HeuteMorgen saß Leonie an ihrem Notebook und dachte anscheinend über menschliche Werte nach. Diese Werte, wie Liebe, Freundschaft, Aktivität, Vitalität sind wohl für Zweibeiner ziemlich wichtig. Leonie schien sich jedoch nicht genau zwischen diesen einzelnen Werten entscheiden zu können und murmelte immer wieder irgendwelche neuen Wörter vor sich hin: „Anerkennung, Unabhängigkeit, Abenteuer, Kreativität, Gerechtigkeit, Verantwortlichkeit, sinnvolle Arbeit“, hörte ich sie vor sich hin sagen. Nach und nach wurde sie mit ihren Wortfetzen immer lauter, dass ich nicht in Ruhe schlafen konnte.
Schließlich fing ich aus Hundeverzweiflung selber an, über Werte nachzudenken. Hat ein Hund überhaupt Werte? Und wenn „ja“, welche? Ist Hunger ein Wert? Denn den habe ich immer und der scheint auch existenziell wichtig für mich zu sein. Was mache ich noch gerne? Ball spielen, laufen, mit anderen Hunden tollen…Spiel und Spaß – dahinter muss der Wert aktive Lebensfreude stecken. Fast hätte ich es vergessen. Ich lass mich gerne kraulen, mag schlafen, dösen, relaxen, Rudel liegen und träumen. Kurzum Ruhe. Nun noch schnell eine Werte Hierarchie und ich bin bei Fressen, Aktivität und Ruhe. So einfach geht das Leonie. Ich weiß gar nicht, worüber Du so lange nachdenken musst. Du solltest lieber endlich die Leine holen, damit ich unmittelbar vom Sofa aus der Ruhe in die Aktivität übergehen kann.
Morgenkommt hoffentlich die Sonne wieder, denn zu einer guten Ruhephase gehört bei einem Teneriffahund auch die Sonnenliege.
Ärger und Behördengänge werden abgeschüttelt
Gesternstürmte es weiter und die Wellen schlugen höher und höher gegen die Felsen. Der schöne Naturpool am Rand des Atlantiks war überhaupt nicht mehr zu sehen. Doch am Nachmittag kam endlich die Sonne für einige Zeit hinter den Wolken heraus und wir konnten einen langen Spaziergang machen. Als wir aus dem Haus gingen, kam plötzlich die Frau aus Nummer 18 auf uns zu und schrie Leonie an.
Sie schimpfte und schrie, dass Leonie den Ausgang nicht benutzen dürfe, da dort das Verbotsschild für Hunde hinge. Leider gibt es in unserem Haus mittlerweile keinen Ausgang ohne Verbotsschild für Hunde mehr. Das erklärte Leonie freundlich der Frau aus Nummer 18. Doch die schrie weiter in Englisch auf uns ein und kam mir dabei mit ihrem Zeigefinger, den sie immer gerne hochgestreckt durch die Gegend trägt, recht nahe. Sollte ich mal lecken? Ich ließ es dann jedoch. Zum einen wollte ich Leonie weiteren Ärger mit Nummer 18 ersparen. Und außerdem schmeckt Nummer 18 ganz bestimmt nicht besser als das englische Essen.
Leonie war nach dieser Begegnung richtig wütend. Eigentlich kann es ihr doch egal sein, was die Frau aus Nummer 18 sagt, denn wir ziehen bald aus. Könnte ich reden, würde ich Leonie sagen: Schüttele Dich, schüttele Dich und noch einmal: schüttele Dich. Habt Ihr das mal gesehen? Das ist der Weg, wie wir Hunde unseren Ärger ablegen. Wir können uns auch mächtig aufregen. Wenn ich zum Beispiel an meinem Lieblingsfeind vorbei gehe, dann steht mir auf dem Rücken eine richtige Wolfsmähne und ich könnte Amok laufen. Mein Blutdruck ist auf hundeachzig. Doch eine Minute später ist diese Emotion für mich eigentlich sinnlos, denn Lieblingsfeind ist außer Reichweite. Hundeachzig muss runter und ich beginne mit Gymnastik: den ganzen Körper schütteln, bis die Lefzen schlappern. Und der Ärger ist weg. So einfach ist das. Probiert es mal aus und Leonie sollte sich das auch hinter die Ohren schreiben.
Heutemuss Leonie irgendwelche Verträge wegen der Wohnung abschließen und läuft von der Bank zum Makler und wieder zurück. Dann muss sie noch zur Gemeinde zwecks Anmeldung und ganz viel mit dem jetzigen Bewohner der „Hütte“ sprechen. Alles sehr langweilig. Gut, dass wir Hunde keinen Schriftkram und keine Verwaltungsgänge erledigen müssen. „Nur gut“, sagt Leonie, „dass es hier keine Hundesteuer gibt.
