Einige Statuen lagen zertrümmert und geborsten am Boden, hunderte Jahre alte Schätze, einfach zerstört. Und es waren nicht einmal die Schätze des Feindes, welche dort zersplittert auf dem Boden lagen. An die meisten Gänge und Räume konnte sich Ardik kaum noch erinnern, so hektisch hatte er sich durch sie hindurch gekämpft, sodass er nun kaum noch den Ausgang fand. Das Wimmern der Verwundeten, das jauchzen derer die ihnen zu helfen versuchten. Es war schrecklich mit anzuhören, die Soldaten hatten notdürftige Lazarette in den großen Speisesälen und Kasernen errichtet, um die verletzten dort zu versorgen. Oft musste sich Ardik den gesamten Ärmel seines Kettenhemdes vor Mund und Nase halten, um nicht einem Anfall von Brechreiz zu erliegen. Denn teilweise zog ein derart widerlicher Gestank durch das Gebäude, das es selbst einen Hojok das Fürchten gelehrt hätte. Es war keine gewöhnliche Schlacht gewesen, so viel war nun sicher, eine derart schnelle Eroberung hätte sich das beste Heer nur wünschen können, zweifelsohne hatten die Drachen einen besonderen Teil dazu beigetragen. In der Ferne erkannte Ardik etwas, eine in schwarz gekleidete Gestalt, welche, gefolgt von einem kleinen Trupp Soldaten den Hauptgang hinunter hastete „Daria!“ Rief Ardik aus und wunderte sich selbst über seinen lauten Ton. Die Asteri nickte, bevor sie sich ihm weiter näherte, in ihren Zügen lag das freudige Gefühl des Sieges, doch auch die bedrückende Last einer merkwürdigen Trauer. Ihre blauen Augen schienen zu funkeln als sie sprach „Aventos hat uns den Sieg geschenkt“ „Nicht nur er..“ „Die Unterstadt ist gesichert, wir haben viele Tote zu beklagen, und noch mehr feindliche Gefangene, sie legten ihre Waffen freiwillig nieder, als sie sahen, dass wir die Drachen auf unserer Seite hatten“ antwortete Daria. Sie bedeutete ihren Männern wegzutreten, welche diesen Befehl auch unter dem leichten Klappern ihrer Rüstungen befolgten „Wir haben es geschafft, Winterwacht ist unser!“ Daria verschränkte auf diese Aussage hin die Arme „Zu einem viel zu hohen Preis, ohne Verstärkung werden wir die Stadt nicht lange halten können“ „Dann werden wir halt örtliche Bürger einziehen müssen, und ich bin mir sicher, dass die meisten freiwillig unserem Heer beitreten werden, und sicherlich auch jetzt schon wollen. Wichtig ist aber nur...“ fuhr Ardik fort „Dass wir das erste Stück Boden erobert haben, die erste Stadt, die erste Bastion“ „Arkanol wird alles tun, um das wieder rückgängig zu machen, sei dir da sicher“ Gab Daria zurück und steckte einen ihrer Langdolche, welchen sie immer noch in der Hand hielt zurück an den Gürtel „Dann werden wir die Stadt ausrüsten, es wird doch nicht so schwer sein eine ordentliche Verteidigung aufzubauen“ „Nein, das ist auch nicht das Problem, aber“ Sie stockte, während sie einige Male tief Luft nahm „Dafür ist jetzt keine Zeit, es gibt da jemanden mit dem du sprechen solltest“ „Und der wäre?“ Sie zögerte, das konnte Ardik erkennen „Es ist besser wenn du es selbst erfährst, er hat darauf bestanden mit dir alleine zu reden. Begib dich am besten direkt zum südlichen Balkon“ „Ja aber...“ „Ich kann dir nicht mehr erzählen, tu einfach was er gesagt hat“ Ardik nickte kurz und begann in Richtung des östlichen Flügels der Festung zu stapfen. Einmal wieder durchfuhr ihn ein merkwürdiges Frösteln, er hatte in den letzten Tagen so viel erlebt, dass dies für ein ganzes Leben gereicht hätte, doch nicht für sein Leben wie es schien. Er strich sich mit dem Handrücken über das Gesicht, als ihm der eiskalte Wind entgegen pfiff und seinen schwarzen Umhang wild hin und her flattern ließ. Vom südlichen Balkon aus, hatte man keinen vergleichbaren Blick wie vom westlichen, denn hier schaute man nur in Richtung der Küstenregion Úsmi Nan. Das Meer war noch viel zu weit entfernt, als dass man es hätte erblicken können, doch die ersten Ausläufer der großen Fjorde waren bereits zu