RADAU (Radikale Allgemeine Deutsche Autofahrer-Union) Eine Gegenbewegung zu den Bestrebungen von Vereinigungen wie dem ADFC oder den „Mautausbeutungen“ der europäischen Länder, welche die „Freiheit“ des Autofahrens in den Vordergrund ihres offenen Wirkens gestellt hat. Sie lehnt Restriktionen rundweg ab und fordert unter anderem den Rückbau von sogenannten „Bus-Caps“ und anderen „Verkehrshindernissen“ wie Radwegen auf der Straße, Aufpflasterungen und Blumenkübeln, kostenloses Parken in Innenstädten, und dergleichen mehr. Die Gruppierung hat schon des Öfteren damit gedroht, Anschläge auf öffentliche Verkehrsmittel zwecks Durchsetzung ihrer Forderungen zu unternehmen und einer ihrer Fanatiker hat unlängst mit einem Luftgewehr auf eine S-Bahn bei Köln geschossen. Politisch betrachtet sind sie eher rechts angesiedelt.
Zentrale für neue Aufklärung (ZNA) Früher als „Gesellschaft gegen undeutsche Umtriebe“ bekannt, befassen sie sich mit der Verfolgung von Kommunisten, linken Schriftstellern, Homosexuellen, exponierten Kirchendienern, den Förderern ausländischen Brauchtums und zahlreichen anderen Personen und Organisationen, deren Ziele die Gruppierung als „undeutsch“ betrachtet. Sie haben in Webblogs mehr „zwischen den Zeilen“ auch Gewaltakte gegen ihre Ziele nicht ausgeschlossen und treten als Störer vor Moscheen in Deutschland und seinen Nachbarländern auf. Eine größere und gewalttätige Protestaktion hatte es zuletzt vor einem halben Jahr bei der dem Anschlagsort nicht fernen islamnahen „König-Fahd-Akademie“ in Bad Godesberg gegeben. Personelle Verbindungen bis in die USA und nach Südamerika.
Leeland-Lobby (LL) Sie fordert unter anderem die Rückgabe Elsass-Lothringens an Deutschland. Etwas Auftrieb erhielten sie durch einen angeblichen peinlichen Fauxpas des französischen Ministerpräsidenten 2011, als dieser in einer Rede versehentlich den Elsass als Teil Deutschlands bezeichnete. Sie sind mit zahlreichen anderen nationalistischen Kreisen vernetzt, die ähnliche Ziele in anderen Staaten verfolgen, sei es in Bezug auf die Unabhängigkeit von Teilregionen oder die Übergabe an Nachbarstaaten aus historischen Gründen. Im Norden ist die Lobby in Schleswig-Holstein beheimatet und fordert die Abschaffung dänischer Minderheitsrechte. Maßgeblicher Propaganda-führer, der die Forderungen in den Plattformen des Internets platziert, ist ein Mann namens Leeland.
Ökologische Front (ÖKF) Eine Reihe von Umweltschützern, die „Greenpeace“ als für viel zu zurückhaltend betrachtet und Anschläge auf Schiffe, die Verklappung in den Weltmeeren durchführen, sowie auf Wal- und Haifischfänger, angekündigt hat. Bisher ist nur von einem einzigen militanten Vorkommnis Anfang 2014 etwas bekannt geworden, das zu einer Verhaftung und schweren Haftstrafen von sechs Beteiligten – drei davon deutsche - durch die japanische Regierung führte. Die Bundesregierung ist hier noch dabei, die diplomatischen Wogen zu glätten.
SWIM (Soziale Werte In Mitteleuropa) Eine Scheinorganisation, welche versucht, die durch Sparmaßnahmen der Regierungen hergestellten Ungleichgewichte in der ärmeren Bevölkerung für ihre Propagandazwecke zu missbrauchen. Sie organisiert zum Teil gewalttätige, illegale Demonstrationen in den bankrotten Ländern der EU. Die Organisation hat europaweite massive Proteste zum sogenannten „Ochi-Tag“, dem griechischen Nationalfeiertag am 28.10., angekündigt.
Der Rechte Weg (RW) Eine eher dem rechten Spektrum zuzuordnende Gruppierung, die als Gegen-bewegung zu „Swim“, „Occupy“, „ÖKF“ und ähnlichen angesehen wird und die Durchsetzung der „berechtigten Interessen“ der Angegriffenen mit Polizei- und Militärgewalt propagiert. Sie fordert drastische Maßnahmen gegen „Störer“ und „Protestierer“ und findet sich vor allem in örtlichen Bürgerwehren und verbotenen Milizgruppen im südlichen Europa wieder. <���“
Die eindrucksvolle Liste ging noch fast endlos weiter, es gab insgesamt mehr als fünfzig oder sechzig Gruppierungen und Organisationen mit allen möglichen Zielen, die mit einem Anschlag auf die Bahn aber nicht in Vereinbarung zu bringen waren.
