„Lass mich los!“, zischte sie ihn an und zog ihren Arm weg. „Du lügst! Ja er hat mich mal betrogen, deshalb habe ich unsere Beziehung beendet, aber da waren wir fast noch Kinder, gerade mal 20 Jahre alt. Er hat sich geändert, er macht so etwas nicht mehr. Es war ein Ausrutscher damals. Und selbst, wenn es so wäre, es ist nicht deine Aufgabe das zu klären, sondern meine.“
„Jenna mach dir doch nichts vor, das hier kann nicht das sein, was du willst.“
„Ach und du weißt, was ich will? Hör auf, ich sage es dir noch einmal; halte dich aus meinem Leben raus! Du bist ja wohl der Letzte, von dem man annehmen kann, dass er mir Gutes tut.“
Eine Krankenschwester betrat den Raum, bat freundlich um Ruhe und teilte ihr mit, dass sie nun zu Sascha könne.
„Wenn du noch da bist, wenn ich zurückkomme, dann gnade dir Gott!“ Sie ließ ihn stehen.
„Immerhin habe ich ihn nicht umgebracht. Frage ihn nach gestern Abend, frage ihn nach Mareike“, rief er ihr hinterher.
Sascha sah schlimm aus, bemühte sich aber zu lächeln, als er sie sah.
„Hallo Baby“, sagte sie, als sie ihm vorsichtig einen Kuss auf die Stirn gab, „wie geht es dir?“
„Es geht so. Sie haben mir Schmerzmittel gegeben, so ist es besser auszuhalten.“
„Was ist nur geschehen? Warst du wieder zu schnell?“
„Vielleicht ein wenig unaufmerksam, aber meine Bremsen haben nicht funktioniert.“
„Und aus welchem Grund hast du in den Gegenverkehr gelenkt, und nicht nach rechts?“
„Baby, ich weiß nicht, alles ging so schnell.“
Jenna dachte über Danjals Worte nach. Sie könnte nicht akzeptieren, wenn Sascha sie betrog. Eigentlich war sie sich sicher, das dies kein Thema mehr war, aber den Samen des Zweifels hatte ER gesät.
„Wie geht es meinem Wagen?“
„Ich weiß es nicht, er ist bei der Polizei zur Untersuchung. Sie haben angedeutet, dass es ein Totalschaden sein könnte.“
„Verdammte Scheiße!“
„Aber wichtig ist doch, dass dir nichts Schlimmeres passiert ist.“
Sascha lachte auf, verzog dabei das Gesicht vor Schmerzen. „Das ist eindeutig meine Jen. Natürlich bin ich froh, aber mein Wagen ist mir wichtig. Du solltest erst einmal so viel Geld verdienen, um dir so etwas leisten zu können, der hat ein Vermögen gekostet. Ich habe ihn schon gebraucht gekauft. Du kannst so etwas natürlich nicht verstehen, ist schon klar, typisch.“
Die Art, wie er mit ihr sprach verletzte sie. Hatte Danjal je so mit ihr gesprochen? Hatte sie es je gestattet, dass irgendwer so mit ihr sprach? Warum ließ sie es bei Sascha zu? In seiner Gegenwart fühlte sie sich oft klein und unbedeutend, aber das war sie nicht.
„Bleibst du ein bisschen bei mir?“, fragte er nun mit einer liebevollen Wärme in der Stimme.
Sie nickte.
„Erzähl mir noch etwas über Berlin, über deinen dummen Abstecher in die große weite Welt, viel zu groß für meine Jenna.“
Jetzt war es genug. Wer war sie denn, dass sie sich das antun musste?
„Betrügst du mich mit einer anderen?“, fragte sie gerade heraus.
„Was?“
„Wer ist Mareike?“
Saschas Unbehagen schimmerte durch sein von Hämatomen gezeichnetes Gesicht hindurch.
„Woher weißt du von Mareike?“, fragte er mit rauer Stimme.
„Es ist also wahr?!“ Jenna nickte mit dem Kopf. „Du betrügst mich wieder.“
„Süße, es ist nicht so, wie du denkst. Weißt du, ich brauche das. Du bist mein Fels in der Brandung, die anderen sind nur Vergnügen. Mit dir will ich eine Familie gründen.“
„Die anderen?!“, schrie sie ihm entgegen. „Und ich bin dein Fels? Ich will nicht dein Fels sein, der dir die Wäsche macht und dich bekocht, die Kinder hütet und putzt, während du irgendwo eine Mareike oder Silvia oder Stefanie vögelst!“
„Nun hab dich doch nicht so.“
„Ich werde dir gleich zeigen, wie ich mich habe.“
„Du reagierst total über. Sie sind bedeutungslos für mich. Jenna, Liebling, du bist die Frau meines Lebens.“
Jenna beugte sich zu ihm herunter und er lächelte sie an. „Siehst du meine Kleine, geht doch.“
Sie näherte sich seinen Lippen, dann stützte sie sich auf seinem gebrochenen Arm ab. Er schrie auf.
