1846. Gelungener nenne ich G. N e u m a n n s Erinnerungen
an die fränkische Schweiz. Nürnberg 1842.
Eine gute Anzahl Sagen der Oberpfalz und Nachbarschaft
enthalten die G e d i c h t e i n a l t b a y -
r i s c h e r M u n d a r t von J . A . P a n g k o f e r . 2
Bände. München, Kaiser. 1846. Die schlichte und
naive Weise der Mundart, welche der Verfasser vortrefflich
handhabt, ist auch den Sagen gut zu Statten
gekommen. – Ein R e g e n s b u r g e r S a g e n -
b u c h desselben ist nur unter Freunden des Verfassers
bekannt geworden. Nächst diesen von Dichtern
gelieferten Beiträgen zur bayerischen Sagenkunde
sind etliche Monographieen in Prosa zu nennen.
Ein Schriftchen über die S a g e n v o m U n -
t e r s b e r g von Dr. H . F . M a ß m a n n , München
1831 hat meines Wissens keine Fortsetzung erfahren.
Dafür hat L. S t e u b in seinen Skizzen: A u s d e m
b a y e r i s c h e n H o c h l a n d e , München 1850,
Nachbarsagen des Untersbergs treu und volkstümlich
mitgetheilt. Das Gleiche ist zu rühmen von der
Schrift: A l t e r t h ü m e r , I n s c h r i f t e n u n d
V o l k s s a g e n d e r S t a d t R o t e n b u r g von
H . W . B e n s e n , Ansbach 1841; nur Schade, daß
der Verfasser keine Quellennachweise liefert. –
Sagen schwäbischer Städte hat ein Ungenannter (
L . M i t t e r m a i e r ) treu und fleißig gesammelt:
S a g e n b u c h d e r S t ä d t e G u n d e l f i n -
g e n , L a u i n g e n , D i l l i n g e n , H ö c h -
s t ä d t u n d D o n a u w ö r t h . Augsburg 1849
und S a g e n - u n d G e s c h i c h t b u c h v o n
B u r g a u , G ü n z b u r g , G u n d e l f i n g e n ,
D i l l i n g e n u n d W e r t i n g e n , 1851 ohne
Druckort und Verleger6.
Das ist nun meines Wissens Alles, was seit
G r i m m s Anfängen deutscher Sagenforschung in
b e s o n d e r e n S c h r i f t e n für bayerische Sagenkunde
geschehen. Kleinere Beiträge finden sich zerstreut
in einer Masse der verschiedenartigsten Schriften,
geschichtlichen, topographischen, belletristischen
Inhalts, dann in Landes-, Provincial- und Lokalblättern:
eine sehr bunte und bändereiche Literatur, deren
Beschreibung hierorts erläßlich ist, weil die Quellen
vor jeder Sage verzeichnet stehen. Dabei habe ich
nutzlosen Citatenprunk absichtlich gemieden. Oft hät-
ten sich die genannten Schriftquellen um eine stattliche
Zahl von Namen vermehren lassen, allein es kam
mir mehr darauf an, das Vorkommen einer Sage zu erweisen,
als ihre Literaturgeschichte zu liefern. Ein
Buch wie Maßmanns Schriftchen über die Untersbergssagen
mag einen Gelehrten erbauen; für das
Volk, d.h. die Gebildeten unter dem Volke ist es umsonst
geschrieben. Dennoch glaube ich, die Ansprüche
derjenigen, welchen Sagenerforschung nur für
wissenschaftliche Zwecke Werth hat, im Ganzen befriedigt
zu haben. Kenner werden noch manche Quellennachweise
vermissen: indessen erwäge man, was
es heiße, nur die Literatur einer einzigen Stadt, z. B.
N ü r n b e r g s , geschweige denn die Literatur von
Bayern, Schwaben, Franken und Pfalz bis in's Einzelnste
kennen zu lernen.
