Ich war für das rechtzeitige Servieren und Abräumen verantwortlich, konnte mir aber die Zeit dazwischen für die Reinigungsarbeiten selbst einteilen. So hatte ich genug Zeit, immer mal an Deck zu gehen und die Einschleusung in den Kanal mit Hilfe kleiner Lokomotiven sowie die spätere Fahrt durch die grüne und, wie es schien, fast unbewohnte Landschaft rechts und links zu genießen.
Das Wasser im Kanal war sehr sauber, man konnte Fischschwärme, die von tauchenden Pelikanen verfolgt wurden, unbekannte Vögel und vereinzelt auch schwimmende Schildkröten beobachten.

Durch teilweise sehr enge Stellen im Kanal war der Gegenverkehr nicht überall möglich, deshalb musste unser Schiff nach dem Verlassen der Schleuse auf entgegenkommende Schiffe warten und ging deshalb im Gatunsee vor Anker.
Die Gangway wurde abgelassen und die Gelegenheit von jedem, der Zeit hatte, genutzt, um ein Bad im sauberen, ungefähr dreißig Grad warmen See zu nehmen.
Während des Mittagessens gab es plötzlich Lärm und Rufen vor der Messe. Drei Mann jagten einen fast kuchentellergroßen bunten Schmetterling, ein Insekt in einer noch nie gesehenen Größe. Er wurde mit vereinten Kräften gefangen und mit einer Nadel an die Holzwand gepinnt. Es war offenbar ein zäher Bursche, denn nach einigen Tagen, an denen er gelegentlich flatterte, hatte sich die Nadel soweit von der Wand gelöst, dass der Schmetterling wieder den Weg in die Freiheit fand, immer noch mit der Nadel im Körper.
Nach dem Ausschleusen in den Pazifik erreichte das Schiff einen Tag später den Äquator, dessen Überquerung aber kurz vor unserem Endhafen nicht gefeiert wurde.
Einige an Bord waren damit jedoch nicht einverstanden und veranstalteten eine private Feier in der Mannschaftsmesse. Gegen Mitternacht musste der total betrunkene Schlachter von zwei Begleitern in seine Koje gebracht werden.
Nach einer halben Stunde und einigen weiteren Getränken stellten die versammelten Teilnehmer fest, dass an einem solch schönen Feiertag der Schlachter doch nicht so alleine schlafen könne. Der Koch ging voran in Richtung Proviantraum. Ein halbes tief gekühltes Schwein fand den Weg in die Kabine des Schlachters und in seine Koje.
Beim ersten Morgengrauen ertönte ein fürchterlicher Schrei, und ein halbnackter Schlachter mit der Schweinehälfte auf der Schulter lief mit schnellen Schritten über Deck zur Reeling. Erst verschwand das Schwein und dann der Mageninhalt des Schlachters in den Fluten des Pazifiks. Haie und andere Meeresbewohner haben sich sicher über diese Gaben gefreut, während der Schlachter seinen Kumpanen fürchterliche Rache schwor, aber einen Tag später, wie alle anderen, über die Geschichte nur noch lachen konnte.
Das tiefblaue Wasser wechselte in die grau-braunen Fluten des Rio Guayas, die QUARTETT fuhr gegen eine starke Strömung flussaufwärts, um fast in Flussmitte vor der Stadt Guayaquil zu ankern.
Sofort kamen die Schlepper mit mehreren Schuten im Schlepptau, beladen mit Bananenstauden sowie den zum Ent- und Beladen nötigen Arbeitern und machten seitlich am Schiff fest.
An jeder Seite des Schiffs lagen so bis zu zwanzig Schuten, und alle wollten schnellstens ihre Ladung loswerden.
Die bis zu fünfzig Kilogramm schweren Stauden wurden auf den Schultern kräftiger Indios und Mischlinge über Laufstege durch die seitlichen Öffnungen in die Laderäume getragen und dort wie Weihnachtsbäume abgestellt, wobei fast auf jeden Arbeiter ein Aufpasser kam. Letztere standen aber meistens nur zusammen und diskutierten.
An Bord lief die Kühlung bereits auf vollen Touren und brachte auch die in den Stauden versteckten gar nicht so seltenen Schlangen, große Spinnen und sonstiges Viehzeug in eine Starre. Diese wachten dann zwei Wochen später, bei wärmeren Temperaturen in den Lagerhallen des Hamburger Hafens wieder auf und sorgten für einige Aufregung bei den Hafenarbeitern, besonders große Exemplare fanden Notiz im „Hamburger Abendblatt“ oder der „Bild“.
Mit den Schuten kamen auch die Zöllner, die nach einigen Tassen Kaffee oder Tee mit mehreren Stangen Zigaretten und einer Kiste Whisky als Geschenk des Kapitäns nach einer Stunde das Schiff wieder verließen. Jetzt war alles klar, und die richtigen Geschäfte des Kapitäns, des 1. Steuermanns und des Kochs konnten abgewickelt werden.

