Kovacic lachte.
„Man muss natürlich in Betracht ziehen, dass die beiden keine selbstständig entscheidenden Eigentümer der Bank sind“, warf Vogel ein. „Die müssen jeden Schritt mit der Unternehmensleitung absprechen.“
„Das ist richtig“, bestätigte Kovacic, „allerdings wird es so sein, dass man in der Bank auf seine Einschätzung hören wird. Insofern ist es schon wichtig, was er denkt.“
„Wenn wir eine gute Aussicht aus dem nächsten Termin mitnehmen wollen, sollten wir den Punkt, mit den fehlenden Partnern weglassen“, schlug Vogel vor.
Lenz meinte, dass man das durchaus tun könne. Wenn es aber so sei, dass man keine weiteren Kooperationspartner bekäme, musste die Sache ohnehin auf den Tisch. Ihm sei es darum gegangen, vorzufühlen, wie sich eine Bank in diesem Fall verhielte. Die bisherigen Gespräche seien ja alle in dieselbe Richtung gelaufen. Er ärgere sich darüber, dass kleine, aber solide Unternehmen gezwungen seien, auf der Stelle zu treten, nur weil eine Bank nicht die Eier habe, einer Vision zu folgen.
Eine Weile war es still im Raum. Sie beschlossen, das soeben geführte Bankgespräch nochmals zu analysieren und zu überlegen, was sie beim nächsten Termin besser machen könnten.
*
Das Gespräch mit dem Genossenschaftlichen Kreditinstitut Bremen nahm einen ähnlichen Verlauf. Die Banker lehnten es sogar schon während der Diskussion ab, mit den beiden kleinen Unternehmen einen Kreditvertrag abzuschließen. Sie hatten stattdessen ein Konzept im Kopf: Die Bank würde als Leasinggeber und Generalunternehmer auftreten – Lenz, Vogel und Kovacic wären mit ihren Firmen das Konsortium, das sich um die Realisierung kümmere. Sie hätten freie Hand bei der Wahl der Subunternehmen.
Vogel gefiel die Idee, er nickte zustimmend zu den Worten des Bankers und wandte sich mit einem Lächeln in Richtung seiner Partner. Er sah Lenz’ Blick und ihm war klar, dass der ganz anders darüber dachte. Vogels Lächeln erlosch. Es entstand eine kurze Pause, in der er unsicher zwischen den Bankern, Kovacic und Lenz hin und her blickte.
Lenz' Gesicht verzog sich zu einer boshaften Fratze. Er brüllte los: „Ich glaube, Sie haben nicht mehr alle Latten im Zaun.“
Jeder im Raum, bis auf Kovacic, zuckte zusammen. Die Banker sahen ihn entsetzt an.
Lenz knallte mit der flachen Hand auf die Tischplatte. Geschirr, Flaschen und Gläser klapperten und kippten zum Teil um.
„Wir versuchen unsere Existenz für die nächsten Jahrzehnte zu planen und Ihnen dabei ein gutes Zinsgeschäft zu bieten. Und Sie haben nichts Besseres zu tun, als kleine Unternehmen klein zu halten und sie zu austauschbaren Idioten eines Big Deals zu degradieren.“
Angespanntes Schweigen. Lenz stand aufgestützt am Tisch und fixierte die Banker. Seine Augen funkelten vor Zorn.
Der ältere von ihnen fing sich zuerst. Der unsichere Griff zum Krawattenknoten spiegelte sein Unbehagen. Mit den flachen Händen versuchte er die ohnehin exakt übereinanderliegenden Blätter vor sich, zu einem noch perfekteren Stapel zusammenzuschieben. Er legte sich einen diplomatischen Fortgang des Gesprächs zurecht: „Aber davon kann doch keine Rede sein ...“
„Ach halten Sie doch die Klappe und verschwinden Sie“, fuhr ihm Lenz über den Mund. Er wandte sich ab, ging ans Fenster und sah ins Leere.
Die Banker sahen sich hilflos an. Schließlich standen sie auf und verließen wortlos den Raum. Lenz stand mit beiden Händen in den Hosentaschen am Fenster und wippte von den Zehenspitzen auf die Fersen.
Nach einer kurzen Pause sagte Kovacic: „Ich denke, dass wir die Herren nicht mehr für einen Vertrag gewinnen können.“
„Solche arroganten Säcke. Bedenken bis zum Geht-nicht-mehr, aber selbst den Reibach machen wollen. Und wenn wir nicht so funktionieren, wie die sich das vorstellen, haben sie sicherlich eine raffinierte Klausel im Kleingedruckten, mit der sie uns austauschen.“ Lenz war außer sich, gestikulierte wild und schlug mit der flachen Hand auf den Fensterrahmen.
