N. M. Micheilis
ZOMBIE APOCALYPSE UTOPIA
Wie Zombiefilme eine bessere Welt verkünden
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Inhaltsverzeichnis
Titel N. M. Micheilis ZOMBIE APOCALYPSE UTOPIA Wie Zombiefilme eine bessere Welt verkünden Dieses ebook wurde erstellt bei
1. Einleitung
2. Der apokalyptische Zombiefilm in Abgrenzung zum Horrorgenre
3. Die vier Phasen der säkularen Apokalypse
4. Die apokalyptische Zombie-Utopie
5. Die Zombie-Utopie
6. Fazit
7. Forschung und Ausblick
8. Literaturverzeichnis
9. Filmverzeichnis
Impressum neobooks
Jim öffnet die Augen. Er weiß nicht, wie lange er schon so dagelegen ist. Das Krankenhaus ist verlassen. Sein fragendes „ Hallo? “ hallt von den Wänden der leeren Flure wider und verschwindet in der Stille. Einsam ist sein Weg durch die Straßen. Verloren und klein wirkt er in der Weite der leeren Plätze. Es scheint als habe sich die Welt weitergedreht und ihn allein zurück gelassen. „ Hallo?“ Wieder jagen seine Worte ziellos durch die Einsamkeit. Über den nackten Asphalt flattern Zeitungsblätter, die Botschaften vom Untergang verkünden. Botschaften, die niemanden mehr betreffen. Jim findet seinen Weg in eine Kirche. Ein Rosenfenster erleuchtet eine unbestimmbare, undefinierte Masse, die einmal Menschen gewesen sein mochten. Im Flur begegnet Jim seinem Schicksal. Einem Mann, den er einmal kannte: die Augen blutunterlaufen, Gesichtszüge zu einer Fratze verzerrt, der Körper zum Angriff bereit - bereit Jim in Stücke zu reißen.
Genauso wenig wie Jim auf diese neue Welt vorbereitet ist, bereitet Regisseur Danny Boyle den Zuschauer auf die Welt in 28 Days Later (2002) vor. (Eine kurze Zusammenfassung aller relevanten Filme kann ganz hinten im Verzeichnis gefunden werden.) Von Wut beherrschte, seelenlose Menschen, die jeden zerfleischen, der nicht zu ihnen gehört. Doch dem Zuschauer sind diese Wesen nicht neu. Er hat sie schon in unzähligen Variationen gesehen: Untote, Virenzerfressene oder einfach nur Zombies, die in die bisher heile Welt der Lebenden strömen, um die Apokalypse einzuläuten. Der Zuschauer kennt sie. Er ist ihretwegen ins Kino gekommen. Um zu sehen wie die Menschheit zum wiederholten Male den Kampf gegen ihr unterdrücktes Selbst aufnimmt. Doch es war nicht der Horror, der den Zuschauer ins Kino lockte. Es waren die leeren Plätze und das verhallende Echo.
Der Zombiefilm ist ein Genre, das beinahe so alt ist, wie der Film selbst. Angefangen mit White Zombie (1932) bis zu World War Z (2013) . In seiner langen Geschichte ist es viele Entwicklungen durchlaufen und hat sich in viele verschiedene Richtungen entwickelt. Es hat sich vom Kolonialismus genauso beeinflussen lassen, wie vom Vietnamkrieg, von der sexuellen Revolution, genauso wie von biologischen Waffen. Nazis, Prostituierte, Homosexuelle, kaum ein Typus ist noch nicht durch einen Zombiefilm getorkelt. Das Genre ist offen und liberal und sperrt keine Randgruppe aus. In kannibalischen Orgien wird sowohl der Zerstörung, als auch dem maßlosen Konsum gefrönt.
Dabei ist Gewalt und die Darstellung verletzter Körper, mit all ihrer Faszination und Abscheulichkeit, immer eine Konstante im Zombiefilm geblieben. Jedoch zeichnet sich seit den Nullerjahren (2000-2009) eine neue Strömung ab, die ihren Ursprung bereits bei George A. Romeros Night of the Living Dead (1968) hatte, aber erst mit 28 Days Later im Begriff war ein neues Subgenre zu begründen, das der Zombieapokalypse. Die untoten Horden gaben sich nicht mehr mit – hier und da – mit einem kleinem Happen Menschenfleisch zufrieden. Sie wollten die Welt. So entwickelte sich auch die Zombieinvasion im Laufe der Zeit weg von der lokalen Bedrohung hin zu einer globalen Apokalypse. Weg von Nazis und Prostituierten, hin zu Jim, der einsam durch verlassene Plätze wandelt in einer Welt, die entleert ist und wo der Geruch von Freiheit und Gefahr in der Luft liegt. Was ist es, was den Zuschauer an diesen neuen Welten fasziniert? Was hat den Horror der Zombiefilme verdrängt?
