„Das habe ich im Internet bereits gesehen und es ist der Grund, weswegen ich heute bei ihnen bin“, nahm Lenz den Faden auf.
„Sie haben es erwähnt, Sie planen ein Bieterkonsortium für ein Großprojekt in Hamburg“, sagte Kovacic. „Das hat sich gut angehört. Zwei größere Objekte dieser Art wurden schon durch uns ausgestattet.“
Lenz erläuterte, was er geplant hatte. Er erwähnte auch, dass er ursprünglich erwogen habe, die Sache mit seinem Kompagnon allein durchzuziehen und er berichtete von den schwierigen Gesprächen mit den Banken. Er wisse nicht, wie es um die Kapitalausstattung von Kovacic bestellt sei. Er, Lenz sei aber auch innerhalb eines Konsortiums auf Fremdkapital angewiesen. Er habe im Angestelltenverhältnis bereits überall auf der Welt solche Projekte realisiert.
Kovacic kannte den Namen Schell Facility. Es gäbe zwischen dem Unternehmen und seinem eigenen große Schnittmengen. Das sei so eine Unternehmensgröße, die er selbst immer angestrebt habe. So ein Projekt wie das in Hamburg ist der nächste Schritt in diese Richtung. Er würde gern dabei sein – auch mit der Aussicht als Leasinggeber Geld zu verdienen.
‚Endlich’, dachte Lenz, ‚ein Unternehmer, der die Bezeichnung auch verdient’.
„Ich möchte nicht indiskret klingen“, Lenz sah Kovacic an, „ich bin finanziell nicht in der Lage eine so große Kapitalmenge aus eigenen Mitteln aufzubringen. Können Sie das Geld bringen?“
„Nein“, antwortete Kovacic, „ich bin zwar kein armer Mann, neunzig Prozent meines Kapitals stecken aber im Unternehmen und in meinem Wohnhaus.“
„Das ist dann natürlich angenehm, wenn wir auf Augenhöhe operieren können.“
Lenz berichtete nun detailliert von dem Objekt in Hamburg. An der Körpersprache Kovacic’ konnte er großes Interesse ablesen. Er erzählte von vielen vergeblichen Bemühungen, ein Konsortium zusammenzubringen. Und er gab eine Einschätzung des Kapitalbedarfs, der Kosten, der Verzinsung und eines möglichen Gewinns. Kovacic schien auch jetzt noch nicht zu wanken.
„Herr Kovacic, ich will Ihre Zeit nicht unnötig strapazieren, das waren viele Fakten und es war ein überaus beflügelndes Gespräch für mich. Ich würde ihnen die Unterlagen überlassen. Sie sehen sich das in Ruhe an und wir telefonieren in dieser Woche noch mal.“
„Das tun wir“, antwortete Kovacic, „ich möchte Sie jedoch nicht einfach entschwinden lassen. Ich hatte mir vorher überlegt, dass wenn unser Gespräch interessant verläuft und ich mit Ihnen gut auskomme, wir vielleicht noch einen Happen essen gehen könnten. Wir haben in Bremen ein kleines historisches Viertel, den Schnoor. Dort gibt es ein ausgezeichnetes Restaurant mit norddeutscher Küche.“
„Das nehme ich sehr gern an, vom Schnoor habe ich schon gehört“, strahlte Lenz. „Ich bin noch ein wenig neugierig auf Ihr Unternehmen. Geben Sie mir eine schnelle Führung?“
Kovacic führte Lenz durch das Gebäude. Wie er vermutet hatte, waren im ersten Stockwerk Lagerräume. Jedoch anders, als er dachte, war das weniger ein Lager für den eigenen Bedarf, als vielmehr ein separates Profit Center. Hier hatte er einen Vertrieb für Elektrotechnik. Den Hauptumsatz machte er via Internet. Das Erdgeschoss war eine große Werkstatt, in der Montagen ausgeführt und große Einbauten vorbereitet wurden.
Beim Gang durch den Betrieb fiel Lenz auf, dass die Mitarbeiter kein offenes Verhältnis zu Kovacic hatten. Er ging durch die Räume wie ein Patriarch und man begegnete ihm mit ängstlichem Respekt. Sieh mal an, dachte Lenz. Die Truppe kuscht ganz schön. So muss es laufen.
Beim Essen besprachen Sie, dass beide getrennt versuchen wollten, nach interessierten Partnern Ausschau zu halten. Nach dem Essen und einer kurzen Besichtigung des Schnoor-Viertels, fuhren Sie zu Kovacic’ Firma zurück. Lenz verabschiedete sich nicht, ohne Kovacic zum Gegenbesuch einzuladen. Dort könne man vor Ort auch einmal die Ausmaße des geplanten Objekts in Augenschein nehmen.