erkennen. So in Gedanken versunken sprang er zurück, als plötzlich ein lautes Rummsen und das Geräusch von berstendem Stein in alle Himmelsrichtungen schallte. Etwas war vor Ardik gelandet, doch vor Staub konnte er noch nichts erkennen, als sich jedoch die dicken Schwaden an grauen Wolken vor seinem Gesicht lichteten, erkannte er, dass vor ihm ein etwa 10 Meter langer Drache, mit dunkelrot schimmernden Schuppen gelandet war. Ardik stockte der Atem und er rang nach Worten, aber das brauchte er nicht, denn schon nach wenigen Sekunden erschallte eine Stimme in seinem Kopf „Vennelig Vaargast. Ich bin Tyr. Drakon, stämma Rok ar Irsia“ „Vennelig“ antwortete Ardik und fuhr fort „Ich bin Ardik, stämma Regnor ar Eistla Vaargast“ Er war froh das er nun auch den Namen seiner Mutter kannte, Daria hatte ihn ihm auf ihrer Reise nach Winterwacht offenbart „Ich habe seit hunderten von Jahren keinen Kontakt mehr mit einem Menschen gehabt, euer Geist fühlt sich immer noch so verwirrt an wie damals. Ihr alle wart sehr verwirrt“ Ardik wusste nicht was der Drache damit meinte, und er wollte es auch nicht. Ihm klafften so unglaublich viele offene Fragen in Seele „Ihr wolltet mich sprechen?“ „Das wollte ich Vaargast, denn es ist wichtig, wichtiger als alles andere momentan“ „Beantwortet mir vorher einige Fragen“ erklärte Ardik „Ich werde euch sagen was ich kann“ Mit dieser Antwort hatte er nicht gerechnet, und genauso verlegen war er nun, was seine Fragen anging „Wa...warum habt ihr uns geholfen?“ Tyr senkte den Kopf und legte ihn behutsam auf den kahlen Steinboden, während die Zacken an der Unterseite seines Maules über den Boden kratzten wie eisiger Stahl „Wir haben noch eine Schuld bei euch offen, ohne euren Vorfahren Tartunax wären wir niemals dorthin gekommen wo wir heute sind, und der Krieg hätte kein Ende gefunden. Daher ist es nur gerecht, dass wir eurem Volk nun helfen, sich gegen die Unterdrücker zur Wehr zu setzen, obwohl das bald unser kleinstes Problem sein wird“ Dies warf mehr Fragen auf, als es ihm Antworten brachte „Es ist auch nicht wichtig warum wir es tun, sondern was wir tun. Es ist ein Krieg im Anmarsch, größer und gewaltiger als alles was ihr je erlebt habt. Wir sind zurückgekehrt, wir mussten zurückkehren, denn Aventos größter Feind hat es ebenfalls“ „Ihr redet von Mutran?“ Wollte Ardik wissen „Genau, wir konnten unseren Krieg damals nicht zu Ende führen, dies muss nun in eurem Zeitalter geschehen. Die Heere versammeln sich, von Norden, Süden und Osten zieht Mutran seine Anhänger zusammen, von Norden, Süden und Osten versammelt Aventos, unser Allvater seine Heere, nur Tarna, Tarna schläft noch. Ihr Vaargast habt eine Aufgabe zu erfüllen“ „Das habe ich bis jetzt des öfteren gehört“ Der Drache schnaubte kurz, wobei kleine, weiße Rauchwolken aus seinen Nüstern stiegen „Ihr kennt das Ausmaß nicht, tharn witth ni bi ref slag“ „Welche Rolle sollen ich und meine Leute in diesem Krieg spielen?“ „Dieselbe wie vor 400 Jahren, nur gemeinsam können wir Mutran aufhalten, nur gemeinsam das Dunkel bannen“ „Was genau ist euer Plan Tyr?“ Gab Ardik als Frage zurück „Ihr müsst lernen, sehr viel lernen, wichtig ist, dass ihr eure Ausbildung vollendet bevor es zu spät ist“ „Was genau wollt ihr Drache?“ „Ich will, dass ihr mit mir nach Nortagard kommt, dort werdet ihr eure Ausbildung beenden können und zu einem wahren Asteri werden, und nur so werdet ihr in der Lage sein an unserer Seite gegen Mutran und seine Heerschaaren in die Schlacht zu ziehen“ Ardiks Herz begann zu rasen, bis es ihm bis zum Hals zu klopfen schien „Nordland? Es gibt ihn wirklich den Nordkontinent?“ „Ja, ihr Menschen aus Tarna, allem voran die Alranen kamen aus Nordland. Sie setzten mit einer riesigen Flotte über den Ozean. Das ist aber schon viele tausend Jahre her. Seit dem wisst ihr nichts mehr von diesem wundersamen Kontinent.
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