nahmen mich auf: den Flüchtigen
des Lebens aus der weiten Prärie,
die im glimmenden Licht ferne liegt,
mir die sanfte Oase widerspiegelnd,
über die ich hinausgewachsen bin
hoch über den Sand in das Paradies,
das verheißene, ersehnte, vermeintliche.
Nun harre ich hier im kahlen Geviert,
behütet, gefangen, befangen, behangen
mit dem Ballast aus verlassenem Leben,
den ich, geschleppt auf krummem Rücken,
nicht abkippen konnte auf die Deponie,
die ihre Arme lüstern danach streckte
und aufheulte, als ich meuchlings floh.
Ob sich der Klunker wieder belebe,
auf dass ich was vorzuweisen hätte
im nächsten Quartier, das mir gebucht?
Wenn ich es nur fänd‘ ohne Umweg,
wie ich hierher gelangte so forsch.
Jetzt kann ich nicht länger weilen:
Zu Ende die Rast! Macht auf!
Mittendrin war ich euer Kind,
glücklich, voll Lust und Drang.
Doch als ich aufwuchs und ging,
sah ich euch näher kommen bang.
Von beiden Seiten, Schritt für Schritt,
habt ihr mich eingesperrt dazwischen.
Du gibst von hinten mir ´nen Tritt
und aus deinem Maul ein Zischen.
Und dich seh‘ ich vor mir, immer breiter,
sperrst mir den Weg zu meinem Glück.
Schreie euch an: Wo geht es weiter?
Kann nicht mehr vor und nicht zurück!
Nehmt mir die Luft zum Atem Holen,
nehmt mir den Raum zum Fliehen,
presst meine Füße auf glühende Kohlen.
Lasst mich doch endlich weiter ziehen!
Ich will dich wieder sehen 1
Ich will dich wieder sehen,
wie du warst im ersten Anblick
deiner glatten Haut, die sanft
die Sonne mir entgegensandte.
Ich will dich wieder spüren
ganz fest um mich herum,
wie du mich hast liebkost
mild und kühl zugleich.
Ich will bei dir sein wieder,
wenn du barmherzig mir
neue Sehnsucht und Erfüllung
gibst wie eh, mein Meer.
Ich will dich wieder sehen 2
Ich will dich wieder sehen,
Land hinter dem Tibidabo
so wie du warst auf erster Fahrt
zum Campus über deinen Wunden.
Aus schneegrauer Flur entflohen
nahmst du mich an und auf
in deinem frischen Blütengarten
und streutest mir Sonnenstrahlen.
Erwartungsvoll will ich noch einmal
die Jugend spüren in deinem Schoß,
der mir Welt ward, große Welt,
mein liebes Bellaterra.
Arkadien und Elysien,
weh, dass ich euch so früh verlor!
Seid ihr mir aber doch noch nah,
dann kommt aus dem Versteck hervor!
Und bringt mir eure neuen Weisen,
dass ich sie weitergeben kann.
Einst werde ich euch doch bereisen,
wenn ich hier nichts mehr sehen kann.
Wo seid ihr,
Engel der Liebenden?
Wo seid ihr,
Engel der Ringenden?
Wo seid ihr,
Engel der Wachenden?
Wo seid ihr,
Engel der Ruhenden?
Wo wart ihr,
als sie lieben wollte?
Wo wart ihr,
als sie ringen wollte?
Wo wart ihr,
als sie wachen wollte?
Wo wart ihr,
als sie ruhen wollte?
Wo werdet ihr sein,
wenn ich lieben will?
Wo werdet ihr sein,
wenn ich ringen will?
Wo werdet ihr sein,
wenn ich wachen will?
Wo werdet ihr sein,
wenn ich ruhen will?
Wer bringt uns den Speer zurück,
da wir Parsifal verloren?
Wer schickt uns, wen wir brauchen zum Glück,
da uns der Gral nicht erkoren.
Warum jagen wir immer noch Schwäne?
Wir wohnen im heiligen Hain!
Warum tropft aus dem Aug‘ eine Träne?
Es kann doch nicht besser sein!
Wo ist, was sie Himmel nennen?
War ich nicht schon einmal dort?
Trugen ihn die Engel fort?
Der die Schlüssel trägt in Händen
möge mir das Navi senden,
dem ich blind vertrauen kann,
wenn die Augen dann und wann
Weg und Richtung nicht mehr sehen.
