26. Juni 2016 – Alessia – Das Urteil
21. Mai 2016 – Offene Wüste – Mathéos Ambitionen
10. Februar 2017 – Zarifa: Großes Tal: Herrenhaus – Eine plötzliche Reise
Namensverzeichnis Rayan – Der einsame Falke
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Weitere Bücher der Rayan – Reihe
Impressum neobooks
Liebe Freunde,
ich hatte gedacht, die Erstellung von Band 6 habe sich lange hingezogen, aber nun habe ich für den siebten Band sogar fast drei Jahre gebraucht.
Ganz herzlichen Dank an alle, die mich in dieser Zeit unterstützt und weiter an mich geglaubt haben.
An erster Stelle muss da natürlich Micha genannt werden – Micha, ganz lieben Dank für deine aufmunternden Worte, du hast es wirklich verstanden, mich immer wieder zu motivieren.
Ein Dankeschön auch an Doktor Schabenberger aus Altusried, den ich bezüglich der medizinischen Themen um Rat fragen durfte.
Des Weiteren muss ich zugeben, dass Rayan ohne meine Testleser Oli, Eva und natürlich meinen Ehemann nicht das Gleiche wäre. Alle drei haben selber genug um die Ohren, umso mehr freut es mich, dass ihr euch die Zeit genommen habt – vielen Dank dafür.
Rayan-Fans wissen schon, dass ich versuche, Bezüge zu vergangenen Geschichten so zu wiederholen, dass diejenigen, die die anderen Bücher nicht gelesen haben, die Zusammenhänge nachvollziehen können. Trotzdem möchte ich empfehlen, auch die Bände 1 bis 6 zu lesen, denn inzwischen umfasst Rayans Welt so viele Personen, Handlungsstränge und Zusammenhänge, dass man deren Bedeutung nur erfassen kann, wenn man miterlebt hat, wie sie sich immer weiterentwickelt und aufgebaut haben.
Die Ereignisse des siebten Bandes haben sich als derart umfangreich herausgestellt, dass ich ihn in zwei Teile aufspalten musste. Anbei findet ihr also den ersten Teil. Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen!
Zuletzt wie immer der Hinweis, dass „Rayan – Der einsame Falke“ einige nicht jugendfreie Szenen enthält, in denen Gewalt oder sexuelle Handlungen beschrieben werden. Ich bitte um entsprechend altersgerechte Handhabung!
Eure Indira, Oktober 2020
(2.Überarbeitung 23.12.2020)
“ I live in two different worlds
One that I may regret and the one that I won’t forget
Two different worlds, but I can’t live in both,
I know One world I must let go.”
(Foreigner – Two Different Worlds)
Mai 1989 – Zarifa: Bergwelt – Die volle Wucht des Zorns
Scheich Sedat Suekran al Medina y Nayran sah mit starrer Miene auf die Gefangenen, die seine Männer im Laufe der letzten Tage zusammengetrieben hatten. Stolz stand er hochaufgerichtet da und bewegte sich nicht. Wie ein Reiterstandbild der Helden aus alten Zeiten. Nur der Wind zerrte von Zeit zu Zeit an seinem Gewand, ansonsten verharrte er vollkommen reglos. Für die Tarmanen, wie auch die überwältigten Rebellen, sah es aus, als blicke er voller Genugtuung von der kleinen Felserhebung aus auf sie herunter – zufrieden angesichts seines Sieges. Und genau diesen Eindruck wollte er – nein, musste er! – auch vermitteln. Denn er musste nun Stärke zeigen, um weitere kriegerische Auseinandersetzungen in seinem Volk zu verhindern. In seinem Inneren jedoch sah es ganz anders aus: Im Grund nahm er die Geschehnisse um sich herum kaum wahr. Seine stolze Haltung war zu einem Automatismus geworden. Nun machte sich die unerbittliche Erziehung seines Vaters bemerkbar, der ihm stets eingebläut hatte, niemals und unter keinen Umständen wahre Gefühle zu zeigen. „Ein Anführer kann sich den Luxus persönlicher Empfindungen nicht erlauben. Du bist geboren, um zu herrschen – also herrsche!“, waren die Worte gewesen, die Sedat so oft hatte hören müssen.
Dank jahrelanger Einübung der absoluten Körperbeherrschung schaffte er es nun, irgendwie auf den Beinen zu bleiben. Denn am liebsten würde er kraftlos zu Boden sinken und sich ganz seinem Schmerz hingeben. War es nicht ironisch, dass seine Selbstbeherrschung nun sein einziger Schutz war, obgleich sie noch vor wenigen Tagen sein Fluch gewesen war? Was wäre so schlimm daran gewesen, seinen Sohn, seinen einzigen Erben, sofort losbinden zu lassen und ihn in den Arm zu nehmen? Rayan! Der Name hallte durch sein Gehirn wie ein Donnergrollen. Er war es gewesen, der diesen Namen zum Tabu erklärt hatte. Und nicht nur den Namen! Vor allem auch den Jungen, der ihn trug. Dieses unglaubliche Kind, das seiner Mutter, seiner verstorbenen Ehefrau Miriam, so ähnlich war. Warum hatte er weiter auf dessen Verbannung beharrt? Er hätte ihm sofort medizinische Versorgung zukommen lassen müssen. Das wäre seine verdammte Pflicht als Vater gewesen!
