»Trinken Sie, trinken Sie!«, drängte er. »Es ist das erste Mal für Sie – vielleicht werden Sie es nötig haben!«
Auch die anderen sprachen dem Branntwein reichlich zu; doch lärmte man nicht, nur ein hastiges Geflüster, ein heiseres Tuscheln drang hinaus in die Nacht. Der Mond barg sich im Nordwesten hinter der Cortadura, man holte lange Pechfackeln aus der Höhle und brannte sie an. Dann baute man mit Steinen einen kleinen Kreis in der Mitte: Das war die Arena; ringsherum stieß man Löcher in den Boden und steckte die Fackeln hinein. Und in dem roten Feuerschein entkleideten sich langsam zwei Männer. Nur die ledernen Hosen behielten sie an, dann traten sie in den Kreis hinein, setzten sich einander gegenüber und kreuzten die Beine, wie die Türken tun. Nun erst bemerkte ich, dass in dem Boden zwei starke Balken waagerecht eingelassen waren, deren jeder zwei eiserne Ringe trug. Zwischen diese Ringe hatten die beiden Kerle sich hingesetzt. Jemand lief in die Höhle und brachte ein paar dicke Seile mit, umschnürte den Leib der Männer und ihre Beine und band einen jeden an seinen Balken. Sie staken fest wie im Schraubstock; nur den Oberkörper konnten sie frei bewegen.
Sie saßen da, ohne ein Wort, sogen an ihren Zigaretten oder leerten die Branntweingläser, die man ihnen immer von Neuem füllte. Sie waren zweifellos schon stark betrunken, ihre Augen stierten blöde auf den Boden. Und rings herum im Kreise zwischen den qualmenden Pechfackeln lagerten sich die Männer.
Plötzlich hörte ich hinter mir ein hässliches Kreischen und Knirschen, das die Ohren zerriss. Ich wandte mich um: An einem runden Schleifstein schliff jemand sorgfältig eine kleine Navaja. Er prüfte das Messer am Nagel des Daumens, legte es weg und nahm dann ein anderes.
Ich wandte mich an den Popen: »Diese Salsa ist also eine Art – Duell?«
»Duell?«, antwortete er. »O nein, es ist eine Art – Hahnenkampf!«
»Was?«, rief ich. »Und aus welchem Grunde unternehmen die Männer da diese Art – Hahnenkampf? Haben sie sich beleidigt – ist es Eifersucht?«
»Keineswegs«, sagte ruhig der Engländer, »sie haben gar keinen Grund. Vielleicht sind sie die besten Freunde – vielleicht kennen sie einander gar nicht. Sie wollen nur – ihren Mut beweisen. Sie wollen zeigen, dass sie hinter den Stieren und den Hähnen nicht zurückstehen.«
Die hässlichen Lippen versuchten ein kleines Lächeln, als er fortfuhr: »So etwa – wie bei Ihren deutschen Studentenmensuren.«
Ich bin – im Auslande – immer Patriot. Das habe ich längst von den Briten gelernt: Right or wrong – my country!
So antwortete ich ihm scharf: »Reverend – der Vergleich ist albern! – Sie können das nicht beurteilen.«
»Vielleicht doch«, sagte der Pope. »Ich habe in Göttingen sehr schöne Mensuren gesehen. – Viel Blut, viel Blut –«
Inzwischen hatte der Patron uns zur Seite Platz genommen. Er zog ein schmutziges Notizbuch aus der Tasche und einen kleinen Bleistift.
»Wer wettet auf Bombita?«, rief er.
»Ich!« – »Eine Peseta!« – »Zwei Duros!« – »Nein, auf Lagartijillo will ich wetten!« – Die Branntweinstimmen krächzten durcheinander.
Der Pope fasste mich am Arm.
»Richten Sie Ihre Wetten so ein, dass Sie verlieren müssen«, rief er, »legen Sie lange Odds, man kann nicht vorsichtig genug sein mit der Bande.«
Ich hielt also eine ganze Reihe der angebotenen Wetten, und zwar immer drei zu eins. Da ich auf alle beide setzte, musste ich so notwendigerweise verlieren. Während der »Manager« mit schwerfälligen Zeichen alle Wetten zu Papier brachte, reichte man die scharfgeschliffenen Navajen herum, deren Klingen etwas über zwei Zoll lang waren. Dann gab man sie zusammengeklappt den beiden Kämpfern.
»Welche willst du, Bombita Chico, mein Hähnchen?«, lachte der Schleifer.
»Gib her! Gilt mir gleich!«, grölte der Betrunkene.
»Ich will mein eigen Messer!«, rief Lagartijillo.
