Als sie sich auf ihrer riesigen Terrasse erholte, indem sie sich auf eine Liege legte und ein Glas Wein zu sich nahm, tauchte vor ihr plötzlich ein Schatten auf, der ihr die Sonne stahl. Sie öffnete die Augen und erschrak, aber nicht, weil sie Luzifer erkannte, sondern da es sich nicht um den Postboten oder so handelte.
„Was wollen Sie hier?“ fragte sie und nahm ihre Brille ab, die sie nur als Verzierung trug.
Fernanda wusste nicht, wen sie da vor sich stehen hatte. Für sie war diese Gestalt zwar merkwürdig, aber noch kein Grund, sich Sorgen zu machen. All die Jahre gab es niemanden, der herausgefunden hatte, welche Person sich wirklich hinter ihrer Tarnung verbarg.
„Mein Name ist Luzifer“, antwortete er, „und ich will ihre Dienste in Anspruch nehmen.“
„Ich habe schon Feierabend“, entgegnete sie und legte sich wieder hin, „meine Kanzlei befindet sich auch nicht hier, sondern auf dem Kleinflecken.“
„Ich meine nicht diese Dienste“, machte Luzifer deutlich und sie spürte eine gewisse Ungeduld in seiner Stimme.
„Was meinen Sie denn?“ fragte sie nun völlig genervt, „wissen Sie, wenn Sie nicht gehen, dann rufe ich die Polizei.“
Ohne Vorwarnung ließ der Unterweltkönig einen kleinen Blitz los, der die Hexe an der Schulter traf. Außer ein paar Kratzern, hatte sie dadurch keine echten Verletzungen davongetragen.
„Was sollte das denn?“ wollte sie wissen und sprang auf.
Erst jetzt kombinierte sie, dass vor ihr ein Wesen stand, welches Übernatürlich war, so wie sie. In all den Jahren war sie nachlässig geworden und sie bemerkte die kleinsten Hinweise einfach nicht mehr. Sie hatte es verlernt. Dann fiel ihr ein, dass sie den Namen „Luzifer“ kannte. Nun wusste sie, wer er war.
„Ich will deine Dienste, Hexe“, verlangte Luzifer und machte deutlich, dass er bereit für die nächste Attacke war.
„Ich verstehe“, sprach sie, „aber ich bin keine Hexe mehr. Ich vor Jahren damit aufgehört.“
„Das interessiert mich nicht“, machte Luzifer ihr klar, „du wirst machen, was ich verlange oder sterben.“
Da Fernanda auch was ihre magischen Kräfte anbelangte, aus der Übung war, machte ein Kampf gegen den Unterweltherrscher in diesem Moment einfach keinen Sinn. Sie würde verlieren und damit auch ihr Leben lassen müssen, was sie seit der Flucht aus ihrer Welt sehr genossen hatte.
„Ich werde dir diesen einen Gefallen tun und dann lässt du mich in Ruhe“, versuchte die Hexe zu verhandeln.
„Darauf lasse ich mich nicht ein“, machte Luzifer deutlich, „entweder machst du alles, was ich verlange, oder du stirbst, hier und jetzt.“
„Dann töte mich und du wirst nichts haben“, entgegnete sie und meinte es ernst in diesem Augenblick.
Denn wenn sie wieder in der Sklaverei landete, wo sie schon einmal war, dann wollte sie lieber sterben als für einen Tyrannen zu dienen. Luzifer nahm wahr, dass er nun nachgeben musste, sonst würde sich sein Plan ins Unendliche verlängern, denn es gab kein anderes Wesen, welches ein Tor schaffen konnte. Daher war Fernanda unverzichtbar.
„Dann werde ich mich darauf einlassen“, gab er nach, „aber wenn du mich hintergehst oder trickst, töte ich dich, ganz gleich wie einzigartig deine Fertigkeiten sind.“
Das reichte der Hexe. Dadurch war ihr Leben gesichert und sie konnte nach dem Auftrag wieder zurück in ihr Luxusleben. Nichts anderes wollte sie. Für sie war klar, dass es ewig so weitergehen konnte. Allerdings würde sie nach der Geschichte umziehen wollen.
„Was willst du von mir?“ wollte sie wissen.
„Ich will, dass du ein Portal schaffst, welches die Menschenwelt mit der Unterwelt verbindet“, verriet der Unterweltkönig.
„Das gebe einen Krieg“, sagte sie voller Entsetzen.
„Ja, das ist Absicht“, bestätigte Luzifer.
