Und dann erreichten sie es. Ein kleiner Planet. Dreckig und tot. Menschen, dachte sie, pah. Hatten ihre eigene Welt zerstört. Hatten sie benutzt und ausgespuckt und unbewohnbar zurückgelassen. Die Herren der Galaxis landeten auf dieser Welt und spuckten auf den Boden, der einst von Menschen bevölkert gewesen war. Sie waren die Sieger und sie spuckten auf die Menschen. Sie nahmen Erde mit, für jeden ihrer Heimatplaneten etwas, damit jeder aus ihrem Volk spucken konnte auf den Boden, der dereinst von Menschen besudelt worden war. Sie schickten Schiffe zurück mit diesem Boden, damit ihre Brüder daheim am Triumph ihrer Rasse teilhaben konnten. Sie würden sich eine kurze Periode der Ruhe gönnen und dann würden sie damit beginnen, die restlichen Völker der Galaxie zu jagen und auszulöschen. Es war ihre Welt, ihre Galaxie, ihr Universum, das Universum der Toran.
Sie lernten etwas, in diesen Tagen. Dass das Universum groß war und dass es noch viel für sie zu erobern gab. Dass die Menschen Tiere gewesen waren, die ihre eigenen Kolonien ausgerottet hatten. Und dass sie offenbar Teil eines Delbianischen Reiches gewesen waren. Sie lernten auch, dass es Viren gab, gegen die nicht einmal die überlegene Toranische Natur immun war. Leider erlebte Admiral Cortez nicht mehr mit, dass sein Plan doch noch aufgegangen war.
Geschichten aus dem Sternenreich
Als die Menschheit ihren kleinen Planeten in einem der äußeren Spiralarme der Galaxis verließ und auswanderte zu den Sternen, da fand sie schnell drei Planeten in der Nähe des galaktischen Kerns, auf denen sie sich niederlassen konnte. Die drei Planeten lagen nur wenige Lichtjahre voneinander entfernt und boten den Menschen Temperatur- und Atmosphärenverhältnisse, bei denen sie leben konnten. Fruchtbar, wie die Menschheit war, vermehrte sie sich schnell und breitete sich weiter und weiter über die Galaxie aus. Fast auf jedem Planeten, der ihr Leben beherbergen konnte, ließ sie sich nieder und gründete Kolonien. Bald waren die Menschen über einen großen Teil der Galaxie verstreut. Zunächst lebten sie friedlich mit den anderen Völkern, auf die sie trafen, doch irgendwann kam es zu Konflikten und man kam zu dem Schluss, dass es eine Art Ansprechpartner für die Angelegenheiten der Menschen geben sollte, eine übergeordnete Institution. Und so gründete man, lange, nachdem man die Erde, die Heimat der Menschheit verlassen hatte, ein Imperium…
Hansen sah auf. Er war sich nicht ganz sicher, ob er das eben richtig mitbekommen hatte. Harald Hansen war Kapitän einer Imperialen Fregatte, der IF Helgoland , mit der er für die Sicherheit in einigen der äußeren Kolonien verantwortlich war. Das Imperium hatte hier die Polizeigewalt und wann immer es zu einem Konflikt kam, fiel es in seinen Aufgabenbereich, ihn zu lösen.
„Wie war das bitte?“ fragte er. Denn es gab einen Konflikt. Und er hatte ihn zu lösen.
„Sie haben richtig gehört, Captain“, lächelte Gouverneur Steinbeck. Er war für diesen Sektor verantwortlich und er hatte Hansen gerufen, weil es ein Problem gab.
„Eine Geiselnahme?“ wiederholte der Kapitän ungläubig.
„Was überrascht Sie daran?“
„Dass wir noch nie eine hatten.“
„Dann ist das doch bestimmt eine interessante Situation für Sie.“
So konnte man es natürlich auch bezeichnen. Das machte nahezu alles zu einer „interessanten Situation“, ob es nun den Transport von Medikamenten oder die Eskortierung eines Siedlerconvoys anging, was man noch nie vorher gemacht hatte, war „interessant“.
