Für die Kranken hatte man besonders vorgesorgt. Salup, aus der Wurzel einer Orchis (Zweiblatt) bereitet, wurde dem Wundarzt für die skorbutischen Kranken anvertraut. Robb, ein dick eingekochter Saft von Zitronen und Orangen, wurde als Arznei mitgegeben, da das Mittel aber sehr teuer war, wurde es in zu geringen Mengen gegeben und hatte keine vollständige Wirkung. Das schätzbarste Mittel gegen den Skorbut, das selbst den gefährlichsten Grad dieser Krankheit kuriert, ist die frische Infusion von Malz. Wir hatten dreißig Tonnen Malz an Bord, und sobald sich der Skorbut bemerken ließ, wurde täglich eine frische Infusion gemacht. Die wirklich Kranken mussten täglich drei Quart trinken. Bei geschwollenen Gliedern oder Beulen wurden die Treber mit dem besten Erfolg als warme Umschläge gebraucht.
Die Gesundheit unseres Schiffsvolkes wurde noch durch verschiedene andere Maßnahmen gefördert. Die wichtigste war, dass man die Leute so viel Wasser trinken ließ, als sie nur mochten. Es wurde auch keine Gelegenheit versäumt, frisches Wasser zu füllen. Eine andere notwendige Vorsicht ist Reinlichkeit. Es wurde nicht nur scharf darauf gesehen, dass die Matrosen sich selbst und ihre Kleidung rein hielten, sondern auch die Küchengeräte wurden stets untersucht. Die Betten mussten bei trockenem Wetter tagsüber an Deck gebracht werden. Am wichtigsten aber war das Räuchern mit einer Mischung aus Schießpulver und Essig oder auch Wasser, und die fast wöchentlichen Feuer, die im Schlafraum des Schiffsvolks, in den Kajüten der Offiziere und selbst im unteren Raum, wohin die Pumpen reichten, angezündet wurden. Ungesunde, faule Ausdünstungen und Feuchtigkeiten wurden auf diese Weise zerteilt und unschädlich gemacht und die Luft gereinigt. Dazu kam noch die Einteilung der Mannschaft in drei, nicht wie sonst auf Kriegsschiffen üblich ist, in zwei Wachen. Dadurch waren die Leute dem Wetter weniger ausgesetzt und hatten Zeit, ihre Kleider notfalls zu trocknen. In kalten Gegenden wurden auch warme Kleidungsstücke ausgeteilt.
Erfahrene Ärzte, Seeleute und Menschenfreunde hatten diese Hilfsmittel vorgeschlagen. Der Wundarzt, mein Vater und einige andere Personen im Schiff rieten den fleißigen Gebrauch derselben unaufhörlich an, und die vortrefflichen Wirkungen zeigten sich bald so deutlich, dass man sie in der Folge für ganz unentbehrlich ansah. Unter göttlicher Führung blieben wir auf diese Art bei guter Gesundheit. Der Präsident der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften, Sir John Pringle, spricht davon ausführlich als erfahrener Arzt in seiner am 30. November 1776 gehaltenen Rede bei der Verleihung der Copleyschen Denkmünze an Kapitän Cook. Die Lobsprüche, die er unserem berühmten Seemann gibt, und die Denkmünze sind mehr als hinreichend, die Wichtigkeit der von Cook befolgten Gesundheitsregeln darzutun.
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Abreise – Fahrt von Plymouth nach Madeira
Abreise – Fahrt von Plymouth nach Madeira
Kaum war das Schiff „ENDEAVOUR“ im Jahre 1771 wieder nach England zurückgekommen, als man schon den Entwurf zu einer neuen Reise machte, auf welcher die südlichen Gegenden unserer Erdkugel weiter erforscht werden sollten. Zwei tüchtige, starke Schiffe, die „RESOLUTION“ und die „ADVENTURE“, wurden ausgerüstet und die Kapitäne James Cook und Tobias Furneaux zu Befehlshabern ernannt.
James Cook
Am 11. Juni erhielten mein Vater und ich Befehl, die Reise gleichfalls zu unternehmen, um Gegenstände der Naturgeschichte zu sammeln, zu beschreiben und zu zeichnen.
Johann Reinhold und Sohn Georg Forster
In möglichster Geschwindigkeit rüsteten wir uns zu diesem Vorhaben und schickten innerhalb neun Tagen unsere Reisegerätschaften an Bord der „RESULUTION“. Am 26. verließen wir London und kamen in zwei Tagen nach Plymouth, wo aber unser Schiff noch nicht eingetroffen war.
