Morgenwerde ich auf dem Sofa von unserem neuen Zuhause träumen. Hoffentlich gibt es dort auch ein großes Sofa, auf das ich meinen müden Hundekörper betten kann. Und ganz wichtig ist, dass es in der Wohnung einen großen Kühlschrank und immer genügend Wasser geben wird. Und sicher werde ich davon träumen, wie wir mit dem kleinen blauen Gefährt in die Berge fahren werden. Ganz lange Bergtouren und unendlich vielen Picknicks. Ach, bin ich müde….
Die Grundzüge der Ökonomie und leinenführiges Gehen
Gesternschien nach langer Zeit einmal wieder die Sonne. Und das nicht nur ein bisschen. Nein, der Himmel wölbte sich tiefblau über uns. Alle Wolken waren wie weggeblasen. Das Wasser auf der Terrasse war verschwunden und die vielen nassen Tücher waren schnell getrocknet. Auf der Straße war kein Durchkommen, denn in einer langen Karawane wurden sämtliche Boote auf großen Anhängern wieder in den Hafen zurück gefahren. Plötzlich sahen wir auch die Berggipfel wieder, die in den letzten Tagen im grauen Regennass verschwunden waren. Ich merkte, dass Leonie am liebsten sofort ihre Sachen gepackt und zum Wandern gegangen wäre. “Oh ja, oh ja – lass uns wandern gehen”, dachte ich und hopste schon voller Vorfreude wild im Kreis herum.
Doch da läutete es an der Tür und der freundliche Makler stand vor Leonie. Gerne wäre ich an ihm hoch gesprungen, aber Leonie stand so vor mir, dass ein Absprung unmöglich wurde. Verflixt, manchmal, wenn sie mir jeden Spaß verdirbt, mag ich sie gar nicht. Sie sagt, ich sei nun bald 5 Jahre alt und dass ein Hund nicht Leute an der Haustür anspringt, hätten wir doch schon vor über vier Jahren in der Hundeschule gelernt. Daran kann ich mich beim besten Willen nicht mehr erinnern. Ich trollte mich auf mein Sofa. Und während ich auf dem Sofa über alte Hundeschulzeiten nachdachte, hörte ich mit meinem zweiten Schlappohr, dass der Makler Leonie mitteilte, dass nun unser Vermieter auch das Geld für die Elektrizität nicht mehr überwiesen hätte. Der Makler wolle sich bemühen, dass der Vermieter das noch rechtzeitig machen würde. Wir sollten uns jedoch schon mal darauf einstellen, dass wir nächste Woche ohne Strom in der Wohnung sein würden. Was bedeutet das nun wieder? Wahrscheinlich wird Leonie ihre Ernährung dann auf Rohkost umstellen müssen.
Heutehängt Leonie den ganzen Tag am Telefon. Es gibt so viele Dinge, die sie wegen der alten und der neuen Wohnung regeln muss. Wann werden wir endlich wieder wandern gehen? Leonie scheint manchmal ein wenig unzufrieden zu sein, da sie nicht genügend Arbeit hat. Dabei finde ich, dass sie mehr als genügend Arbeit hat. Den ganzen Tag ist sie beschäftigt und hat keine Zeit für mich. Was heißt da schon, zu wenig Arbeit? Das sind menschliche Probleme, die ich überhaupt nicht verstehen kann. Über nicht genügend Arbeit würde ich mich als Hund zunächst einmal freuen. “Und wovon kaufst Du dann Dein Futter?” fragt mich Leonie, wenn Sie an meinem Blick sieht, dass ich mich Ihrer Auffassung gar nicht anschließen mag. Seit wann kaufe ich Futter?
Aber sie hat natürlich Recht. Ich brauche einen Zweibeiner, der mich füttert und auf seinem Sofa schlafen lässt. Dafür braucht dieser Zweibeiner Geld. Und in unserem Fall braucht Leonie Arbeit, um Geld und damit Futter für mich zu kaufen. Ja, ich bin kein dummer Hund und verstehe langsam die Basics der Ökonomie. Wenn so ein Hundeleben nicht zu kurz wäre, könnte ich wahrscheinlich nach absolvierter Hundeschule noch einen Hochschulabschluss machen. Und wer weiß, vielleicht würde ich dann unser Geld verdienen. Leonie was sagst Du dazu? Spielverderberin – sie meint ich soll erst einmal die Basics der Hundeschule, wie leinenführiges Gehen und Nichtanspringen von Maklern üben.