Fernanda zuckte zusammen, denn sie war zwar eine Hexe, aber hatte keine aggressive Neigung. Sie wurde stets dazu gezwungen, anderen wehzutun. Wenn die Unterwelt einen direkten Zugang hätte, dann hätte sie ebenfalls keinen Frieden und ihr tolles Lebens wäre dahin.
„Das mache ich nicht“, verweigerte sie Luzifers Order.
„Dann werde ich dich töten müssen oder schlimmer, ich werde dich verschandeln“, drohte er.
Fernanda wollte nicht sterben, auf keinen Fall. Aber sie wollte ein schönes Leben. Wenn sie ihn unterstützte, dann war es vorbei. Sie könnte nirgends mehr hin, weil der Krieg dann überall wäre. Die Menschen hätten keine Chance gegen die Monster.
„Ich will eine Insel für mich“, verhandelte sie abermals, „auf der er es keine Monster geben wird und ich in Ruhe gelassen werde.“
„Sollst du bekommen“, versprach Luzifer, „ist weniger umständlich für mich.“
„Dann werde ich es tun“, sagte sie zu.
Fernanda waren die Menschen nicht wichtig, denn sie stellte ihr eigenes Leben über das anderer. Es hat etwas damit zu tun, dass sie ihr halbes Leben unterdrückt wurde und nie wieder in Gefangenschaft kommen wollte. Dazu würde sie auch in Kauf nehmen, dass statt ihrer die Menschen unterjocht werden würden.
„Dann mache es hier“, wies Luzifer an.
Erst wollte Fernanda etwas entgegnen, aber das würde möglicherweise die Vereinbarung zerstören und sie damit wieder in Lebensgefahr begeben. Daher schluckte sie kurz, aber nahm es hin.
„Ich benötige etwas Zeit“, sagte sie.
„Wieviel?“ wollte Luzifer wissen.
„Einen halben Tag“, antwortete sie.
Der Unterweltherrscher nahm es in Kauf, auch wenn es ihm eigentlich zu lange brauchte. Alles andere war einfach zu umständlich. Fernanda konzentrierte ihre magischen Kräfte, indem sie versuchte, ihre innere Mitte zu finden. Dafür setzte sie sich auf den Boden und ließ ihren Gedanken freien Lauf.
Die Gedankenreise startete wie immer in ihrer Kindheit, denn dort erging es ihr nicht gut. Bis neue Machthaber alle Hebel lenkten und ihre Kräfte nutzen wollten. Sie weigerte sich und verlor ihre gesamte Familie auf brutale Weise. Dann beschloss sie, für immer fortzugehen und auch alle anderen ihrer Art im Stich zu lassen, da für sie alle gleich waren.
Fernanda versank irgendwann in ihren Träumen, als wäre sie wirklich dort. Bis zu dem Punkt als sie eine leuchtende Kugel fand. Es war die Energie, die sie lange Zeit eingeschlossen und nicht benutzt hatte. Diese Leuchtkugel war voller Kraft und sehr mächtig und überströmte sie in dem Moment als die Hexe sie in ihren Träumen berührte. Dann wachte sie auf und spürte diese Power und die Macht, die damit zusammenhing.
Sei stand auf und ging zu ihrem Garten. Luzifer hatte sich hingesetzt und tatsächlich abgewartet bis Fernanda wiedererwachte. Er fand es merkwürdig, aber hatte das bisschen Geduld, um sie nicht umzubringen. Die Hexe stellte sich inmitten des Gartens und streckte ihre Hände nach vorne. Eine blauleuchtende Energie strömte heraus und schuf ein Portal, welches ebenfalls blauleichtend schimmerte.
„Es ist vollbracht“, sagte sie, um zu signalisieren, dass sie fertig war.
Luzifer stand auf und schaute sich das Portal an. Das erste Mal seitdem er den Fluch, der auf ihm gelegen hatte, zauberte sich ein Lächeln auf sein Gesicht. Aber es sah fies aus, hätte es ein Kind oder ein anderer Mensch gesehen.
„Es ist eine direkte Verbindung zwischen meiner Welt und der Menschenwelt?“ fragte, um sicher zu gehen.
„Ja, natürlich“, antwortete Fernanda.
Sie wollte jeden Zweifel beseitigen, daher ging zu dem Portal. Sie stand direkt davor und war im Begriff, hineinzugehen, als Luzifer sie zurückhielt.
„Halt“, sprach er, „wir gehen zusammen. Ich weiß nicht, ob es sich um einen Trick handelt.“
„Ich lege dich nicht rein“, machte die Hexe deutlich, „und ich folge dir gerne, um dir zu beweisen, dass ich es vollbracht habe.“
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