C. A. Hope - Zu Weihnachten wird alles anders

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Die sechsundzwanzigjährige Josie hat die Nase voll von familiären Weihnachtsverpflichtungen. Sie beschließt, dieses Jahr ihr ganz eigenes Fest zu feiern – mit all ihren Freunden. Auf einen mehr oder weniger kommt es dabei nicht an. Doch dann wird der Heilige Abend zu einer echten Bescherung.
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Ein bisschen Herzflimmern für Zwischendurch: In der Reihe «Cologne Singles» veröffentlicht C. A. Hope kurze, von einander unabhängige Love Stories, die in Köln und Umgebung angesiedelt sind. «Zu Weihnachten wird alles anders» ist die erste dieser Romanzen.

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Inhalt

Titel

I.

II.

III.

IV.

V.

VI.

VII.

VIII.

IX.

X.

XI.

XII.

Zu Weihnachten wird alles anders

C. A. Hope

Cologne Singles 1

Originalausgabe

Köln 2016 © Copyright

by C. A. Hope / Angela Hoptich

angelahoptich.wordpress.com

Cover © Claudia Gornik, Köln

Alle Rechte vorbehalten

I.

Zum dritten Mal in dieser Stunde fuhr Chris Rea über Weihnachten nach Hause. Seine Stimme klang heiser und blechern aus dem Platzlautsprecher. Irgendwann muss aber mal gut sein, dachte Josie.

„Rot oder weiß?“

Sie fühlte Saskias spitzen Ellbogen zwischen den Rippen und schreckte aus ihren Gedanken hoch. Ihre Freundin rollte bedeutsam mit den Augen. Einen Moment lang war Josie irritiert, dann sah sie den Glühweinverkäufer. Genau Saskias Beuteschema. Kernig, rotwangig, sportlich, mit fantastischen Unterarmen.

„Sie nimmt immer rot“, sagte Saskia schneller, als Josie schalten konnte. „Sie...“

„Ach, wissen Sie“, unterbrach Josie sie, „dieses Jahr mache ich es einmal anders. Ich nehme weiß. Mit Schuss.“ Sie grinste. „Und für meine übereifrige Freundin hier einen Kinderpunsch.“

Der Verkäufer lachte, als er Saskias Miene sah. Er reichte Josie zwei volle Humpen und nahm ihren Schein entgegen. Saskia roch an ihrem Becher und rümpfte die Nase.

„Lecker“, sagte sie mit spöttischem Unterton und warf böse Blicke erst auf Josie, dann auf den Verkäufer, der immer noch lachte. Ein schönes, volles Männerlachen.

„Warte“, rief er Saskia nach und hielt eine Flasche Rum hoch.

„Geh du schon vor“, zischte sie Josie zu und wandte sich zu dem Mann mit dem Rum um.

Josie trat zu der kleinen Gruppe, die scherzend und lachend um einen Stehtisch stand. Der Holunderlikör in dem weißen Wein roch köstlich. Sie nahm einen tiefen Zug von dem heißen Gebräu und ließ sich in die Weihnachtsstimmung sinken. Sie liebte Weihnachten, liebte es hier zu sein mit all ihren Freunden. Es war das erste Weihnachtsmarkt-Wochenende und traditionell probierten sie an diesem alle Glühweinstände durch, bis das leckerste Gesöff gefunden war. Dem jährlichen Gewinnerstand wurde die Ehre zuteil, als Afterwork-Treffpunkt für den Rest der Weihnachtszeit zu dienen.

Josie blickte in die strahlenden Gesichter und freute sich, diese Menschen entlang ihres Weges getroffen zu haben. Meike und Jan, Oli, Layla, Nadine, und natürlich Saskia – tolle Menschen, die sie alle in den letzten Jahren liebgewonnen hatte. Ein Gefühl von Zufriedenheit breitete sich in ihr aus.

Saskia gesellte sich zu ihnen, als Chris Rea den letzten Refrain von „Driving Home for Chrismas“ verklingen ließ. Sie grinste siegessicher.

„Wir haben einen Gewinner ...“, säuselte sie.

„Dieses Jahr nicht“, platzte es aus Josie heraus, bevor Saskia zu ausschweifenden Schwärmereien ansetzen konnte.

„Bitte was? Was hab ich verpasst?“, fragte sie konsterniert.

„Sorry, nein, nichts. Ich dachte nur gerade ... Chris Rea und so. Ich fahre dieses Jahr nicht über Weihnachten nach Hause.“ Der Gedanke schlug Wurzeln in Josie, jetzt, da sie es laut ausgesprochen hatte.

„Was? Ich dachte, du liebst Weihnachten zuhause? Ist etwas vorgefallen? Hast du dich mit deinen Eltern gestritten?“

„Nein, nein. Alles gut. Ich dachte nur ... wie soll ich’s erklären? Es ist so ein Gefühl.“ Sie rieb die Hände in den wollenen Strickhandschuhen aneinander und hauchte hinein. Es war plötzlich kalt geworden. „Ich bin jetzt sechsundzwanzig Jahre alt. Hab studiert, ’nen super Job, eine kleine, aber feine Wohnung. Irgendwie denke ich, das sollte mein Zuhause sein, in dem ich mein eigenes Weihnachten feiere. Nicht das meiner Eltern. Verstehst du? Ich meine ... irgendwann muss ich doch damit einmal anfangen.“

Saskia legte den Kopf schief und starrte sie an.