Früh am 3. Juli sahen wir die „RESULUTION“ auf der Reede vor Anker liegen. Kapitän Cook gedachte noch acht bis zehn Tage hier zuzubringen, und wir nutzten diese Zeit, die Zinnbergwerke in Cornwall zu besuchen. Kapitän Cook bekam in Plymouth Verhaltungsbefehle, denen zufolge er nach Madeira segeln, sich dort mit Wein versehen und am Kap der Guten Hoffnung anlegen sollte, um beide Schiffe mit Lebensmitteln zu versorgen. Von dort aus sollte er südlich laufen, um womöglich das Kap der Beschneidung zu entdecken, das der französische Entdecker Bouvet unter dem 54. Grad s. Br. und ungefähr 11 Grad ö. L. angibt. Entdeckte er dieses, so sollte er untersuchen, ob es festes Land oder nur Teil einer Insel sei. Dann sollte er die Entdeckungen fortsetzen und so weit als nur möglich gegen den Südpol vorzudringen versuchen. Sollte aber das Kap der Beschneidung nur das Vorgebirge einer Insel oder gar nicht aufzufinden sein, so blieb ihm übrig, so lange südwärts zu steuern, als er Hoffnung hätte, ein großes festes Land zu finden, alsdann aber seinen Lauf nach Osten zu richten und so nahe am Pol wie möglich rund um die Welt zu segeln. Sooft die Jahreszeit den Aufenthalt gefährlich machen würde, sollte er sich nach einem bekannten Ort gegen Norden unter milderen Himmelstrichen zurückziehen, um seine Leute zu erfrischen und die Schiffe instand zu setzen. In unvorhersehbaren Fällen könne er nach eigenem Gutdünken verfahren, und ginge unglücklicherweise die „RESOLUTION“ verloren, so sollte er die Fahrt mit dem kleineren Schiffe fortsetzen.
Historische deutschsprachige Schrift – Titelblatt – dritte Reise
Sonnabend, den 11. Juli, begaben wir uns an Bord. Am folgenden Tage, als der Wind ziemlich heftig blies, bemerkte mein Vater, der zufällig an Deck umherging, eine Änderung der Lage unseres Schiffes, und ihn dünkte auch, als wenn es auf die Klippen zutriebe. Er teilte diese Vermutung dem Lotsen Gilben mit, der sogleich bemerkte, dass die Kette, woran das Schiff lag, gebrochen war. Gleich auf den ersten Lärm waren alle Matrosen in Bewegung, die Segel wurden aufgespannt und die Kabel in Bereitschaft gesetzt, und nun liefen wir an der „ADVENTURE“ und an einem anderen Schiff vorbei und entgingen der großen Gefahr, an den Felsen zu scheitern. Unsere Seeleute schlossen aus diesem bedenklichen und glücklichen Vorfall auf einen günstigen Verlauf der ganzen Reise, und wir konnten nicht umhin, die Leitung der göttlichen Vorsehung in diesem wichtigen Augenblick zu erkennen, der alle unsere Hoffnungen beinahe vereitelt hätte.
Montags früh, am 13. Juli, segelten wir in Begleitung der „ADVENTURE“ von Plymouth ab. Ich sandte einen Abschiedsblick auf Englands fruchtbare Hügel zurück und ließ dem Gefühl freien Lauf, bis endlich die Heiterkeit des schönen Morgens und die Neuheit unserer Fahrt durch die glatte See Oberhand gewannen und die trüben Gedanken zerstreuten. Bald blieb der berühmte hohe Leuchtturm hinter uns, der mitten im Meer auf dem Felsen Eddistone erbaut ist und den man unmöglich anschauen kann, ohne für die einsamen Wächter zu zittern, die oft drei Monate lang, von aller Gemeinschaft mit dem festen Lande abgeschnitten, dort zubringen müssen.
In dem Maße, wie wir uns vom Lande entfernten, wurde der Wind heftiger. Die Wellen wuchsen, das Schiff rollte von einer Seite zur anderen, und die der See nicht gewohnt waren, ja selbst einige der ältesten Seeleute, litten nun unter der Seekrankheit. Diese Übelkeit war aber nicht bei allen von gleicher Dauer, und nach drei Tagen fanden wir uns durch gewärmten Portwein mit Zucker und Gewürzen wiederhergestellt. Am 22. sahen wir den Leuchtturm bei Coruña. Wir hatten völlige Windstille, die See war glatt wie ein Spiegel, und Kornfelder, umzäunte Weiden, kleine Dörfer und adlige Höfe verschönerten die bergige Landschaft. Abends sahen wir ein spanisches Fischerboot und setzten ein Boot aus, um frische Fische zu kaufen. Die Oberfläche des Meeres war mit Tausenden von kleinen Krabben bedeckt. Das kleine Fahrzeug war eine Tartane aus Marseille, mit 100 Tonnen Mehl für Coruña beladen. Die Leute baten um frisches Wasser, weil sie durch widrige Winde zwei Monate verschlagen worden waren und sich seit vierzehn Tagen nur von Brot und einer kleinen Portion Wein genährt hatten. Der Offizier, der unser Boot kommandierte, schickte sogleich die leeren Fässer an das Schiff, um sie füllen zu lassen, und die armen Leute nahmen sie mit solchen Mienen wieder in Empfang, aus welchen die lebhafteste Freude strahlte. Sie dankten dem Himmel und uns und freuten sich, dass sie endlich wieder Feuer machen und etwas Warmes genießen könnten.
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