Sonst müsste ich dich auch noch anmelden und wer weiß, wie viel Verwaltungsjahre das auf Teneriffa mit einem Verwaltungstier dauern würde“. Leonie scheint der spanischen Verwaltung ein wenig kritisch gegenüber zu stehen. „Hier muss man Nerven wie Drahtseile haben“, stöhnte sie heute Morgen. “Morgen, morgen” ist das Zauberwort. Also Leonie übe Dich ein wenig in Geduld. Das kann Dir überhaupt nicht schaden. Hau Dich eine Runde aufs Sofa und nach einem erquickenden Schlaf sieht die Welt schon wieder besser aus. Das ist mein Ratschlag, den Leonie leider – wie so häufig - ignoriert.
Auch bin ich im Moment kein Hiking Hund mehr, sondern ein Behörden(gang)tier. Ich hoffe nur, dass mir dieses faule Leben nicht langsam auf die Form schlägt. Aber mach ich mir als Hund wirklich Sorgen um mein Gewicht? Nee, ich heiße doch nicht Leonie.
Morgenwerden wir eine Probefahrt mit einem 20 Jahre alten Auto machen. Leonie hat es satt, immer Fahrzeug für uns ausleihen zu müssen. Sie meint, dass auf der Insel ein fahrbarer Untersatz her muss. Bus fahren können wir nicht, da Hunde hier im Bus verboten sind. Das müsst Ihr Euch mal vorstellen. Hunde dürfen nicht in einen Bus. Nicht einmal mit Maulkorb, wie in vielen anderen europäischen Ländern. Dann kann ich ja nur hoffen, dass der fahrbare Hundekäfig morgen einigermaßen tauglich ist.
Erlegte Beute, eine Flucht und eine Probefahrt
Gesternnach einem Tag voller Behördenstress wollte Leonie abends ausgehen. “Ich muss einfach mal raus und etwas anderes sehen”, sagte sie. Toll, toll, toll – ich machte Freudensprünge. Ein extra Spaziergang und vielleicht geht sie ja essen. Da dachte ich leider falsch. Leonie meint, dass sie in letzter Zeit viel zu viel mit ihrem Besuch gegessen hat. Nun versucht sie anscheinend weniger zu essen. Aber muss man denn unseren Lieblingsspanier einsparen? Schade, dass sie mir nicht die Entscheidung überlässt, was wir essen. Ich würde schon dafür sorgen, dass der Kühlschrank immer gut gefüllt ist und die richtigen Restaurants besucht werden.
Leonie wollte gestern einfach nur mal am Meer entlang gehen und auf die großen Wellen schauen. Leise und ganz vorsichtig schlichen wir uns aus der Tür, damit es nicht wieder zusätzlichen Stress mit Nummer 18 gibt. Ganz ganz leise. Da entdeckte ich vor der Tür ein tolles Spielzeug – eine Plastikflasche. “Spaß pur”, kann ich Euch sagen. Ich biss hinein. Schleuderte die erlegte Flasche durch die Gegend. Fing sie wieder ein und biss sie tot. Zugegebener Maßen kann so ein Tötungsakt nicht ganz lautlos geschehen. Und wie es kommen musste, Nummer 18 Mann steckte den Kopf aus der Tür, um zu sehen, was da auf dem Flur für ein Lärm ist. Leonie riss mich an der Leine und rannte mit mir was das Zeug hielt. Nummer 18 nahm die Verfolgung auf. Aber wenn Leonie eines kann – dann ist es rennen. Natürlich hatte Nummer 18 weder eine Chance gegen Leonie und über mich brauchen wir wohl nicht reden. Nur blöde, dass er meine Beute, die tote Flasche, die ich ausversehen bei unserer Flucht aus dem Maul verloren habe, behalten hat.
Heutehaben wir eine Probefahrt in einem kleinen blauen alten Auto gemacht. Der Mann, dem das Auto noch gehört, legte die Rücksitze extra für mich um. Und siehe da, der Wagen bot einen komfortablen hinteren Hundeeinstieg, genügend Platz für mich und wenn es sein muss – auch noch für meine Transportbox. Das Probeliegen fiel zu meiner vollsten Zufriedenheit aus und so stand einem Kauf dieses kleinen Transportgefährts nichts mehr im Weg. Technische Details interessieren mich weniger und Leonie hat davon sowieso keine Ahnung. Aber das sage ich ihr besser nicht. Da auf Teneriffa die Ummeldung eines Autos, erforderliche technische Prüfungen und weitere Formalitäten eine ganze Zeit dauern werden, können wir leider diesen blauen fahrbaren Hundekäfig erst Ende des Monats unser eigen nennen.
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