Außenminister John Kerry schwitzte sichtbar und sah mit seiner Klebstoff-Frisur fast so aus wie SAM EAGLE aus der Muppet Show. Hinter ihm saßen die Bundesrichter von denen man ein gemeinsames unterstützendes Votum erwarteten konnte, aber im Fall auch nur einer möglichen Ablehnung wäre der Antrag definitiv abgeschmettert und es würde am 8. November 2016 ein neuer Präsident gewählt werden.
Der Zeitpunkt war gekommen, um das Holzhämmerchen der Macht einzusetzen und John Robinette - seines Zeichens auch der Vizepräsident der mächtigsten Nation der Erde - klopfte mehrmals energisch auf den Tisch, dann bekreuzigte er sich und zitierte die altbekannte Schwurformel: „Möge Gott, der Allmächtige an unserer Seite stehen und nicht nur uns, sondern auch allen anderen Nation helfen, diese Krise zu überwinden. Nun bitte ich Sie alle für oder gegen den Sonderantrag zu stimmen. Ihre Wahl beginnt jetzt.
Wer dafür ist, dem Antrag zuzustimmen, und damit die Wahl am 8. November 2016 ersatzlos abzusagen, der hebe jetzt bitte deutlich sichtbar seine rechte Schwurhand.“
Bis auf das Knistern einiger Jacketts herrschte unnatürliche Stille - Niemand wagte zu sprechen und alle Augenpaare spähten aufmerksam die Umgebung ab um herauszufinden, ob und wer den Antrag eventuell torpedierte. Nur Barack Obama fixierte unbewusst seine maßgefertigten Schuhe und war innerlich der Überzeugung, dass er auf alle Fälle die Arschkarte gezogen hatte. Egal, wie das hier in den kommenden Minuten ausging – bei einer Ablehnung würde er in der Chronik aller US-Präsidenten garantiert als „schwacher Präsident“ bewertet werden; obwohl er der erste schwarze POTUS der Geschichte war.
Wenn keine Gegenstimmen abgegeben werden, dann hatte er das Privileg als erster Präsident drei aufeinander folgende Amtszeiten auf sich zu vereinen - allerdings war es angesichts der aktuelle Umstände eher fraglich, ob es nach ihm überhaupt noch einen Präsidenten, respektive die Vereinigten Staaten, bzw, diesen Planeten in seiner jetzigen Form geben würde.
Auf den ersten Blick sah es so aus, als ob alle Anwesenden ihre rechte Hand gehoben hatten, aber Vizepräsident Biden wollte ganz sicher sein und fragte: „Zur Gegenprobe heben die Anwesenden bitte jetzt ihre rechte Hand, die gegen den Antrag stimmen!“
Der Protokollant hatte zwischenzeitlich alle Namen auf seiner Liste bearbeitet und sofort hellten sich seine Gesichtszüge merklich auf und er streckte seinen Daumen nach oben, als ob er im Kolosseum von Rom über das Schicksal eines unterlegenen Gladiators entscheiden müsste.
„Dem Antrag wurde EINSTIMMIG statt gegeben!“ jubilierte Sitzungsleiter John Biden und hieb mit dem kleinen Hämmerchen ein letztes Mal an heutigen Tag auf den Tisch im Cabinett Room, „und ich bin stolz, dass wir alle gemeinsam, Parteiübergreifend und durch die Bank, dem jetzigen Amtsinhaber unser Vertrauen ausgesprochen haben. Ein Hoch auf Präsident Barack Obama.“
Das war es dann mit dem Rückzug aus der großen Politik! Barack Obama stand langsam lächelnd auf und kassierte von allen Seiten großen Applaus, Schulterklopfen und man konnte die Erleichterung aller fast schon körperlich spüren.
„Auch wenn die Umstände meiner Wiederwahl alles andere als optimal sind und ich mich wirklich nicht um diese dritte Amtszeit gerissen habe, verspreche ich Ihnen, dass ich alles in meiner Macht stehende tun werde, um unsere Nation mit allem, was ich zu bieten habe, zu verteidigen und aus der Krise zu führen. Ich danke Ihnen für Ihr Vertrauen und ich danke meiner Familie, die mich bei diesem Schritt bedingungslos unterstützt hat. In God we trust.“
Die Expedition der Deep Search One
27. 9. 2015 Karibisches Meer:
15,39,30° nördlicher Breite, 74,53,43° westlicher Länge.
Das Expeditionsschiff Deep Search One stampft mit Kurs Südsüdwest und knapp 16 Knoten durch die aufgewühlte karibische See.
Auf der Brücke steht neben dem amerikanischen Kapitän Scott Creech der Expeditionsleiter Jean-Piere Zebagger und bekommt langsam wieder bessere Laune.
