Gebieters entgegen. Betroffen erwiederte Radiana, sie
trage nur Kamm und Bürste zur Reinigung der Kranken
in ihrem Korbe. Zornerfüllt befiehlt ihr jener den
Korb zu öffnen, mit Widerstreben und Zittern gehorcht
Radiana. Doch siehe, was Lüge ersonnen, hat
sich im Korbe wunderbar zugetragen. Anstatt des
Brodes und der Butter sind nur Kamm und Bürste zu
sehen. Zufrieden läßt der Herr die Geprüfte des
Weges ziehen, allein diese sollte die Strafe der Lüge
hart erstehen. Denn, als sie des Abends wieder nach
Hause wandelte, ward sie plötzlich von gierigen Wölfen
angefallen und so jämmerlich zugerichtet, daß
man sie für todt in die Wellenburg brachte. Dort ist
sie nach drei Tagen eines seligen Todes entschlafen.
Die Portner, damals Besitzer der Wellenburg, wollten
den Leichnam der frommen Magd in ihr Familienbegräbniß
nach Augsburg bringen, allein das vorgespannte
Zugvieh blieb bei dem Siechenkobel stehen
und konnte nicht weiter gebracht werden, worauf Radiana
dahin begraben worden.
Fußnoten
1 Urkundlich stets W e l l e n b u r g ; nicht W ö l -
l e n b u r g .
54. Otto Seemoser, der Thorwart zu Freising.
C . M e i c h e l b e c k hist. Frising. II., 9. J . v .
O b e r n b e r g Reisen II. 448 u.A.
Rechts beim Eingange in den Freisinger Dom, befindet
sich an einer Seitenkapelle aufgestellt der Grabstein
des frommen fürstbischöflichen Thorwarts Otto
Seemoser, auf welchem er lebensgroß mit einem Laib
Brod abgebildet ist. Dieser alte Diener war ein Wohlthäter
der Armen, nur spendete er oft reichlicher, als
seines Herrn Gerold Willen war. Einmal begegnete
ihm Gerold, als er eben drei Brode, welche er unter
dem Kleide barg, den Armen zutragen wollte. Der Bischof
fragte, was er da trüge? »Steine!« entgegnete
der betroffene Thorwart. Und siehe, die Brode waren
Steine, als er sie vorzeigen mußte, darnach aber wieder
Brode, als die Gefahr vorüber war.
55. Das Brod des heil. Kastulus.
Lexikon von Bayern. Ulm 1796., II., 119. G r i m m d.S.
I., 326.
In der dem heiligen Kastulus geweihten Hauptkirche
zu Landshut, hängt mit silberner Einfassung ein runder
Stein in Gestalt eines Brodes, in dessen Oberfläche
sich vier kleine Höhlungen befinden. Davon geht
folgende Sage. Kurz vor seinem Tode kam der heilige
Kastulus als ein armer Mann zu einer Wittwe in der
Stadt, und bat um ein Almosen. Die Frau hieß ihrer
Tochter das einzige Brod, das sie noch übrig hatten,
dem Dürftigen reichen. Die Tochter, die es ungern
weggab, wollte vorher noch eilig einige Stücke abbrechen,
aber in dem Augenblick verwandelte sich das
dem Heiligen schon eigene Brod in Stein, und man erblickt
noch jetzt darin die eingedrückten Finger deutlich.
56. Der versteinerte Ritter.
Sage von C h a m m e r a u unweit C h a m im
B a y e r w a l d e . B . G r u e b e r u. A. M ü l l e r
der bayerische Wald. S. 296.
