Um den Kanon der Filme überschaubar zu halten werden weniger bekannte Produktionen ebenfalls nicht berücksichtigt. So zum Beispiel B-Produktionen oder Spaghetti-Zombiefilme. Außen vor gelassen müssen auch andere Medien, wie Comics, Bücher oder Serien. Zwar erscheint The Walking Dead (2010) wie ein perfekter Vertreter des neuen Genres, muss jedoch ausgeschlossen werden, da das Serienformat anderen Gesetzen folgt als der Film. So ist zum Beispiel bei Walking Dead zu beobachten, dass sowohl Zombies als auch die Apokalypse im fortschreitenden Verlauf der Handlung immer nebensächlicher werden.
Zwar werden im Folgenden vereinzelt noch einige weitere Filme zur Verdeutlichung erwähnt, ich will mich aber für eine bessere Übersicht auf die oben genannten Filme beschränken.
Methodik
Dabei sollen die abgegrenzten Filme mit dem Fokus auf die Handlung und die Charaktere, sowie die vorherrschende Thematik des Films untersucht werden. Auf eine ästhetische Analyse wird weitestgehend verzichtet. Die Darstellung der Handlung ist also für die Untersuchung irrelevant, da nur das Ergebnis und der Verlauf selbst von Bedeutung sind. So spielt es zum Beispiel keine Rolle, wie ekelerregend ein Zombie einem Menschen in die Hand beißt, sondern dass es ihm gelingt ein großes Stück heraus zu beißen. Der analysierte Inhalt wird dann im Kontext mit Utopie-, Horror- und Filmtheorien betrachtet.
Hierbei lässt sich eine Abschweifung in die Phänomenologie (vgl. Hanich, 2010:38) nicht vermeiden, vor allem dort, wo es um die Zuschauerwirkung und -erwartung geht, denn hier können nur subjektive Beobachtungen und Annahmen aufgestellt werden, die zwar auf den ersten Blick als offensichtlich erscheinen, aber deren Verständnis einer genaueren Analyse bedarf.
Allgemein werden die von mir abgesteckten Filme als Eckpfeiler dieses vielleicht neuen Genres auf deren Inhalt und Charaktere hin untersucht und die apokalyptischen Elemente herausgearbeitet um zu beweisen, dass die Zombieapokalypse in ihrem Kern eine Utopie ist.
Definitionen
Zur besseren Verständlichkeit der Arbeit, will ich vorab einige Begriffe klären, die für die Thematik zentral sind.
Zombies
Der klassische Zombiefilm kann problemlos in das Horrorgenre gerechnet werden. Sein Hauptmerkmal, dass er von Zombies/Untoten bevölkert wird, erscheint unbestreitbar und banal. Jedoch haben unzählige Filmvariationen so viele unterschiedliche Arten von Zombies hervor gebracht, dass eine Systematisierung notwendig erscheint.
Am Anfang bevölkerten Zombies lediglich die Gedankenwelt karibischer Inseln. Hier waren es Voodoo-Priester, die (vermeintliche) Tote zu seelenlosen Sklaven wiederbelebten. (Manche Wissenschaftler sehen als Erklärung ein Nervengift, das einen Scheintod verursacht und bei nachlassender Wirkung irreparable Gehirnschäden hinterlässt). Diese Art von Zombies ist auch die erste, die in Literatur und später auch im Film, zu finden ist. Diese Zombies sind per se keine Toten, sondern Menschen in Trance, die unter dem Bann eines Voodoo-Priesters stehen, und können in Einzelfällen wieder zu Menschen gemacht werden.
Mit dem Fortschreiten des Zombiegenres und seines Eindringens in die USA, kommen neue Zombie-Arten auf. Bei George A. Romeros Night of the Living Dead (1968) finden wir dann auch die ersten echten wandelnden Leichen, die Körper kürzlich Verstorbener, die aus ungeklärten Gründen (kosmische Strahlung?) aus ihren Gräbern steigen. Das Element der Ansteckung ist auch hier bereits vorhanden. Jeder, der von einem Zombie gebissen wird, stirbt und wird dann selbst zum Zombie. Der Prozess dauert bei Romero von einigen Stunden bis zu zwei Tagen. Andere Filme sind da schneller (siehe World War Z ). Auch der Kannibalismus findet bei Romero seinen Anfang. Dieser ist zwar für eine Kategorisierung unerheblich, wird aber im Laufe der Arbeit noch eine wichtige Rolle spielen.
