Die Weinberge werden immer nur für ein Jahr verpachtet. Der Pächter bekommt vier Zehntel vom Gewächs, vier weitere Zehntel müssen dem Grundherrn, ein Zehntel an den König und eins an die Geistlichkeit entrichtet werden. Ein so geringer Gewinn und die Aussicht, dass sie nur für andere arbeiten, muss natürlicherweise Mut und Hoffnung niederschlagen, dennoch sind sie bei aller Unterdrückung lustig und vergnügt, singen bei der Arbeit und versammeln sich des Abends, um nach dem Klang einer Guitarre zu tanzen und zu springen.
Die Männer gehen meist schwarz gekleidet, aber gewöhnlich passen die Kleider nicht und scheinen meist fünfzig Jahre aus der Mode zu sein. Die Damen sind feiner und angenehm gebildet, aber die Eifersucht, die den Männern angeboren zu sein scheint, hält sie stets eingeschlossen und beraubt sie des Glückes, das den ärmeren Landfrauen unbenommen bleibt. Die Vornehmen bilden eine Art Adel, aber ihr Ahnenstolz macht sie ungesellig und unwissend und verleitet sie zu einem lächerlich affektierten vornehmen Wesen.
Wo Erde, Lage und Wasser es nur erlauben, wird Wein gebaut. Ich sah hier Trauben, die über sechs Pfund wogen. Der Wein ist von verschiedener Güte, der beste wird von einer Art Trauben gemacht, wovon die Reben auf Befehl des Infanten Don Henrich aus Candia hierhergebracht und angepflanzt worden sind. Er heißt Madeira-Malvasier. Die Pipe (etwa 410 l) kann hier nicht unter vierzig bis zweiundvierzig Pfund Sterling eingekauft werden. Jahr um Jahr werden etwa 30.000 Pipen geerntet, davon 13.000 Pipen der besten Sorten ausgeführt, das übrige zum eigenen Konsum gebraucht, teils zu Branntwein gebrannt, der nach Brasilien geht, teils wird Weinessig daraus gemacht.
Die Weinberge sind entweder mit Mauerwerk oder mit Hecken von Granatäpfeln, Myrten, Brombeeren und wilden Rosen umzogen. In den Gärten werden Pfirsiche, Aprikosen, Quitten, Äpfel, Birnen, Walnüsse, Kastanien und andere europäische Gewächse gezogen, zuweilen auch tropische Gewächse, wie Pisangs, Guaven und Ananas.
Die zahmen Tiere, die wir in Europa haben, sind auch auf Madeira anzutreffen, und obgleich die Hammel und Ochsen nur klein sind, ist ihr Fleisch doch wohlschmeckend. Die Pferde sind ebenfalls klein, aber sicher auf den Knochen. Sie klettern mit großer Fertigkeit die steilsten Fußsteige hinauf, denn andere Wege gibt es hier nicht. Von Räderfuhrwerk weiß man hierzulande gar nichts, in der Stadt aber gibt es eine Art Schleifen oder Schlitten, die aus zwei durch Querhölzer verbundenen Brettern bestehen, die vorn einen spitzen Winkel bilden. Man spannt Ochsen davor und bedient sich ihrer, um Weinfässer und andere schwere Waren fortzuschaffen. Von wildem Geflügel gibt es hier mehr Arten als von anderem Wildbret, wovon das Kaninchen der einzige Repräsentant ist. Es gibt hier keine einzige Schlangenart, aber alle Häuser, Gärten und Weinberge wimmeln von Eidechsen. Die Mönche eines hiesigen Klosters klagten, dass solche ihnen viel Schaden im Garten täten, weshalb sie einen großen Kessel in die Erde gegraben hätten, in dem die Tiere sich zu Hunderten fingen und umkommen mussten. An den Küsten Madeiras fehlt es nicht an Fischen, da sie aber zur Beobachtung der Fasttage dennoch nicht reichten, führten englische Schiffe Heringe und trockenen Stockfisch ein.
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Reise von Madeira nach den Inseln des grünen Vorgebirges
Reise von Madeira nach den Inseln des grünen Vorgebirges
Am 1. August gingen wir nebst der „ADVENTURE“ wieder unter Segel. Ein Nordostwind begünstigte unsere Fahrt dermaßen, dass wir bereits am 4. frühmorgens Palma zu Gesicht kriegten. Diese Insel gehört zu denjenigen, die den Alten unter dem Namen Glückliche Inseln (insulae fortunatae) bekannt waren, und eine derselben hieß damals schon Canaria. Sie waren in Europa vergessen, bis gegen Ende des 14. Jahrhunderts der Geist der Schifffahrt und der Entdeckungen wieder erwachte.