„Und was ist mit Familie? Zu einem Zuhause gehört doch Familie. Zumindest ein Partner, oder? Du hast nicht einmal einen Freund.“

Josie seufzte. „Das stimmt. Ich habe ja nicht behauptet, dass alles sofort perfekt sein muss. Ihr seid meine Familie. Du, und Meike und die anderen. Und Napoleon. Und Ihr seid alle hier in Köln an den Feiertagen“, sie blickte zu der albern giggelnden Gruppe hinüber, „... nicht in Frankfurt.“

„Du stellst mich wirklich mit Napoleon auf eine Stufe? Na, vielen Dank auch. Napoleon ist klein, dick, dunkelhaarig und unersättlich.“ Saskia ließ die Hände über ihr blondes, langes Haar und an ihrer schmalen Silhouette herab gleiten. „Und dann das hier dagegen.“ Sie grinste.

Josie lachte. „Diversität, meine Liebe, Diversität. Man kann nicht nur Freunde mit den gleichen Eigenschaften haben. Wie langweilig wäre das denn?“

Saskia nickte nachdenklich. Dann drehte sie sich abrupt zu den anderen um und rief:

„Party people aufgepasst! Zückt Eure Timer: an Heiligabend wird bei Josie gefeiert.“

II.

„Wie haben deine Eltern es aufgenommen?“, fragte Saskia am Montag, als sie sich nach der Arbeit an „ihrem“ Stand trafen. Sie hatte sich in Schale geworfen, neuer Mantel, hohe Schuhe und ein wenig mehr Augen-Makeup als nötig. Sie wirkte nervös, was für Saskia ungewöhnlich war. Ihr Blick wanderte immer wieder zum Glühweinverkauf hinüber. Doch der Kernige ließ sich heute nicht blicken.

„Hab’s ihnen noch nicht gesagt“, murmelte Josie in ihren Becher. „Wo ist denn dein Naturbursche heute?“

„Mein ...? Warte, du wechselst das Thema. So nicht, meine Liebe.“ Saskia baute sich vor ihr auf, stemmte die Fäuste in die Hüfte. „Du musst es ihnen sagen. Und zwar bald. Dann haben sie wenigstens die Chance, etwas anderes zu planen. Sei fair.“ Sie legte den Kopf schief. „Oder machst du etwa einen Rückzieher? Das ... das wäre schade, aber okay. Wenn du es uns rechtzeitig sagst. Damit wir noch umdisponieren können. Du kennst das ja: Termine, Termine, Termine.“ Sie rollte theatralisch mit den Augen.

„Nein, kein Rückzieher. Bestimmt nicht. Zeit zum Erwachsenwerden.“ Josie grinste und stieß ihren Becher an Saskias. „Hoch die Tassen. Auf unser erstes, gemeinsames Weihnachten.“

Am nächsten Morgen fasste Josie sich ein Herz und rief noch vor der Arbeit bei ihren Eltern an. Schon nach dem ersten Klingelzeichen hob ihre Mutter ab.

„Josie, Schätzchen, wie schön, dass du anrufst. Das war Gedankenübertragung. Ich wollte gerade zum Hörer greifen.“

„Hi, Mama, wie geht‘s dir? Was macht Papa?“

Wie sollte sie das Thema nur aufbringen?

„Gut und gut. Du hör mal, wir wollten mit dir über ...“

Kurz und schmerzlos – mit einem Ruck das Pflaster ab.

„Ich komme dieses Jahr zu Weihnachten nicht nach Hause“, platzte sie heraus.

Atemlose Stille herrschte in der Leitung.

„Aber das ...“

„Mama, ich ...“

„... das ist ja wunderbar, Josie. Da fällt mir gleich ein ganzer Berg vom Herzen. Papa und ich wussten nicht recht, wie du es aufnehmen würdest.“

„Wunderbar?“ Josie fühlte einen schmerzhaften Stich in der Magengrube. Das hatte sie nun wirklich nicht erwartet. Sie schwieg.

Dafür plapperte ihre Mutter weiter:

„Tomas und Birgit – du erinnerst dich doch an Papas Kollegen, oder? Der mit dem langhaarigen Hund? Egal – jedenfalls haben uns die beiden gefragt, ob wir mit ihnen über Weihnachten eine Karibikkreuzfahrt machen wollen. Tomas hat ein sehr attraktives Angebot gefunden und meinte, zu viert hätten wir eine Menge Spaß. Und die Route ist ein Traum: DomRep, Jamaika, Belize, die Caymans und Mexico – auf den Spuren der Mayas ...“

Den Rest blendete Josie aus. Nun hatte sie es mit Brief und Siegel. Nicht nur lehnte sie freiwillig den letzten Rest Nestwärme ab – nein, ihre Eltern gaben ihr obendrein noch einen kräftigen Schubs in den Rücken. Danke, Mama.

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