In Romeros Dead -Reihe wird nie eine klare Ursache für die Zombies beschrieben, andere Filme geben den Untoten jedoch gerne triftige Gründe um aus den Gräbern zu steigen: eine überfüllte Hölle ( Dawn of the Dead , 1978); unbekannte, chemische Substanzen ( The Return of the Living Dead , 1985) und sehr beliebt, ein Virus ( 28 Days Later, Resident Evil, World War Z , I am Legend ).
Bei den Virus-Zombies (eine der beliebtesten Ursachen!) muss eine Unterscheidung zwischen jenen getroffen werden, die medizinisch gesehen noch am Leben sind ( 28 Days Later, I am Legend ), aber ihrer Menschlichkeit beraubt sind, und jenen, die zwar tot sind, aber deren Bewegungsapparat noch einwandfrei funktioniert ( Resident Evil, World War Z ). Die Unterscheidung ist wichtig, da bei ersteren noch eine Aussicht auf Heilung besteht, die für die Handlung meist zentral ist.
Bei dieser Fülle an unterschiedlichen Zombies mag man sich wundern, was sie alle gemeinsam haben um sich einen Namen zu teilen. Die Haupteigenschaft von Zombies ist nicht die Frage, ob sie am Leben sind oder nicht, sondern dass sie in ihrem Denken auf die niedersten Triebe beschränkt sind (Essen, Töten) und jeder Menschlichkeit entbehren (Erinnerungen, Empathie, reflektiertes Denken).
In diesem Sinne findet man die unzombigsten Zombies in Dan O’Brannons The Return of the Living Dead (1985). Zugegebenermaßen eine Persiflage auf den Zombiefilm, wird er bevölkert von wandelnden Leichen, die jedoch vereinzelt denken, fühlen und sich an ihr altes Leben erinnern können. Sie erinnern eher an komisch geratene Serienkiller, als an echte Zombies. Für einen Zombie-Status ist es nämlich unerheblich ob es sich um einen echten Untoten handelt und dessen Lieblingsspeise Menschenfleisch ist – allein die Unmenschlichkeit im menschlichen Körper ist entscheidend.
Apokalypse
Der Begriff der Apokalypse ist in seinem Ursprung ein biblischer und eng an die Erlösungsgeschichte des Christentums geknüpft, wie McAlister (2012:475) erklärt:
Apocalypse, etymologically linked to the word “unveiling,” is a process of revealing in the Books of Ezekiel, Daniel, Revelation, and others; the revelation conveys both the fact of and the details about the future divine order. In the Christian apocalypse of John of Patmos, the entire earth is destroyed in order to bring about God’s new heaven and new earth.
Dabei ist es wichtig zu bemerken, dass eine Apokalypse nicht nur die Zerstörung der Welt bedeutet, sondern auch ein göttliches Gericht mit sich bringt, wie auch die Erschaffung einer neuen göttlichen Ordnung auf Erden. Nun hält sich die Populärkultur nicht so genau an die biblische Vorgabe. Der Begriff der Apokalypse wird heute in Literatur, Film und auch der geisteswissenschaftlichen Theorie, mal enger mal weiter an die biblische Vorlage geknüpft, aber oft auch unabhängig von dieser behandelt.
In Zusammenhang mit einer Apokalypse wird auch häufig der Begriff des Weltuntergangs verwendet, was nach McAlister (2012:473) die säkulare Variante der religiös-aufgeladenen Apokalypse darstellen soll.
As secular apocalypse film, the zombie film is postmodern in that it has undermined the opposition of God and human (Ostwalt 2000).
Die säkulare Apokalypse unterscheidet sich von der biblischen insoweit, dass sie weder von Gott initiiert wird, noch eine vollkommene Zerstörung oder ein Gericht oder eine neue Ordnung mit sich bringt. So jedenfalls das allgemeine Verständnis. Es wird sich später zeigen, dass die Zombieapokalypse sehr wohl Zerstörung, Gericht und einen Neuanfang kennt. Aber dazu später mehr.
Wenn nun im Folgenden von einer Apokalypse die Rede ist, so soll die säkulare gemeint sein, die zwar Gott als Initiator abgeschafft hat, aber oft noch nach dem gleichen Muster verfährt wie ihr biblischer Vorreiter.
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