Am meisten beschäftigte Sax die Frage nach der Planung eines solchen Attentats. Spezialsprengstoff war nicht billig und in Westeuropa nicht unbedingt einfach zu beschaffen. Planung und Logistik sprachen für Profis. Wo also anfangen? – So beschäftigt, schlief Sax irgendwann ein und verbrachte eine eher unruhige Nacht ohne Traum und wirkliche Entspannung.
Bereits um sieben Uhr morgens am Montag war Sax dann dennoch ohne Wecker wieder aufgewacht und sogleich zur schnellen Morgentoilette übergegangen, freilich ohne sich zu rasieren, er liebte es, mit einem dünnen Bart herumzulaufen. Schließlich hatte er in der Offiziersmesse ein Frühstück zu sich genommen und sich dann noch einmal auf seinem Zimmer mit den Informationen beschäftigt. Es war nun auch Gelegenheit, Wallner in der Schweiz anzurufen - er ging davon aus, dass der Geheimdienstchef spätestens ab neun Uhr in dessen Büro anwesend sein würde.
Das Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zur Konföderation war seit einer Weile etwas angespannt, nach dem von Zeit zu Zeit deutsche Steuerfahnder es schafften, dort Datensätze mit Informationen über Steuerhinterzieher mehr oder weniger illegal, nach Schweizer Recht, aufzukaufen. Ein Abkommen zwischen den beiden Ländern war so schwammig gehalten, dass es immer wieder Auseinander-setzungen um die tatsächliche Rechtslage gab. Jedenfalls waren auch schon einmal deutsche Zivil-Ermittler verhaftet und erst nach diplomatischem Geplänkel wieder freigelassen worden. Jüngste Verschärfungen der schweizer Einwanderungs-bestimmungen vor allem gegenüber Deutschen und anderen EU-Bürgern nach einer rechtspopulistisch geprägten knappen Volksabstimmung im Alpenstaat gaben dem gegenseitigen Mißtrauen weitere Nahrung. Insofern war es schon fraglich, inwiefern man in Bern überhaupt Informationen herausgeben würde.
Nun sprach Freysing von einem der kleineren Einmann-Büros der Hardthöhe aus mit Konrad Wallner vom NDB, nachdem dieser sich seinerseits zuvor durch ein Telefonat mit Stoessner über die Legitimierung des Agenten informiert hatte. Er stellte sich Wallner der Stimme nach als kleinen, schmächtigen Schweizer mit Dreiecksgesicht und erheblichem Minderwertigkeitskomplex vor und wäre überrascht gewesen, wenn er ihm tatsächlich einmal begegnen sollte.
Konrad Wallner, im Wallis geboren, thronte hinter seinem Schreibtisch in einem zentrumsnahen Regierungsbau mit Flaggenmast davor, der während der Sanierung des denkmalgeschützten Bundeshauses Ost die Kommunikationszentrale des schweizerischen Geheimdienstes beherbergte. Insofern erging es ihm ähnlich wie Freysings Kollegen in Berlin, die ebenfalls noch in einem Provisorium arbeiteten, bis der Umzug nächstes Jahr vielleicht tatsächlich endlich einmal vollständig abgeschlossen werden konnte. Der eidgenössische Geheimdienstler war in Wirklichkeit ein ovalgesichtiger scheinbar stets gut gelaunter Mittsechziger, den man ohne weiteres auch deutlich jünger schätzen konnte, aber mit dünnem kurzen grauen Haar und einer bereits weit fortgeschrittenen Stirn- und Kopfglatze. Er sprach deutsch mit einem starken rätoromanischen Akzent, der auf Vorfahren aus Tirol schließen ließ, und beendete jeden dritten Satz mit der freundlichen Endung „nicht wahr…“ oder „also…“ . Vielleicht war seine Lebenslust auch darauf zurück zu führen, dass er kurz vor der Pensionierung stand und dies somit wahrscheinlich sein letztes oder vorletztes Amtsjahr.
„Was kann die Schweiz denn für sie tun, Herr Freysing?“, fragte Wallner schließlich, nachdem sie einige kurze Begrüßungsfloskeln ausgetauscht hatten, um sich wenigstens geringfügig persönlicher kennenzulernen.
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