„Ich weiß noch nicht. Ich suche ein kleines Andenken... an diese Insel... an die Glocke...“
„Da haben wir etwas. Hier!“
Die Verkäuferin reichte Sophie ein kleines Schächtelchen.
„Öffnen Sie es.“
Sophie tat es und zog eine vergoldete Glocke hervor, auf der in geschwungener Schrift das Wort „Bled“ stand. Mit einem Bändchen war noch ein kleines Heft daran befestigt, auf dessen Titelseite die Insel samt Kirchturm abgebildet war. Über dem Bild stand „Bled“, darunter „Slovenija“.
„Ja, die gefällt mir, die nehme ich.“
Sophie zog ein paar Euromünzen hervor, die sie von ihren Eltern erhalten hatte, und reichte sie der Verkäuferin. Mit „Nasvidenje“ verabschiedete sie sich.
Kaum hatte sie sich umgedreht, entdeckte sie auch schon Michael und Kai. Die beiden saßen auf einer weißen Parkbank und lutschten Eis. Michael ereiferte sich gerade lautstark.
„Ich habe mir gewünscht, dass Bayern zehnmal hintereinander Meister wird.“
„Aber Michael“, schaltete sich Sophie sofort ein. „Du darfst deinen Wunsch doch nicht aussprechen!“
„Was? Wieso denn nicht?“
Michael sah seine Schwester entrüstet an.
„Na, weil er dann nicht mehr in Erfüllung gehen kann!“
„Warum denn nicht?“
„Weil das mit Wünschen nun mal so ist! Man muss sie für sich behalten, nur dann können sie wirken.“
Michael machte ein betretenes Gesicht und bekam den Mund nicht mehr zu. Kai musste lachen.
„Dann wird Bayern vielleicht gar nicht mehr Meister!“
„Ich finde das gar nicht lustig“, gab Michael zurück. „Was hast du denn da?“
„Das ist ein Modell der Wunschglocke!“
Sophie setzte sich zwischen die beiden Jungs und zeigte stolz die kleine Glocke.
„Wow! Ist ja stark! Was steht denn in dem Heft?“
„Ich lese es euch vor: Die sogenannte ‚Wunschglocke‘ wurde in der jetzigen Form im Jahre 1534 von Franziskus Patavinus gegossen. Auf dem Bleder Schloss lebte ungefähr zu dieser Zeit eine untröstbare junge Witwe. Ihr Ehemann wurde von Räubern erschlagen und sein Leichnam in den See geworfen. Sie nahm alles Gold und Silber, das sie hatte, und ließ eine Glocke für die damalige Kapelle auf der Insel gießen. Aber die Glocke kam nicht dorthin. Sie wurde, samt dem Boote und den Fuhrleuten, in einem schrecklichen Sturm im See begraben. Sie ertönt aber manchmal aus der Tiefe des Sees...“
„Aber wir haben sie doch gerade erst geläutet, da kann sie doch nicht auf dem Grund des Sees liegen“, protestierte Michael.
„Die Geschichte ist ja auch noch nicht zu Ende. Hört nur weiter zu: Die verzweifelte Witwe spendete all ihr Hab und Gut für den Bau einer neuen Kirche auf dem See, verließ das Schloss und reiste nach Rom ab, wo sie in ein Kloster eintrat, das sie bis zu ihrem seligen Ende nicht verließ. Nun weihte der Papst eine neue Glocke und sandte sie auf die Bleder Insel. Jedermann, der diese ‚Wunschglocke‘ ertönen lässt und einen Wunsch an die ‚gnadenvolle Frau im See‘ richtet, dem geht eine Bitte in Erfüllung.“
„Na also!“
Michael stand auf und zeigte ein triumphierendes Lächeln.
„Was ‚na also‘?“, fragte Sophie.
„Da steht nichts von wegen, dass man seinen Wunsch nicht aussprechen darf. Also geht er doch in Erfüllung!“
„Geht er nicht! Das muss doch nicht da stehen, das weiß doch jeder!“
„Kinder!“
Es war ihre Mutter, die den Streit unterbrach.
„Die halbe Stunde ist bald um. Wir müssen zurück zur Gondel.“
„Jetzt schon? Dabei wollten wir doch die ganze Insel sehen.“
Sophie klang enttäuscht.
„Ein paar Minuten sind es noch. Ihr könnt ja die hintere Treppe hinunter gehen und dann am Ufer entlang laufen. Papa und ich haben das schon gemacht, es ist sehr schön.“
„Na gut. Dann aber los!“
Sophie sprang auf. Zorro, Kai und Michael folgten ihr. Sie gingen an einem Café vorbei und kamen nach wenigen Schritten an eine breite Treppe, die zum See hinunterführte. Langsam stiegen sie hinab. Unten blieben sie einen Moment auf dem Steg stehen und ließen ihren Blick über das blaue Wasser schweifen. Ein Schwan näherte sich. Dann wandten sie sich nach links und folgten einem schmalen Pfad, der sich dicht am Wasser an dem bewaldeten Hang entlang zog. Auf diese Weise gelangten sie zurück zur Anlegestelle der Gondel, wo ihre Eltern bereits warteten.
„Na, hat es euch gefallen?“, fragte der Vater.
„Gefallen schon, aber Sophie behauptet, dass mein Wunsch nicht in Erfüllung geht, nur weil ich ihn laut ausgesprochen habe“, beschwerte sich Michael.
„Na, nimm’s nicht so schwer!“
Der Vater legte ihm tröstend den Arm auf die Schulter.
Als alle Fahrgäste zurück waren, stiegen sie in die Gondel. Der Bootsmann löste die Kette und stieß vom Ufer ab. Während sie auf Bled zuhielten wurde die Insel samt Kirche hinter ihnen immer kleiner.
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