahren …
04:23 UhrKam eine Meldung aus der Operationszentrale (OPZ) der Fregatte:
„Tied auf 57°N 18°E; Bug rechts, Lage 20″
=Positiver Radarkontakt
Ein Schiff, der russische Frachter „Nenavyazchivost", steuert auf die vereinbarten Koordinaten zu. Oberleutnant zur See Stadelmann, machte Meldung beim Kapitän, der daraufhin zusammen mit dem Kampfschwimmer auf die Brücke kam, um weitere Befehle auszuführen. Fkpt Brand meinte zu Stadelmann:
„Das alles ist so unglaublich und nicht vorstellbar, was hier abläuft. So ein Einsatz dürfte niemals stattfinden. Wenn hier etwas schiefgeht, könnte es zu internationalen Spannungen kommen und wenn dann noch ein deutsches Kriegsschiff beteiligt ist, hätte dies unberechenbare Folgen. Das hätte politischen Sprengstoff von nicht geahnter Tragweite. Damit wäre der zuständige Minister erledigt und alle die davon gewusst hätten“.
Kurze Zeit darauf meldete der Ausguck auf Steuerbord-Nock Seite, Sichtkontakt mit einem Frachter in Fahrtrichtung.
An beiden Seiten der Kommandobrücke schließt sich eine Nock- oder Brücken-Nock an, ein meist nicht überdachter Teil, von wo aus das Schiff bei Manövern geführt wird und der wachhabende nautische Offizier während seiner Wache bestimmte Tätigkeiten durchführt, insbesondere Einhaltung des vorgegebenen Reiseweges durch fortlaufende Positionsbestimmung und die Berücksichtigung von Schifffahrtshindernissen sowie der in der Umgebung des Schiffes befindlichen anderen Seefahrzeuge mittels technischer Hilfsmittel wie Radargerät und menschlicher Beobachtung.
Der Signal Meister, der Brandenburg gab ein Licht-Signal-Zeichen zum Frachter. Mittels Lichtzeichen konnte die Funkdisziplin gewahrt bleiben.
Allgemein bekannt sind die großen Blinklampen der Seefahrt. Diese sind mit einer Art „Jalousie“ versehen. Mit einem Hebel verschließt man die Leisten im Rhythmus der Morsezeichen. Da die Schließklappen ein augenähnliches Aussehen haben, nennt man sie auch Blinker. Die sichere Reichweite auf See beträgt je nach Sicht und Lampenart bis zu 10 Seemeilen.
Signal: Lang kurz Lang (hat die Bezeichnung Kilo)
Bedeutet so viel wie: Ich möchte mit Ihnen Verbindung aufnehmen
Der Frachter erwiderte dieses mit dem Signal:
lang, kurz, lang, kurz (Charlie): Bedeutet JA
Zusätzlich gab er das Signal, zweimal lang (Mike) zurück.
Bedeutet: Meine Maschine ist gestoppt; ich mache keine Fahrt durchs Wasser
Nach weiterem Signal-Austausch war klar das, das richtige Schiff war und der Passagier klar zur Übernahme war. Der ehemalige Kampftaucher beratschlagte mit dem Kommandanten die Vorgehensweise. Da die Wellen immer noch zu hoch seien, um mit einem der Bord eigenen Helikopter hinüber zu fliegen. Einigten sich beide darauf, stattdessen mit dem Schnellboot, das sich an Bord der Fregatte befindet, zum anderen Schiff herüber zufahren und den Whistleblower an Bord zu holen.
Entsprechende Befehle ergingen an die Mannschaft. Die Bootsmansgruppe besetzte das Schnellboot, der Signäler informierte den Frachter über das Vorgehen. Die Fregatte setzte einen parallel Kurs neben den Frachter mit einem geringen Abstand, von einer Seemeile.
05:03 UhrWurde das Beiboot von der F215 Brandenburg, bei langsamer Fahrt und immer noch hohem Wellengang zu Wasser gelassen. Der Kampftaucher bekam ebenfalls, wie alle anderen Besatzungsmitglieder im Boot, einen Schwimmweste mit integriertem Überlebensanzug (Pflichtausstattung, in der Marine bei Einsätzen im Außenbereich). Das Schnellboot setzte zu dem Frachter über und die Mannschaft des Frachters nahm den Kampftaucher, über eine Strickleiter an der Außenwand, auf ihr Schiff. Dem Schnellboot gab er die Anweisung zurück zur Fregatte zu fahren und darauf zu warten bis er sich meldet. Die Anweisung wurde genau so umgesetzt. Es sollte nicht riskiert werden, dass die Tarnung auffliegt. Daher wurde das Beiboot wieder auf die Brandenburg gezogen und die Fregatte drehte ab.
Die Brandenburg gab erneut, mittels Lichtzeichen, Signal:
einmal kurz (Echo): Ich ändere meinen Kurs nach Steuerbord
05:25 UhrDie Fregatte befand sich immer noch auf parallel Kurs zum Frachter, nur mit fünf Seemeilen Abstand und wartete auf ein Lichtzeichen um die beiden Passagiere abzuholen. Da wurde von dem Backboard-Ausguck zwei Flugzeuge gemeldet: „Backboard-Nock an Brücke – Flugzeug im Überflug“.
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