Anstelle ihn zu küssen, flüsterte sie ihm ins Ohr: „Fick dich du Idiot.“
Jen richtete sich auf, drehte sich um und verließ das Zimmer.
„Du“, sie kam auf ihn zu und ihre Augen loderten vor Zorn, „fährst jetzt hinter mir her zu meinen Eltern. Während ich meine Sachen packe, legst du dich hin und schläfst. Wenn du ausgeschlafen hast, fahren wir nach Berlin. Und ich will nichts hören, kein Kommentar, keinen blöden Spruch, gar nichts!“
Sie rauschte an ihm vorbei.
Auf dem Parkplatz holte er sie ein.
„Ich bin nicht schadenfroh“, sagte er.
Nein, man konnte ihm vieles nachsagen, aber schadenfroh war er wirklich nicht.
„Um ehrlich zu sein, hättest du ihm noch ein wenig mehr wehtun können“, gab Jen zu.
„Hatte ich vor, aber die Verkehrslage ließ es nicht zu. Und was anderes hatte ich nicht in petto, mir waren die Ideen ausgegangen.“
Naja, sein Versprechen hatte er gehalten, er hatte Sascha nicht getötet. Jenna fand es gerade gar nicht so schlecht jemanden an der Seite zu haben, der ziemlich mächtig war.
Jaten hatte sich den Hilfstruppen des Arminius angeschlossen, als er erfahren hatte, dass Publius Quinctilius Varus von Kaiser Augustus als neuer Oberbefehlshaber nach Germanien geschickt werden würde. Arminius sollte ihn begleiten und Jaten fand einfach Gefallen daran, zu sehen, was sich aus dieser Situation herausholen ließ.
Ciara hatte ihren Unmut darüber kundgetan. Am wenigsten gefiel ihr die Tatsache, dass sie von ihrem Zwillingsbruder getrennt sein würde, aber es war ihm egal. Sie nahm auch keine Rücksicht auf ihn, wenn ihr etwas in den Sinn kam.
Jaten mochte Germanien mit seinem rauen, unwirklichen Klima und seiner Einfachheit.
Für die römischen Legionen war es wie eine andere Welt, in der sie sich nur schlecht zurechtfanden. Waren sie es gewöhnt in steinernen Häusern, mit Fußbodenheizung und fließendem Wasser, mit öffentlichen Bädern, Märkten, Theatern, Sitte und Ordnung zu leben, so trafen sie im Land der Barbaren auf Einfachheit, Derbheit und vor allem auf schlechtes Wetter und dichte Wälder.
20 Jahre römische Herrschaft hatten in Germanien nicht viel verändern können. Die unzähligen unterschiedlichen Stämme bekriegten sich nach wie vor und die Bevölkerung tat sich schwer die römischen Sitten anzunehmen und verzichtete überwiegend darauf. Sie hatten nicht einmal ein Schriftbild und galten weiterhin als unzivilisiert.
Für Arminius war es kein fremdes Land und das machte es für Jaten so interessant an seiner Seite zu reiten. Als Sohn eines Cheruskerfürsten war er mit zehn Jahren als Geisel nach Rom gebracht und dort zum römischen Offizier ausgebildet worden. Diese Art der Geiselnahme war nicht ungewöhnlich, so sorgte man für das Wohlverhalten der Väter im fernen Land und zog romtreue Gefolgsleute heran, die irgendwann in die Heimat zurückgeschickt wurden, und die Romanisierung vorantrieben. Sie wurden häufig in den Auxiliartruppen, den Hilfstruppen, eingesetzt, und kämpften an der Seite der Legionen im eigenen Land. Sie bekämpften die unterschiedlichen Feinde Roms mit ihren eigenen Taktiken.
Arminius hatte sich militärisch bewiesen und war sogar in den Ritterstand erhoben worden, als erster cheruskischer Adliger.
Jaten selbst kannte sich natürlich ebenso hervorragend mit dem römischen Militärwesen aus. Germanien war ihm nicht unbekannt, nichts war ihm wirklich unbekannt und er war anpassungsfähig. Während ihrer Reise in die Heimat der Barbaren beobachtete er den Kommandanten bewusst und hörte genau zu.
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