Um diese Zeit fanden einige Abenteurer sie von neuem, und biskayische Seefahrer landeten auf der Insel Lanzarote, von wo sie einhundertsiebzig Eingeborene mit sich fortschleppten. Louis de la Gerda, ein spanischer Edelmann aus der königlichen Familie in Kastilien, erhielt das Eigentumsrecht auf diese Inseln durch eine päpstliche Bulle und führte den Titel eines Prinzen der Glücklichen Inseln, ohne sie jedoch wirklich in Besitz zu nehmen. Hierauf wurden sie im Jahre 1402 abermals von Johann Baron von Bethancourt aus der Normandie besucht, der sie in Besitz nahm und sich König der Kanarischen Inseln nannte. Sein Enkel aber trat sein Anrecht an Don Henrich, Infamen von Portugal, ab, und endlich wurden sie den Spaniern überlassen, die sie jetzt noch besitzen.
Am folgenden Tage passierten wir die Insel Ferro. Wir sahen Fliegende Fische, die sich, von Boniten und Doraden verfolgt, über die Oberfläche des Wassers erhoben.
Sie flogen nach allen Richtungen, nicht nur gegen den Wind, und wenn sie den Kamm einer Welle trafen, flogen sie durch diese hindurch und auf der anderen Seite weiter. Nun hatten wir fast täglich das Schauspiel, unabsehbare Züge dieser Fische um uns her zu sehen. Bei dem einförmigen Leben, das wir zwischen den Wendekreisen führten, gab uns jeder kleine Umstand Gelegenheit zu Betrachtungen. Wenn wir zum Beispiel die Boniten und Doraden auf der Jagd nach den kleineren Fliegenden Fischen antrafen und sahen, wie diese ihr Element verließen, um in der Luft Sicherheit zu suchen, so war die Anwendung auf den Menschen nur zu natürlich. Denn wo ist wohl ein Reich, das nicht dem Ozean gliche, in dem die Großen in allem Pomp ihrer Größe nicht die Unterdrückung der Kleineren suchen sollten?
Am 8. hatte das Seewasser eine weißliche Farbe. Da die veränderte Farbe des Seewassers oft von einer Untiefe, einer Sandbank oder einem Felsen herrührt, warfen wir das Senkblei aus, fanden aber mit fünfzig Faden (1 Faden = 1,8 m) keinen Grund. Abends passierten wir den Wendekreis des Krebses. Um diese Zeit beschlugen unsere Bücher und Gerätschaften mit Schimmel, und Eisen und Stahl fingen in freier Luft an zu rosten. Wegen dieser Beschaffenheit der Luft ließ der Kapitän das Schiff fleißig mit Pulver und Weinessig ausräuchern. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Luft Salzteilchen enthalten musste, denn bloße Nässe und feuchte Dünste bringen keine solche Wirkung hervor.
Zu den Mitteln gegen den Skorbut, die wir von England aus mitgenommen hatten, gehörte auch eine verdickte Essenz von Bier. Davon führten wir verschiedene Fässer an Bord, doch ehe wir Madeira verließen, war sie bereits in Gärung geraten, und jetzt sprengte sie gar die Fässer und lief aus. Der Kapitän ließ sie aus dem unteren heißen Lager auf das kühlere Verdeck bringen, allein die freie Luft verstärkte die Gärung derart, dass sie manchem Fasse den Boden ausstieß, dies aber mit einem Knall, als wenn eine Flinte abgeschossen würde. Auf Anraten meines Vaters wurde eine gärende Tonne auf ein Fass umgefüllt, das zuvor tüchtig ausgeschwefelt worden war. Dies stillte nun zwar die Gärung für einige Tage, dann kam sie wieder, vornehmlich in den Fässern, die der freien Luft ausgesetzt waren.
Am 11. August entdeckten wir Bonavista, eine von den Kapverdischen Inseln, und am folgenden Morgen sichteten wir auch die Insel Mayo. Gegen Mittag näherten wir uns endlich der Insel San Jago und ankerten um drei Uhr nachmittags in der Bai von Porto Praya. Früh am folgenden Morgen gingen wir an Land und besuchten den Kommandanten Don Joseph de Sylva, der uns beim Generalgouverneur einführte. Dieser residiert gewöhnlich in der Hauptstadt San Jago, da er aber kränklich war, hatte er sich hierher begeben, wo die Luft gesünder sein soll. Er wohnte in den Zimmern des Kommandanten, der sich unterdessen in einer elenden Hütte behelfen musste.
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