Herbert Speer
Keltisches Kreuz
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Inhaltsverzeichnis
Titel Herbert Speer Keltisches Kreuz Dieses ebook wurde erstellt bei
1 Irland
2 Auf zu Gunnings
3 Zehn der Schwerter
4 Prinzessin der Kelche
5 Die schwarzen Männer
6 Athlone
7 Was bedeutet IRA?
8 Clonmacnoise
9 Keltisches Kreuz
10 Die Liebenden
11 Geständnisse
12 Rock of Cashel
13 Ian’s Geheimnis
14 Die Wahrheit kommt ans Licht
15 Zu Hause
Impressum neobooks
„Vorsicht, Papa! Du fährst auf der falschen Seite!“
Mit quietschenden Reifen brachte Herr Wagner den schweren Kombi zum Stehen. Seiner Frau auf dem Beifahrersitz blieb fast die Luft weg. Michael, der von hinten gewarnt hatte, war froh, dass sein Vater so schnell reagiert hatte. Doch Michaels Adoptivschwester Sophie schüttelte nur den Kopf.
„Weißt du denn nicht, dass in Irland Linksverkehr gilt?“
Michael machte ein verständnisloses Gesicht und Kai, der zwischen den beiden saß, fing herzhaft an zu lachen. Derweil gab Herr Wagner wieder Gas und steuerte den Wagen in Richtung Autobahnauffahrt.
„Woher hätte ich das denn wissen sollen? War ich etwa schon mal in Irland?“, versuchte sich Michael zu verteidigen.
„Ich war ja auch noch nie in Irland und wusste es trotzdem!“
Sophie konnte es nicht zulassen, dass ihr Bruder das letzte Wort behielt, doch wie so oft in solchen Fällen, half Kai, der Michaels bester Freund und Dauergast bei der Familie Wagner war, den Streit zu beenden.
„Sagt mal, die Leute, zu denen wir fahren, das sind doch keine Iren, oder?“
„Der Vogel ist eigentlich ein Urbayer, der vor langer Zeit nach Irland ausgewandert ist.“
Herr Wagner hatte die Autobahn erreicht und fädelte sich gerade in den laufenden Verkehr ein.
„Der Vogel?“
Michael konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.
„Das ist sein Spitzname. Kommt wohl noch aus seiner Jugend. Der Schulfreund, der mir den Kontakt vermittelt hat, meinte, früher sei der Vogel vogelwuid gewesen...“
„Vogelwuid?“
„Na, ihr könnt doch bayerisch, oder nicht?“
„Klar“; übernahm Sophie das Ruder. „Vogelwuid heißt so viel wie ziemlich verrückt, total abgefahren, krass drauf halt...“
„Und zu so einem fahren wir jetzt?“
Kai und Michael tauschten fragende Blicke.
„Keine Angst. Der Vogel ist einfach nur ein Original. Habe ja ein paar Mal mit ihm telefoniert. Er hat sich da mitten in Irland eine alte Mühle zugelegt und sie renoviert. Früher hat er als Musiker und Gastwirt gearbeitet...“
„Eine Mühle?“
Nun wurde Michael hellhörig.
„War wohl ziemlich verfallen das Ganze. Aber es ist ihm gelungen, das Mühlrad wieder instand zu setzen.“
„Hört sich ja abgefahren an.“
„Und wie lange fahren wir jetzt?“
„Vielleicht anderthalb Stunden. Schaut Euch die Landschaft an!“
Die Landschaft war nicht besonders berauschend und bot nichts, was die Kinder interessiert hätte. So versuchten sie sich anderweitig zu beschäftigen. Michael und Kai spielten ‚Ich sehe was, was du nicht siehst’ und Sophie simste mit ihrer besten Freundin.
Als die anderthalb Stunden fast vorüber waren, fragte Michael ungeduldig nach, wie weit es noch wäre.
„Höchstens noch eine Viertelstunde. Das hier ist schon Mullingar, die letzte größere Stadt.“
Sie fuhren gerade die Hauptstraße der Stadt entlang. Links und rechts reihten sich bunte Häuserfassaden aneinander. Dort gab es kleine Läden und dazwischen immer wieder Lokale und Restaurants. Außerhalb der Stadt fuhren sie nochmal etwa zehn Minuten über Land, dann bogen sie in eine schmalere Seitenstraße ab, wo Vater den Wagen deutlich verlangsamte.