Der Ritter von Chammerau hatte sein Auge auf die
schöne Tochter eines Müllers im Regenthale geworfen,
fand aber bei der sittsamen Maid kein williges
Gehör. Eines Tages, als er in gewohnter Weise von
seiner Veste auf Raub auszog, überraschte er die
Jungfrau auf der Wiese ihres Vaters, wo sie das Linnen
bleichte. Straks faßte er den Entschluß, mit Gewalt
zu nehmen, was ihm nicht in Gutem gegeben
wurde, und lenkte sein Roß vom Wege ab auf den
Grasplatz hin. Das Mädchen aber merkte noch zeitig
genug des Ritters bösliche Absicht und suchte sich
durch die Flucht zu retten. Wie ein gescheuchtes Reh
lief es über die Fluren hin; nicht lange jedoch, so
stand es an dem Ufer des Regen, über welchen an
jener Stelle weder Brücke noch Steg führt. Vor ihr der
Tod im Flusse, hinter ihr Entehrung und Schande; die
Wahl war kurz, denn schon sprengte der Ritter mit
seinem Trosse näher heran. Mit dem Rufe: »Gott genade
meiner Seele!« stürzte sich die Jungfrau in die
Fluthen. Diese waren barmherziger als die Menschen,
und trugen sie nach einer Untiefe hin, wo sie festen
Fuß fassen konnte. Doch war sie noch nicht nicht gerettet,
denn der Verfolger setzte ihr auch in den Fluß
nach, und bald hörte sie dicht hinter sich das Schnauben
der Rosse und das Hohngelächter der wilden
Schaar. Mit einem Male aber war Alles still, und als
die Jungfrau sich umwendete, sah sie weder Ritter
noch Knappen mehr, wohl aber eine lange Reihe ungestalter
Felsblöcke, die vom Ufer bis über die Mitte
des Flusses sich erstreckte. Die Hand Gottes hatte
strafend den Wüstling und seine Helfershelfer erreicht.
Die Steine liegen noch heute im Regen, und
man sieht sie, wenn man von Chammerau nach Roßbach
hinunter geht.
57. Der Jungfernsprung bei Dahn.
Von F r a n z W e i ß . – D a h n in der P f a l z .
Nach Andern diente die Stelle zu Gottesurtheilen. Eine
angeklagte Jungfrau habe durch einen Sprung vom
Felsen ihre Unschuld bewiesen. Wo sie aufsprang, soll
die noch fließende Quelle hervorgesprudelt sein. J . K .
B r u c k n e r , das Haardtgebirge. S. 164. F. W e i ß ,
die mal. u. rom. Pfalz. S. 36.
»Unheimlich ist's in eurer Nähe,
Und Furcht und Grauen faßt mich an,
Wenn ich euch vor mir stehen sehe,
In euerm wilden Liebeswahn.«
»Nie wird mein Herz euch Liebe spenden:
Es hasset euch, und wird hinfort
Sich stets mit Abscheu von euch wenden,
Dies sei für euch mein letztes Wort!«
Die Jungfrau spricht's, und Rache tobet
Wild in des Jägers schnöder Brust;
Mit fürchterlichem Eid gelobet
Er sich zu stillen seine Lust.
In weichem Purpurscheine blühen
Die Berge von des Morgens Hauch,
Und tausend Demanttropfen glühen
Hellfunkelnd rings an Busch und Strauch.
Da wandelt in der duft'gen Frühe
Die Jungfrau zur Kapelle hin,
Sie scheuet nicht des Weges Mühe,
Zum fernen Gnadenschrein zu zieh'n.
Schon hält die Waldnacht sie umfangen,
Da hemmt sie angstvoll ihren Schritt,
Als plötzlich, lüsternes Verlangen
Im Blick, der Jäger vor sie tritt.
»Willkommen hier in meinem Reiche!«
Spricht er mit arger Freundlichkeit;
»Hier darf ich schlürfen bis zur Neige
Den Becher eurer Lieblichkeit.
Hier endlich wird sich mir erschließen
Der Liebe Quell an eurer Brust!
Wohlauf, mein Lieb', laß uns genießen
Der flücht'gen Stunde süße Lust!«
Und schon mit schreckenden Gebärden
Streckt er nach ihr die rohe Hand.
Wer soll ihr nur ein Retter werden,
Vom Himmel gnädig ihr gesandt?
Rasch hat sie sich zur Flucht gewendet;
Doch wie ein wutherfülltes Thier
Ihr nach der Jäger, bald geendet
Wird sein der Wettlauf, wehe ihr.
Schon fühlt sie ihre Kraft ermatten,
Und jeder Hoffnungsstrahl entschwand
Als sie, entflohn des Waldes Schatten,
Sich sieht an eines Abgrunds Rand.
Sie starrt, als ob der Tod ihr riefe,
Und schaudernd blicket sie hinab,
Wo in der schreckenvollen Tiefe
Sich öffnet ein gewisses Grab.
Und niederstürzt sie auf die Knie,
Und hebt die Hände himmelan;
»Der Unschuld Schützerin, Marie,
Nimm gnädig deiner Magd dich an.«
Sie ruft's, und zwischen Tod und Schande
Hat sie getroffen schnell die Wahl,
Und muthig springt sie von dem Rande
Der Felsenwand hinab zu Thal.
Doch sieh, vom sanften Rosenlichte
Erglänzt die Tiefe hell und hehr,
Und von des Himmels Angesichte
Читать дальше