Morgenwerde ich mich mal mit der Idee der Hunde Uni, die mich einfach nicht los lässt, näher befassen. Ich werde mich bei meinen Hundekumpels umhören, ob jemand eine Idee dazu hat. “Bildungsfreiheit für Hunde”, was für ein schöner Gedanke. Nur wer zahlt meine Studiengebühren?
Arme Hunde
Gesterngingen wir am Stadtrand spazieren. Es war so schrecklich, denn ich habe dort so viele arme Hundekumpels von mir gesehen. Die kanarischen Hunde leben einfach angekettet in kleinen dreckigen Boxen. Sie kommen in kein Haus und können nur in den einfachen Kisten ein wenig Schatten und Schutz finden. Ich verstehe gar nicht, warum sich die Menschen hier Hunde halten, wenn sie die dann nur in eine dreckige Box stecken.
Und stellt Euch vor, so etwas haben wir hier nicht zum ersten Mal gesehen. Bei unseren früheren Streifzügen über die kanarischen Inseln haben wir immer und immer wieder so viel Hundeelend gesehen. Ich kann die vielen armen Hundekumpels gar nicht zählen. Immer wenn wir wo etwas sehen und erleben müssen, sind Leonie und ich richtig unglücklich. Am liebsten würden wir dann alle Hunde losbinden und mitnehmen. Ich habe ja noch ein bisschen Platz auf dem Sofa. Aber Leonie meint, dass das juristisch nicht ginge. Was heißt da juristisch? Immerhin geht es um Hundeleben.
Leonie hat einen zweibeinigen Bekannten hier, der hat selber viele solcher armen Hunde aufgenommen. Er hat zurzeit vier kanarische Straßenhunde. Ab und zu schleicht er sich nachts zu Häusern, in denen die Hunde richtig misshandelt werden. Er befreit diese Hunde und übergibt sie dem Tierschutz. Ob das juristisch so in Ordnung ist, weiß ich nicht. Leonie hat da jedenfalls ihre Zweifel. Dennoch freuen Leonie uns richtig mit über jeden geretteten Hundekumpel.
Heutewaren wir endlich wieder wandern. Es war so schön, aus der Stadt rauszukommen und ein wenig frei im Gebirge herum zu laufen. Leonie suchte einen neuen Wanderweg, über den sie schreiben wollte. Wir gingen in einen sehr einsamen Barranco. Eigentlich gibt es dort gar keine Wanderwege, aber wir bahnten uns selber Wege. Leonie fing sich an Kakteen und den Büschen blutige Schrammen ein. Das konnte mir, mit meinem dicken Fell natürlich nicht passieren. Dafür nehme ich doch gerne ein paar Labradorhaare in der Wohnung in Kauf.
Wir kletterten weiter in die enge Schlucht hinab. Meine Leine verwickelte sich immer wieder in Gesträuch und Büschen. Leonie hatte nach einiger Zeit blutige Knie, was sie aber nicht davon abhielt, weiter einen Pfad durch das Gestrüpp zu bahnen. Nach zwei geschlagenen Stunden gab sie es endlich zu: ”Lasko – wir haben uns verlaufen”. Was heißt da wir? Ich hatte mich nicht verlaufen. Ich wusste genau, wo wir waren. Die Einzige ohne Plan war Leonie. Plötzlich tauchte aus einem Gebüsch ein kleiner Hirtenjunge mit seiner Ziegenherde auf.
Da Leonie mittlerweile ein wenig Spanisch spricht, konnte sie ihn nach den Weg fragen. Er erklärte ihr, wie wir wieder auf den Weg kommen könnten. Danach mussten wir zwar noch eine halbe Stunde in der Gegend herum kraxeln, aber dann waren wir wieder auf einem breiten Weg, der uns zurück auf die Straße führte. Das haben wir doch gut gemacht.
Morgenwerde ich mich von der Wildnis ausruhen und Leonie kann ihre Schrammen pflegen.
Keine Zeit
Gesternhatte Leonie wieder einmal keine Zeit für mich und ich musste allein mit meinem neuen Ball spielen. Nur Zweibeiner haben keine Zeit. Keine Zeit für dies. Keine Zeit für das. Hunde haben zum Glück alle Zeit der Welt. Wahrscheinlich setzen wir unsere Prioritäten einfach richtiger. Wenn Hund weiß, was Hund will, dann ist immer Zeit da. Und dabei habe ich sogar noch Zeit für einen Schönheitsschlaf über.
Vielleicht sollte ich Leonie mal ein bisschen in ihrem Zeitmanagement coachen. Dann hätte sie auch Zeit über. Und in dieser Zeit – das würde ich ihr schon beibiegen – würden wir zusammen ganz viele lange tolle Spaziergänge mit eingebauten Ball spielen machen.
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