Somit hatte er seinen Sohn gleich zweimal im Stich gelassen: Zunächst, als er ihn vor zwei Jahren durch seine Strenge förmlich in die Flucht getrieben hatte, und nun erneut. Er verstand, dass er sich mit seinem Fehlverhalten gegen Allahs Willen gestellt und nun die gerechte Strafe dafür erhalten hatte: Sein Sohn war tot; gestorben durch Sedats eigene Hand. Dass nicht er selbst die Peitsche geführt hatte, sondern einer seiner Männer, und er zudem viel zu spät über die Ereignisse um Rayans Ergreifung informiert worden war, spielte keine Rolle. Die Männer hatten lediglich das getan, was er ihnen befohlen hatte. Also gab es nur einen einzigen Schuldigen: er selbst. „Ich habe meinen Sohn getötet“, dieser Satz war ihm in den letzten Tagen so oft durch den Kopf gegangen, dass er es nicht mehr zählen konnte. Und trotzdem drang die volle Bedeutung dieser Information erst jetzt, angesichts dieser „Rebellen“, zu ihm durch. Diese Menschen sahen kein bisschen gefährlich aus. Wieso hatte er sie derart gehasst und so verbissen gejagt? Hätte er sich nicht diesem Hass hingegeben, hätte es ihn nicht so erzürnt, dass sich sein Sohn ausgerechnet diesen Abtrünnigen angeschlossen hatte. Und nun war Rayan tot, und mit ihm auch Sedats Zukunft und die seiner Familie.
Vor seinem geistigen Auge war Rayan schon bei seiner Geburt dazu bestimmt gewesen, einst ein großer Herrscher zu sein, der von allen Stämmen geachtet und gefürchtet werden würde. Doch stattdessen hatte Sedat vor wenigen Tagen fassungslos an dem frischen Grab gekniet und über sich und sein elendiges Leben nachgedacht. Wann war er so grausam wie sein Vater geworden? Sedat kannte die Antwort: mit dem Tod von Miriam. Erst jetzt, wo die tragischen Ereignisse seine Augen weit geöffnet hatten, erkannte er, dass er auch damals schon als Vater versagt hatte. Anstatt für seinen Sohn da zu sein, der vermutlich unter dem Verlust seiner Mutter genauso gelitten hatte wie Sedat selbst, hatte er ihn von sich gewiesen. Statt ihm Liebe zu geben, hatte er ihn mit unnachgiebiger Strenge gezüchtigt.
Als einzige Entschuldigung konnte Sedat vorbringen, dass er nicht eigennützig gewesen war, denn woran er gedacht hatte, war die Zukunft seines Stammes gewesen: Sein einziger Erbe musste zu einem harten Mann werden, um einst ein starker Anführer zu werden. Sedat war nicht bewusst gewesen, wie sehr er diese „Ausbildung“ übertrieben hatte. Rayans verzweifelte Flucht in die Berge hätte ihn wachrütteln müssen, doch sein übermächtiger Stolz hatte ihn nur wahrnehmen lassen, was die Krieger vielleicht denken mochten: Wenn er nicht in der Lage war, seinen eigenen Sohn zu bändigen, wie sollte er dann über das Volk herrschen?
Somit hatte er die Flucht nicht als Ausdruck der Verzweiflung seines Erstgeborenen gesehen, sondern als Herausforderung. Er war davon besessen gewesen, dass Rayan ihn beschämt hatte. In seiner Arroganz hatte er noch prophezeit, dass Rayan innerhalb weniger Tage „reuig zurückgekrochen“ käme und sich damit gebrüstet, wie sehr er ihn dann bestrafen würde. Voller Entsetzen vor seinem eigenen Ich, erkannte Sedat in diesem Moment, dass dies keine leeren Worte gewesen waren. Wäre der Junge zurückgekommen, hätte er ihn mit Sicherheit die volle Wucht seines Zorns spüren lassen. Es war also kein Wunder, dass seine Männer sich seine Drohungen zu Herzen genommen und Rayan misshandelt hatten. Sedat ekelte sich vor sich selbst. Überdeutlich erinnerte sich der Scheich an den Blick des jungen Mannes namens Djadi an diesem vermaledeiten Nachmittag vor wenigen Tagen, der ihn, noch mit der Peitsche in der Hand, voller Stolz angesehen hatte, heischend nach Sedats Anerkennung, wie nachhaltig er die befohlene Bestrafung durchgeführt hatte.
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