Vor 15 Stunden hatte die Deep Search One den Hafen von Kingston verlassen und einen Teil der an Bord befindlichen Wissenschaftler abgesetzt.
Endlich abgemustert hatten auch die beiden jamaikanischen Mitglieder der Kontrollkommission, die in den vergangenen fünf Wochen täglich nur genervt hatten, weil sie permanent ihren schlecht gelaunten Gesichtsausdruck an den Tag gelegt hatten, als ob man dem Staat Jamaica mit jedem Tauchgang ein Stück seiner nationalen Identität rauben würde…
Jean-Piere Zebagger hatte sich bereits vor 23 Jahren der Unterwasserarchäologie verschrieben und nahm unter seinem ehemaligen Expeditionsleiter Franck Goddio weltweit an den verschiedensten erfolgreichen Tauchmissionen teil.
Seit fünf Jahren war er jetzt im Auftrag einer französischen privat finanzierten Bergungsgesellschaft der verantwortliche Chef der Schatzsuche, doch seine letzten beiden Expeditionen waren, finanziell gesehen, niederschmetternde Flops gewesen.
Niemand auf dem Schiff nannte ihn bei seinem richtigen Namen, denn für alle war er nur „Jottape“, was man aber spanisch aussprach, also „Jotta“ und „Pe“, und genau drei Mitglieder der Besatzung durften ihn sogar auch mal scherzhaft "Le Frock" nennen.
Mit 82 Metern Länge war die Deep Search One eher ein mittelgroßes Forschungsschiff und erst vor einem Jahr mit den neuesten technischen Errungenschaften der modernen Unter-wasserarchäologie nachgerüstet worden.
Neben zwei vollautomatischen Unterwasserrobotern befand sich an Bord auch ein Miniunterseeboot, eine Kompression-Druckkammer und verschiedene sensorische Bojen-Systeme, die wie Torpedos geformt waren - vollgestopft mit den sensibelsten Detektoren und Scannern, die in verschieden großen Abständen hinter der Deep Search One durch die See gezogen wurden. Auf der Steuerbordseite befand sich das hochauflösende Echolotsystem, dass circa 200 Meter hinter dem Schiff schwamm und auf der Backbordseite befand sich das modernste Magnetresonanz System der Welt, mit dem sich vor allem Edel- und Halbedelmetalle wie Bronze, Gold und Silber aufspüren ließen, aber auch Manganknollen, die man in Meerestiefen ab 4000 Metern finden konnte.
Um die Kommunikation mit dem Rest der Welt zu ermöglichen, hatte das Schiff eine eigene Breitband-Satellitenanbindung, die lediglich bei sehr hohem Wellengang gelegentlich unterbrochen wurde - ansonsten war das gesamte Schiff eine komplette High-Speed-WLAN-Zone. Da die Eigner auch eine Website über die Reise des Expeditionsschiffes ins Netz gestellt hatten, konnte man täglich Online mit verfolgen wo das Schiff sich gerade befand - inklusive der wöchentlichen Lifestreams aus der Offiziersmesse. Das brachte jede Menge Medienpräsenz und gelegentlich sogar Spenden von reichen Gönnern.
Herr über die gesamten elektronischen Systeme war ein deutscher Computer-Nerd namens KC, der bereits seit mehr als elf Jahren mit Expeditionsleiter Jottape arbeitete. Nach eigenen Angaben sollte die Abkürzung „KC“ von „King of Chaos“ abgeleitet sein, wahlweise bot der Meister auch „Kistenweise Champagner“ als Lösung an, aber wenn man dann einen Blick in seinen Reisepass warf, wurde schnell klar, dass KCs Eltern die geniale Idee hatten, ihren Sprössling „Karl Christian“ zu nennen, weshalb generell Niemand diesen Pass zu sehen bekommen durfte.
An KC war eigentlich alles groß. Mit 196 cm war er an sich schon eine imposante Erscheinung, aber seine riesige Wampe, seine großen Hände und sein großen Zähne vervollständigen den Eindruck eines behäbigen Oktopusses, der ständig hinter seinen sechs Computerbildschirmen saß und den irgendwie nichts aus der Fassung bringen konnte, außer wenn es ihm an Nahrung mangelte, die er ebenfalls in enormen Mengen in sich hinein schaufelte. Für akute Notfälle hatte er in einem geheimen Fach in seinem Schreibtisch eine größere Menge an Süßkram versteckt. „Wenn mein Hirn nicht sofort ausreichend Glucose-Nachschub bekommt, dann habt Ihr ein gleich echtes Problem!“ Seine gelegentliche unmäßige Fresserei hatten dazu geführt, dass er mittlerweile eine leichte Diabetes hatte und sich täglich einmal eine Insulinspritze verabreichen musste, was ihn trotzdem nicht davon abhielt, den einen oder anderen Schokoriegel als Zwischenmahlzeit einzulegen.
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