1.1 These
Herausgerissene Eingeweide, abgetrennte Körperteile und austretende Körperflüssigkeiten sind ein Muss für jeden Zombiefilm. Dass diese Filme dem Horrorgenre zugerechnet werden, ist also verständlich. Doch gerade bei neueren Zombiefilmen wird die einstige Berufung des Zombiefilms, nämlich Schrecken und Angst hervorzurufen, nebensächlich.
Bereichert und in eine neue Richtung geworfen wurde das Genre durch die Idee der weltumfassenden Apokalypse. Trieben sich Zombies vorher vornehmlich auf abgeschotteten Inseln herum, wie in White Zombie (1932) , haben sie nun die ganze Welt erobert und sich in das kulturelle Gedächtnis der Moderne eingeschlichen. Vielleicht war die Globalisierung der Zombieinvasion ursprünglich lediglich dazu angelegt mehr Schrecken zu verbreiten, doch ein gegenteiliger Effekt hat sich eingestellt: Die Zerstörung jedweder gesellschaftlicher Ordnung und die Loslösung von bekannten Normen und Werten haben den zombieapokalyptischen Film zu einer Utopie gemacht.
Die beinahe vollkommene Auslöschung der Menschheit, der Zerfall der Gesellschaft und die Herrschaft der Zombies, ist für den Liebhaber dieser Filme kein Schreckensszenario, sondern eine Wunschvorstellung. Wer wollte nicht mal wie Will Smith in I am Legend (2007) durch das leergefegte New York wandern, sich am Eigentum anderer bedienen, hier und da ein Reh schießen, und vielleicht ein paar Nightwalker ärgern. Filme wie diese dienen nicht mehr dazu Horror auszulösen, sondern Kritik an der trostlosen Welt zu üben in der wir jetzt leben und eine bessere Alternative aufzuzeigen. Ohne sinnentleerte Büroarbeit, ohne Steuern zahlen und zu Idioten nett sein müssen (in Zombiefilmen kann man sie einfach wegpusten). Die Zerstörung der Welt durch Zombies ist in diesen Filmen ein notwendiges Übel, das der Zuschauer für seine Befreiung von gesellschaftlichen Zwängen gern in Kauf nimmt. Denn erst Zerstörung schafft einen neuen Weg und Platz für Neues. Apokalypse und Utopie werden dadurch von einander untrennbar.
Den Kinobesucher zieht gerade die vollkommene Zerstörung ins Kino. Es ist seine Unzufriedenheit mit den einengenden gesellschaftlichen Normen und mit der Monotonie des Alltags, die ihn auf eine Zombieapokalypse hoffen und diese, wenigstens ein Stück weit im Film, erfahren lässt. Nicht umsonst gibt es gerade eine Fülle an literarischen Neuerscheinungen mit Anleitungen für das Überleben von Zombieinvasionen. Denn wenn die Apokalypse tatsächlich eintritt will man ja nicht zu denjenigen gehören, die vom Helden eine Axt in den Schädel bekommen. Nein, man will selbst der Held sein in einer neuen Welt ohne Regeln und Grenzen.
Die Faszination für die Apokalypse hat die Faszination für den Horror von Zombiefilmen verdrängt. Als Zombies noch schlurfende Gestalten aus dem Gruselkabinett des frühen Kinos waren, hatten sie unter ihren Kollegen – Vampiren, Werwölfen und diversen Monstern aus dem Sumpf - keinen Sonderstatus. Durch Romeros apokalyptisches Night of the Living Dead wurden sie revitalisiert (vgl. Haupts, 2011:92) und der Prozess ihrer Verbreitung in der Gedankenwelt der Populärkultur hat bis heute angehalten und sie endgültig zu einem Massenphänomen gemacht (vgl. Nohr, 2011:259). Ihren Schrecken haben sie zwar verloren. Jedoch hat der Film und der Zuschauer sie zu einem Instrument für die erhoffte Apokalypse umfunktionalisiert.
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