Bananen verladen in Guayaquil
Das Schiff hatte regulär dreiundvierzig Mann Besatzung und Platz für zwölf Passagiere. Für diese Personenzahl kamen für jede Rundreise in Hamburg die kompletten Lebensmittel und Getränke an Bord. Bei den meisten Überfahrten waren aber keine oder höchstens zwei bis fünf Passagiere und entsprechend weniger Besatzung an Bord. Nach Meinung des Kapitäns, des 1. Offiziers und des Kochs waren für die restliche Besatzung die mitgeführten Delikatessen, wie Lachs und Kaviar sowie Säfte, Weine und Sekte viel zu schade. Wenn dann der Chefkoch, wie allgemein üblich, auch noch am Essen für die Besatzung sparte, kamen pro Reise einige hundert Kilogramm dieser guten Sachen zusammen.

Bananenschuten in Guayaquil
In Guayaquil standen die Abnehmer für diese Waren schon bereit, wobei weder der Reeder noch die Deutschen Finanzämter vermutlich je von diesen Geschäften erfahren haben.
Auch auf einem Kühlschiff kann schon mal die Proviantkühlung ausfallen und die Lebensmittel verderben oder die Flaschen durch Seegang zerbrechen, so dass laut Eintragung in das Schiffstagebuch bei jeder Reise die zuvor verkauften Mengen über Bord entsorgt werden mussten.
Der Nebenverdienst des Kapitäns, des Chefkochs und einiger weiterer Personen dürfte durch diese Geschäfte höher als die normale Heuer gewesen sein.
Der Landgang in Guayaquil war nur über das Mitfahren mit den Händlern oder auf den Bananenschuten möglich, eine sehr umständliche Angelegenheit. Da die Stadt nach Aussage der älteren Kameraden auch wenig reizvoll war und nach den vorher besuchten Häfen kaum noch Geld zur Verfügung stand, blieben fast alle während der ungefähr zwei bis drei Tage dauernden Ladezeit an Bord.
Bei einer späteren Reise habe ich mir doch einmal die Mühe gemacht und mit einigen Kameraden einen Ausflug in die Stadt unternommen. Sie unterschied sich, wie vorhergesagt, nicht groß von den anderen uns bekannten Städten Südamerikas: breite saubere Straßen, große gepflegte Gebäude und für den abendlichen Bummel schöne Parks.
Durch die Verladung der Bananen verdienten alle gut und hatten Arbeit, es gab kaum Kriminalität, aber auch nicht das, was uns lockte, nämlich schöne Lokale mit den dazu gehörigen Mädchen.
So verbrachten wir die freie Zeit während des Beladens meistens schlafend, lesend und angelnd.
Die reichlich gefangenen Fische, eine Art kleiner grauer Welse, mit dickem Kopf und einem scharfen Stachel in der Rückenflosse mochte jedoch keiner essen, so dass sie alle wieder ihre Freiheit erlangten. Am fangergiebigsten waren nämlich die Stellen, wo die Fäkalien und Küchenabfälle aus dem Schiff in den Fluss geleitet wurden.
Die Rückreise mit dem voll beladenen Schiff verlief viel ruhiger, wenn auch für einige der Maschinenbesatzung Mehrarbeit anstand, denn in den Laderäumen mussten alle zwei Stunden durch einen Rundgang die Temperaturen überprüft und die Kühlung entsprechend eingestellt werden.
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