3. Anlaß und Zweck dieser Sammlung.
Aus vorstehender Uebersicht erhellet, daß eine größere,
die Sagen des Königreiches Bayern, vorab die
g e s c h i c h t l i c h e n , umfassende Sammlung nicht
bestehe. Ob es an der Zeit sei, mit einer solchen hervorzutreten,
lehrt ein Blick auf die Sagenforschung in
benachbarten Landen. Es drängt die Aufsuchung und
Sammlung dieser Schätze um so mehr, als die alte
Zeit und mit ihr die alte Sage gleich einer schwindenden
Burg hinabsinkt und ein Stein um den andern sich
ablöst. Wo vollends Heerstraßen und Eisenbahnen die
Landstriche, vorab der Ebene, durchziehen, ist die
Sage gar merklich im Abnehmen begriffen. Denn hier
hat die Aftercultur tabula rasa gemacht und mit dem
Aberglauben die Poesie verscheucht, also daß keine
Zeit zu verlieren, der enteilenden nachzugehen, weil
binnen Kurzem vielleicht der eifrigste Forscher »anstatt
der Rosen nur mehr dürre Halmen und stachlichte
Hagenbutten findet.«7
Von diesem Gedanken beseelt ging ich daran, ein
Sagenbuch von Bayern herauszugeben, ohne mir je
träumen zu lassen, durch meine Sammlung fernere
Arbeiten überflüssig zu machen, im Gegentheil von
dem Wunsche erfüllt, dadurch weitere Forschungen
anzuregen und so erschöpfende Monographieen als
die von H e r r l e i n und B e c h s t e i n , für alle
Theile des Landes hervorzurufen. Zunächst war die
Frage nach meinem Leserkreise zu erledigen. Etliche
Sagenforscher hatten die Gelehrten, etliche das Volk,
etliche Beide zugleich vor Augen. Mir schien es vor
Allem ein verdienstliches Unternehmen, d e m
V o l k e den Sagenschatz des Vaterlandes in die
Hand zu geben. Das ist der Standpunkt, von welchem
aus diese Sammlung erwachsen ist. Denn wie die
Sage ein treuer Spiegel ist, in welchem sich des Volkes
innerstes Sinnen und Leben, Glauben und Lieben
offenbart, so hat die Sage hinwiederum für das Volk
unverkennbaren ethischen Werth, denn sie erfreut, erhebt
und rührt nicht nur die Gemüter, sondern lehret,
warnet, tröstet durch die Macht des Beispiels und der
überall in starken Zügen hervortretenden göttlichen
Gerechtigkeit8. Die Sage ist die eigentliche und echte
Volkspoesie. Diese neben dem religiösen Glauben hat
eine viel höhere Bedeutung für die Veredlung und Sittigung
des Volkes, als Leute, welche neuerdings über
die Abhilfe der Nothstände des Volkes geschrieben,
vermuteten. In dem Grade als trostlose Afterbildung
und sogenannte Aufklärung das Volk seines Gemütsund
Gefühllebens beraubte, hat der Materialismus,
die Ungenügsamkeit und die Unseligkeit zugenommen.
Die Aufgabe der Lehrer und Erzieher des Volkes
wird es sein, gegenüber dürrer Verstandescultur und
einseitiger Unterrichterei mit allen Mitteln auf die Bewahrung
eines der Natur des Volkes gemäßen edlen
Gemütslebens hinzuwirken. Wie das geschehen
könne, mag an anderem Ort entwickelt werden: hier
genüge die Bemerkung, daß die Beachtung ureigener
Sitte und alten Herkommens, die Bewahrung heimatlicher
Geschichte und Sage in örtlicher Beschränktheit,
kein unbedeutendes Moment wahrhafter Volksbildung
ist, wie das vor mehr als dreißig Jahren die
Brüder G r i m m angedeutet haben, wenn sie die
»deutschen Sagen« mit den Worten einleiten: »Es
wird dem Menschen von Heimatswegen ein guter
Engel beigegeben, der ihn, wann er in's Leben auszieht,
unter der vertraulichen Gestalt eines Mitwandernden
begleitet; wer nicht ahnt, was ihm Gutes dadurch
widerfährt, der mag es fühlen, wenn er die
Grenze des Vaterlandes überschreitet, wo ihn jener
verläßt. Diese wohlthätige Begleitung ist das unerschöpfliche
Gut der Märchen, Sagen und Geschichte,
welche nebeneinander stehen und uns nach einander
die Vorzeit als einen frischen und belebenden Geist
nahe zu bringen streben.«9
Dieser erklärten Hauptrücksicht meines Sagenbuches
auf einen größeren Leserkreis aus dem Volke widerstreitet
die wissenschaftliche Rücksicht so wenig,
daß ich nur auf G r i m m ' s Sammlung oder zehn andere
hinweisen darf, um den augenscheinlichen Be-
weis zu liefern, wie gut sich jene beiderseitigen Anforderungen
Читать дальше