„Sind wir…“
„Sie sind die richtigen dafür“, sagte der Gouverneur ruhig. „Denn Sie sind die einzigen dafür!“
„Ah.“ Es hatte also auch Nachteile, das einzige Schiff im Sektor zu sein. Und dabei hatte sich Hansen so darauf gefreut, gewissermaßen der „Sheriff“ in seinem kleinen Teil des Universums zu sein, der Sheriff, das Gericht, das Krankenhaus. Doch wie es nun schien, gehörte eben auch der Umgang mit Geiselsituationen dazu. „Was können Sie uns sagen?“
„Ich habe Ihnen alle Informationen, die wir haben, überspielt. Das ganze ist… ein wenig heikel.“
„Heikel?“ Hansen hob eine Braue. „Inwiefern?“
„Es ist keine von unseren Welten!“ Der Gouverneur lächelte. „Viel Erfolg!“
Das machte die Situation in der Tat heikler, als sie ohnehin schon war. Wie sich herausstellte, hatte ein Kriegslord auf einer Kolonie der Florrk, die am Rande des Gebiets des Imperiums lag, Geiseln genommen. Das hätte die ganze Sache zu einer Angelegenheit der Florrk gemacht, doch er hatte keine Landsleute von sich als Geiseln genommen, sondern alle Menschen aus der Botschaft des Imperiums.
„Sie werden sich mit einem Schiff der Florrk im Orbit treffen“, lautete der Befehl des Imperiums. Für alles andere hatte er freie Hand. So war es eben mit den Commandern in den äußeren Bereichen des noch recht jungen Imperiums. Es gab noch nicht viele Schiffe, eine Flotte zwar, aber eine, die über das gesamte Imperiale Gebiet verteilt war. Man nahm viele Funktionen wahr, nur die Wissenschaft kam etwas zu kurz. Was wohl daran lag, dass die Menschheit, als sie hinaus ins All strömte, mehr das Kolonisieren im Sinn hatte als das Entdecken und Erforschen. Alle Missionen, die man ausgeschickt hatte, hatten nur nach Planeten mit guten Lebensbedingungen für Menschen gesucht, alles andere war auf der Strecke geblieben. Aus den einstigen Forschern waren schnell Siedler geworden, Siedler, die sich schnell vermehrten und wie ein Virus über die Galaxie herfielen. Jedenfalls war das die etwas negativere Umschreibung für den Kolonisierungswillen der Menschen. Innerhalb weniger Erdjahre hatten sie viele neue Planeten entdeckt und bevölkert. Und die Bevölkerungszahlen stiegen stetig. Was der Grund dafür gewesen war, dass andere Völker forderten, nach ein paar Konflikten mit menschlichen Kolonien, die alle für sich zu stehen schienen, ohne eine Regierung oder einen intergalaktischen Vertreter, dass diesem „Wildwuchs“ ein Ende bereitet wurde und irgendjemand für all diese Kolonien die Verantwortung übernehmen sollte.
„Es sind 41 Botschaftsangehörige“, sagte Amanda Vingst, sein erster Offizier.
„Gibt es schon irgendwelche Forderungen?“
„Nein.“ Die dunkelhaarige Frau schüttelte den Kopf. „Aber die Florrk haben angegeben, dass ihr Schiff in vier Stunden da sein wird.“
„Also zwei Stunden nach unserer Ankunft. Okay.“ Hansen starrte auf den Bildschirm. Es war eine neue Situation. Jedenfalls für galaktische Verhältnisse, wenn man das so sagen konnte. Bisher hatte es so etwas noch nicht gegeben. Sicher, es war zu ein paar kleineren Scharmützeln gekommen, als Siedler der Menschen auf Siedler von anderen Völkern trafen. Es hatte auch ein paar Tote gegeben. Aber seit es das Imperium gab, hatte man Prozeduren eingeführt, die solche Verluste verhindern sollten. Man fragte nach, ob jemand Anrecht auf einen bestimmten Planeten erhob, bevor man sich darauf niederließ. Viele Völker hatten unterschiedliche Anforderungen an eine Welt. Was für die Maburi eine giftige Atmosphäre war, konnte für die Menschen eine zum Atmen sein, was für die Dulorianer ein Paradies war, konnte für die Menschen die Hölle bedeuten. So regelte sich viel über die Unterschiedlichkeit der Völker, aber eben nicht alles.
Nach der Gründung des Imperiums hatte man natürlich auch Botschafter ausgetauscht. Man wollte erkunden, ob gegenseitiger Handel lohnenswert war, ob Interesse am Austausch von Kultur oder anderen Dingen bestand. Man richtete auch Botschaften in Nachbarwelten ein, um die diplomatischen Wege kurz zu halten. Aber eine Geiselnahme war nicht mehr vorgekommen, seit… Hansen musste überlegen. Streng genommen hatte er noch nie von einer gehört, jedenfalls nicht, seit es das Imperium gab. In der Zeit davor, der „dunklen Vorzeit der Menschheit“, womit die Zeit auf ihrer Entstehungswelt, der Erde, gemeint war, da hatte es anscheinend öfter so was gegeben. Alles deutete darauf, dass es eine dunkle Zeit gewesen war, voller Gewalt und Krieg, bevor die Menschen diese Welt und damit auch diese Art zu leben hinter sich gelassen hatten.
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