Vogel hatte ihn nie so erlebt. Er kannte ihn als glatten und eiskalten Typen – tobend und offen aggressiv sah er ihn zum ersten Mal. Vogel klopfte das Herz bis zum Hals. Kovacic ging an den Wandschrank, goss drei Gläser Whiskey ein und gab in jedes Glas zwei Eiswürfel. Er reichte Lenz ein Glas und eines Vogel. Dann stieß er mit beiden an.
„Jetzt trinken wir mal einen zum Runterkommen“, sagte Kovacic und legte Lenz die Hand auf die Schulter.
„Ärgert Sie so ein Scheiß’ nicht?“, fragte er Kovacic mit immer noch gereiztem Ton.
Nach einer Pause antwortete der: „Ich hätte vermutlich ebenfalls das Gespräch beendet, wenn auch eine Spur diplomatischer. Sie sind mit dem Projekt schon länger und intensiver verbunden als ich. Wie stark, das habe ich nun endgültig begriffen.“
„Und dein Grinsen, Jonathan, das hat das Fass zum Überlaufen gebracht“, sagte Lenz mit drohendem Zeigefinger. Dabei machte er einen Schritt auf Vogel zu. „Du bist für solche Typen das gefundene Fressen. Wenn du brav bist, bekommst du von diesen Deppen ein Stück Hundekuchen. Wenn du nicht lieb bist, gibt’s einen Klaps auf das Schnäuzchen. Und wenn es dann immer noch nicht geht, binden sie das Hündchen Jonathan irgendwo auf einem Autobahnrastplatz an und lassen es zurück.“
„Joachim, jetzt reicht es aber mal langsam. Ich bin auch nicht dein Hündchen“, antwortete Vogel mit erregter Stimme und kippte den Whiskey in einem Zug hinunter. Er war hilflos, wenn er zornig war. Damit war er auch schon in seiner Ehe stets der Unterlegene gewesen.
„Noch einen?“, fragte Kovacic und hielt ihm die Flasche hin.
„Ja, bitte.“
Kovacic goss Vogels Glas nach und hielt die Flasche fragend in Richtung Lenz. Der kippte seinen Whiskey ebenfalls hinunter und hielt ihm das leere Glas hin.
„Herr Lenz, Sie wissen, dass auch ich, wie Herr Vogel, einen Familienbetrieb übernommen habe. Da sieht man manche Dinge anders als jemand, der in großen Unternehmen gearbeitet hat. Seien Sie nicht ungerecht zu Ihrem Kompagnon. Er ist ein ausgezeichneter Baumeister, Sie sind der Visionär. Das ist eine hervorragende Mischung für ein erfolgreiches Unternehmertum.“ Er stieß erneut mit beiden an.
„Sorry“, sagte Lenz zu Vogel, ohne es wirklich so zu meinen.
Hamburg, Mittwoch 30. April 2008, 19.00 Uhr
In den nächsten Tagen war Vogel intensiv vom Tagesgeschäft in Anspruch genommen. Lenz war zeitweise mit ihm auf den Baustellen und kritisierte alles und jeden. Er hatte sich seit dem Bremer Bankentermin nur halbherzig um Folgeaufträge bemüht. Vogel bemerkte, dass er bei der Akquisition in der Vergangenheit entschlossener war. Offenbar brütete er darüber, wie er seinem großen Ziel doch näher kommen konnte.
Lenz versuchte nicht, neue Gespräche mit möglichen Partnern für ein Konsortium herbeizuführen. Er vereinbarte auch keine Termine mit Banken. Im Gegenteil, die Zusammenkünfte, die abgesprochen waren, sagte er ab. Er machte einen ständig gereizten Eindruck.
Am Abend bestellte er eine Escort-Lady ins Surprise. Er musste sich unbedingt seinen Kopf freibumsen. Er nahm die Prostituierte ungewöhnlich grob ran und ließ sich von anderen Frauen, die mit ihren Männern da waren, anfassen. Eine dieser Damen, die oft zugegen waren und mit denen er schon rumgemacht hatte, ging offensiv auf ihn zu. Ihre Erfahrung mit Lenz war ausgesprochen angenehm gewesen, das wollte sie wiederholen. Ihm erschien sie eigentlich zu alt und zu übergewichtig. Nun strebte er aggressiven Sex an, da war ihm jede recht. Er nahm die Frau sehr grob und mit harten Praktiken. Sie bezahlte nun für seinen Frust. Für den Ehemann, der gern anderen beim Sex mit seiner Gattin zusah, wirkte es wie eine Vergewaltigung. Das überraschte Gesicht der Frau deutete er irrtümlich als Ausdruck ihrer Lust. Verunsichert verließ er den Raum.
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