»So gib mir meines! Ist so besser!«, krächzte der andere.
Alle Wetten waren eingetragen, der »Manager« ließ den beiden noch ein großes Glas Aguardiente reichen. Sie tranken es im Zuge aus, warfen dann die Zigaretten fort. Man gab einem jeden ein langes rotes Wolltuch, eine Gürtelbinde, die sie sich fest um den linken Unterarm und die Hand schlangen.
»Ihr könnt anfangen, kleine Burschen!«, rief der Patron. »Klappt die Messer auf!«
Die Klingen der Navajen schnappten klirrend über die Zahnrädchen und hakten sich fest. Ein helles widerwärtiges Geräusch. – Aber die beiden Männer blieben ganz ruhig, keiner machte eine Bewegung.
»Fangt doch an, Tierchen!«, wiederholte der Patron.
Die Kämpfer saßen unbeweglich, rührten sich nicht.
Die Andalusier wurden ungeduldig: »Fass ihn doch, Bombita, mein junger Stier! Stoß ihm das Hörnchen in den Leib!«
»Fang an, Kleiner, ich habe drei Duros auf dich gesetzt!«
»Ah – Hähnchen wollt ihr sein? Hennen seid ihr! Hennen!«
Und der Chor grölte: »Hennen! Hennen! – Legt doch Eier! Feige Hennen seid ihr!«
Bombita Chico reckte sich hoch und stieß nach dem Gegner; der hob den linken Arm und fing den matten Stoß in dem dicken Tuche auf. Die beiden Kerle waren augenscheinlich so betrunken, dass sie kaum Herren ihrer Bewegungen waren.
»Warten Sie nur, warten Sie nur«, flüsterte der Pope. »Warten Sie nur, bis die Leute Blut sehen!«
Die Andalusier hörten nicht auf, die beiden zu hetzen, bald mit Aufmunterungen, bald mit beißendem Spott.
Und immer wieder zischte es ihnen in die Ohren: »Hennen seid ihr! – Legt doch Eier! – Hennen! Hennen!«
Sie stießen nun beide aufeinander, fast blindlings. In der nächsten Minute erhielt der eine einen leichten Stich an der linken Schulter.
»Brav, lieber Kleiner, brav Bombita! – Zeig ihm, mein Hähnchen, dass du Sporen hast!«
Sie machten eine kleine Pause, wischten sich mit dem linken Arm den schmutzigen Schweiß von der Stirne.
»Wasser!«, rief Lagartijillo.
Man reichte ihnen große Kannen, und sie tranken in langen Zügen. Man sah, wie sie sich ernüchterten. Die fast gleichgültigen Blicke wurden scharf, stechend; hasserfüllt schauten sie aufeinander.
»Bist du fertig, Henne?«, krächzte der Kleine.
Statt aller Antwort stieß der andere zu, zerschnitt ihm die Wange der Länge nach. Das Blut strömte über den nackten Oberkörper.
»Ah, es fängt an, ein fängt an«, murmelte der Pope.
Die Andalusier schwiegen; gierig verfolgten sie die Bewegungen des Kämpfers, auf den sie
ihr Geld gesetzt. Und die beiden Menschen stießen zu, stießen zu –
Die blanken Klingen zuckten wie silberne Funken durch den roten Fackelschein, bissen sich fest in den wollenen Schutzbinden der linken Arme. Ein großer Tropfen siedenden Pechs flog von der Fackel dem einen auf die Brust – er merkte es nicht einmal.
So schnell schleuderten sie die Arme in der Luft, dass man gar nicht sehn konnte, ob einer getroffen war. Nur die blutigen Rinnen, die überall auf den Körpern sich zeigten, zeugten von immer neuen Rissen und Stichen.
»Halt! Halt!«, schrie der Patron.
Die Kerle stießen weiter.
»Halt! Bombitas Klinge ist gebrochen!«, rief er wieder. »Trennt sie!«
Zwei Andalusier sprangen auf, nahmen eine alte Tür, auf der sie saßen, und warfen sie roh zwischen die Kämpfer, richteten sie dann hoch, dass sie einander nicht mehr sehn konnten.
»Gebt die Messer her, Tierchen!«, rief der Patron. Die beiden gehorchten willig.
Sein scharfes Auge hatte recht gesehn; Bombitas Klinge war in der Mitte gebrochen. Er hatte seinem Gegner die ganze Ohrmuschel durchstochen, an dem harten Schädel war die Klinge zersprungen.
Man gab jedem ein Glas Branntwein, dann reichte man ihnen neue Messer und hob die Tür weg.
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