„Es soll auf der linken Seite sein. Seht mal zu, ob ihr eine Mühle entdeckt.“
„Ich glaube, da ist es. Da steht zumindest jemand am Straßenrand und winkt uns.“
Tatsächlich stand da ein kräftig gebauter Mann, der wohl in den Fünfzigern sein mochte, und wies mit der Hand auf ein Rasenstück, wo sie parken konnten. Fast gleichzeitig stiegen sie aus und näherten sich ihrem Gastgeber, zu dem sich in der Zwischenzeit eine Frau gesellt hatte.
„Herzlich willkommen in Milltown!“
Der Mann streckte ihnen die Hand entgegen. Herr Wagner ergriff sie als Erster.
„Ich bin der Hans. Und das ist meine Frau Louise.“
„Sehr erfreut. Wagner.“
Nachdem sich alle gegenseitig vorgestellt hatten, übernahm der Mann, den man den Vogel nannte, das Kommando.
„Dann kommt’s mal mit. Na zeig ma euch erst mal as Häusel.“
Er führte sie durch ein Gartentor und schritt die wenigen Stufen einer steinernen Treppe zur Eingangstür eines Anbaus hinauf, der sich an der Stirnseite des langgestreckten Hauptgebäudes befand. Der Vogel öffnete die Tür und betrat einen kurzen Gang.
„Links habts des Bad und rechts as Klo. Gradaus is dann die Stube. Kommts nur rein.“
Im Gänsemarsch folgten die fünf ihrem Gastgeber und seiner Frau. Die Stube sah richtig gemütlich aus. Es gab eine Eckbank mit Tisch und zwei Stühlen, eine Küchenzeile mit allem, was dazu gehört, außerdem einen Schrank, Regale und einen großen alten Sessel. Hinter diesem führte eine Holztreppe in das obere Stockwerk.
„Dürfen wir nach oben schauen?“
Michael stand schon am Fuß der Treppe.
„Na klar. Warum net?“
Die Kinder stürmten fast gleichzeitig die Treppe hinauf, während Frau Wagner einen Wäscheständer entdeckte, der unter der Decke hing. Der Vogel fing ihren Blick auf, griff nach einem Seil, das an einem Haken an der Wand befestigt war, und ließ den Wäscheständer tiefer sinken, bis er auf Augenhöhe hing.
„So, da könnt’s die Wäsch aufhängen. Wenns was zum Waschen habts, gebts as uns.“
„Ist ja unglaublich praktisch“, freute sich Sophies Mutter.
„Ich will an der Wand schlafen.“
Michael hatte das Rennen gewonnen und als erster den Schlafbereich im oberen Stockwerk erreicht. Es gab ein Doppelbett am Ende des Raumes, das sich durch einen Vorhang abtrennen ließ. Ein weiteres Doppelbett befand sich an der Seite und ganz vorne, bei der Treppe, war noch ein einzelnes Bett.
„Vielleicht sollten wir erst einmal eure Eltern fragen, wo die schlafen wollen...“
Kai konnte sich nicht recht entscheiden und Sophie dämmerte bereits, dass sie das Einzelbett beziehen würde.
Unten verabschiedeten sich derweil der Vogel und seine Frau. Gleich darauf kamen auch Herr und Frau Wagner nach oben und entschieden, dass sie den abgetrennten Schlafbereich für sich beanspruchen würden.
„Und was machen wir jetzt?“
Michael hatte seine Tasche aus dem Auto geholt und sie auf das Bett gewuchtet.
„Jetzt sehen wir uns draußen um. Los, wer Erster ist!“
Sophie nutzte den Vorteil, dass sie direkt an der Treppe stand, und sauste hinunter. Kai und Michael folgten ihr ins Freie. Eine riesig anmutende Rasenfläche erwartete sie dort. Der Vogel und seine Frau saßen an einem Tisch und tranken Bier. Als sie die Kinder sahen, winkten sie ihnen freundlich zu.
„Schaut’s euch nur um!“
Die Kinder rannten über den Rasen, schauten sich Blumen- und Gemüsebeete an, und versuchten, eine Katze zu fangen, die sie in einem Gebüsch aufgestöbert hatten. Als sie zurückkamen, hatten sich die Eltern zu den Gastgebern gesellt.
„Jetzt zeig ich euch das Prunkstück von der ganzen Anlage.“
Der Vogel erhob sich und schritt über den Rasen auf einen seitlichen Anbau des Haupthauses zu. Die anderen folgten ihm. Sie umrundeten einen Schuppen und kamen so an ein tief eingeschnittenes Bachbett.
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