Will nicht in die Irre gehen!
Brettersplitter, Schotterpfützen,
Leitern lehnen an der Wand,
schwere Schuhe schlürfen patschig
über ölgetränkten Sand.
Schutt und Aushub von der Grube
schlucken hungrig Schiebetruhen.
Im Gebett von frischem Mörtel
Fensterstöcke schläfrig ruhen.
Roter Mohn und blaue Warten
schau’n herab vom Unkrautthron,
hören in verschied’nen Sprachen
fluchen über Menschen Fron.
Und die alte Mischmaschine,
wartend auf des Maurers Akt,
dreht sich mit verbeulter Miene
rostig im Dreivierteltakt.
So wächst Schicht um Schicht hinan,
drauf Gehölz zur Daches Gleiche.
Stellt euch schnell zum Umtrunk an,
dass der Segen niemals weiche!
Die Welt ist der Ort,
wo alles und nichts sich berühren,
unendlich erscheinende Endlichkeit,
weilendes Weh, blitzende Lust.
Ist das alles, was der Fall ist?
Das Fräulein vis-a-vis
und Regen in der Nacht.
Ein Strich aus dem Auge
und rosa der Mund!
Wir fuhren mit der Straßenbahn
dahin in Nacht und Licht.
Und vielleicht war kein Regen
und vis-a-vis wer anderer.
Der 360er war eine Straßenbahn: die Linie 360. Sie war die Verlängerung der Linie 60, die es heute noch gibt, an die südliche Stadtgrenze des ehemaligen Groß-Wien. Die alte Babenberger-Stadt Mödling war bis 1954 „Hauptstadt“ eines Außenbezirks von Wien: des 25. Wiener Gemeindebezirks. Dorthin konnte man mit dem 360er fahren: zuerst von Mauer aus, einem Dorf oben auf dem Maurer Berg, ab 1883 mit Dampfantrieb bis Perchtoldsdorf und schließlich ab 1887 bis Mödling.
1954 wurden die äußeren Gemeinden von Groß-Wien dem Bundesland Niederösterreich zugeordnet. Politisch bedeutete dies eine Stärkung des „schwarzen“ Niederösterreich. Denn in den Umlandgemeinden von Wien hatte die christlich-soziale Österreichische Volkspartei ein treues Wählerpotenzial: in der alteingesessenen Weinhauerschaft und in den zugezogenen, manchmal „neureichen“ oder im Laufe der Krisen des 20. Jahrhunderts verarmten „gutbürgerlichen“ Familien. Die Abtrennung dieser Gemeinden vom „roten“ Wien brachte allerdings einige Nachteile für die Anbindung der Peripherie dieses Lebensraumes an das Wiener Stadtzentrum. Die Erwartung einer eigenständigeren kulturellen und wirtschaftlichen Entwicklung erwies sich bald als provinzielle Illusion.
Für den 360er blieb dieser Eingriff nicht ohne Folgen. Die Endstation der Linie 60 und damit die Umsteigestelle in den 360er wurden 1963 von Mauer nach Rodaun verlegt. Und 1967, am 30. November, kam dann überhaupt das Ende für den 360er. Nachdem man wenige Jahre vorher noch Millionen in die Modernisierung der Strecke und in den Neubau einer Umkehrschleife samt Stationsgebäude in Rodaun investiert hatte, beschloss die Stadt Wien, die Subventionen für die Wiener Straßenbahn im „schwarzen“ Niederösterreich einzustellen. Die betroffenen Gemeinden waren nicht bereit, diese Zuschüsse für den Fortbetrieb zu übernehmen. Seither fährt eine Buslinie die Strecke ab. Die Trasse wurde teilweise für die Anlage einer Durchzugsstraße, der B 13, verwendet. Es gibt nur mehr wenige Stellen, die noch erahnen lassen, dass hier einmal Schienen im Boden lagen. An zwei Stellen sind noch Schienenreste zu sehen: bei der ehemaligen Haltestelle Perchtoldsdorf-Brunnergasse, wo sich auch der Betriebsbahnhof, die Remise, befunden hatte, und bei der Station Brunn-Felsenkeller. Jemand, der den 360er einst tagtäglich selbst benützt hatte, weiß allerdings fast auf den Zentimeter genau, wo zwischen Rodaun und Mödling die Schienen lagen.
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