Zwei Stunden später war Lenz zurück in Hamburg. Er berichtete Vogel von dem Gespräch und davon, dass er mit Kovacic gut klargekommen sei. Er erzählte von dessen Unternehmen und den familiären Wurzeln.
„Er hat im Prinzip einen ähnlichen Hintergrund wie du“, meinte Lenz, „der Vater hat das Handwerksgeschäft aufgebaut und Kovacic ist nach dem Studium eingestiegen. Sein Vater ist allerdings schon gestorben.“
„Das passt ja zumindest zu mir“, antwortete Vogel.
‚Das passt überhaupt nicht zu dir’, dachte Lenz. Gegen Kovacic’ Willen voranzukommen, bist du eine Flasche.
Hamburg, Montag 21. April 2008
In den nächsten beiden Tagen machte Lenz neben dem Tagesgeschäft Termine mit potenziellen Kooperationspartnern und führte auch zwei persönliche Gespräche. Nach seiner Begegnung mit Kovacic hatte er jedoch mehr als zuvor ein festgeprägtes Bild von einem möglichen Mitstreiter im Kopf. Die Bedenkenträger und Zauderer gingen ihm auf die Nerven. Alle waren satt und feige.
Er war allerdings darauf angewiesen, dass es weitere Mitbieter mit anderen Fachkompetenzen gab. Insbesondere einen oder zwei größere Betriebe für die Bereiche Sanitär und Heizung sollten fest mit im Boot sein. Da konnte er sich den Charakter der Leute nicht aussuchen.
Drei Tage nach dem Treffen in Bremen rief Kovacic ihn auf dem Mobiltelefon an.
„Ich habe gerade eine Baustelle in Zeven besucht, auf der wir einiges zu tun haben“, sagte Kovacic, „das ging schneller als ich dachte. Zeven ist die halbe Strecke nach Hamburg. Wie sieht es aus, haben Sie Lust und Zeit, mir mal den Standort des Objekts zu zeigen?“
Lenz war erfreut darüber, dass er ihn richtig eingeschätzt hatte. Er sah auf seine Armbanduhr.
„Ich brauche hier noch etwa eine Stunde. Wenn Sie wollen, treffen wir uns an der Alster.“ Lenz nannte Kovacic die Adresse eines Cafés.
Lenz wartete bereits im Café, als sein Gast aus Bremen mit zehn Minuten Verspätung eintraf.
„Tut mir leid, es hat etwas gedauert, bis ich einen Parkplatz gefunden hatte.“
Kovacic erzählte ihm, dass er auch in Hamburg ein kleineres Objekt ausgestattet hatte. Er hätte seinerzeit bewusst extrem günstig angeboten, weil er sich erhofft hatte, über eine Referenz in der Stadt, hier an weitere Aufträge zu kommen. Das sei aber leider bisher nicht der Fall gewesen.
Kovacic hatte alle Unterlagen dabei, die Lenz ihm überlassen hatte.
„Wussten Sie schon, dass sie nach Hamburg kommen wollten?“, fragte Lenz.
Gewusst hätte er es nicht. Er hatte sich aber überlegt, dass er, falls die Zeit reiche, Lenz anrufen wolle, um einfach mal zu fragen.
Kovacic berichtete, dass er alles durchgesehen habe und im Prinzip keine großen Probleme sehe. Er habe in den letzten beiden Tagen auch einige Unternehmer, die ihm persönlich bekannt seien, angesprochen. Er sei aber eher auf Ablehnung gestoßen.
„Ist das nicht schrecklich?“, meinte Lenz, „was ist bloß mit den deutschen Unternehmern los?“
„Wissen Sie“, fuhr Kovacic fort, „ich versuche bereits seit meinem Eintritt in die Firma, in eine andere Größenklasse zu kommen. Es ist heute nahezu ausgeschlossen, dass eine Bank einen solchen Riesenschritt finanziert.“
Es sei im Grunde im Markt keine Chancengleichheit gegeben. Die Banken würden einem nur das Geld leihen, das man ohnehin schon besitzt. Dabei ist ein solcher öffentlicher Auftrag nicht mal riskant. Ob wir professionell genug sind, können die Herren in den Nadelstreifen kaum beurteilen, also gehen sie kein Risiko ein.
Lenz schlug vor, dass sie es noch einmal bei den beiden Kreditinstituten zu versuchen, mit denen er bereits besprochen habe. Er, Kovacic, könne ja, ebenfalls ein Finanzierungsgespräch fundiert vorbereiten und dann kann man es probieren. Kovacic schlug vor, ein oder zwei Banken aufzusuchen, denen ein Mann vorsteht. Er habe die Erfahrung gemacht, dass Männer – auch die in einer Bank – eher etwas riskieren als eine Frau.
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