1 ...7 8 9 11 12 13 ...17 In New York würde ich ihr das Empire State Building, den Ground Zero, die Brooklyn Bridge, die Kunstgalerien von Soho und Chelsea, das Guggenheim Museum, den idyllischen Central Park, Long Island und Coney Island zeigen. Wir würden den ganzen Tag Taxi fahren, weil man hier immer die schrägsten Typen als Fahrer serviert bekommt. Wir würden einen Abstecher nach Harlem machen, meine uralte Großtante besuchen, die zwar nicht mehr weiß, wer ich bin, aber sich trotzdem immer über Besuch freut. Schließlich würden wir an einem Gospel Gottesdienst teilnehmen – ein Muss, wenn sie mich näher kennenlernen möchte. Gegen sieben Uhr morgens schlummere ich endlich ein. Gut, dass ich ausschlafen kann.
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Celine war der zweite Mensch in meinem Leben, der mir den Vorschlag machte, ein Buch zu schreiben. In meiner fast dreizehnjährigen verkorksten Journalistenlaufbahn kam mir dieser Gedanke mangels Selbstbewußtsein und Selbstwertgefühl, null mal. Der Berufsalltag, gekoppelt mit einem holprigen Privatleben, machte aus mir – wie aus vielen Berufstätigen - eine Art lebende Maschine, ohne größere Motivation und Lust am Außergewöhnlichen. Heute ist mir klar, dass die Triebfeder einer jeden außergewöhnlichen Kreativität und Leistung, die sich dann aus der Masse der Scheintoten hervorhebt, wiederum die Liebe ist. Die Liebe zur Kunst, siehe Michelangelo, van Gogh, Rodin, Picasso, da Vinci, Klimt, Cezanne, Matisse, Renoir, Rembrandt und vielen Anderen. Die Liebe zur Phantasie, siehe Shakespeare, Goethe, Schiller, Wilde, Rilke, Bukowski, Stoppard, Beckett, Orwell, Stieg Larsson und vielen Anderen. Die Liebe zur Musik, siehe Mozart, Beethoven, Rachmaninow, Chopin, Bizet, Puccini, die Stones, Elvis, Ray Charles, Nina Simone, Minnie Riperton, Miles Davis, Adele, Amy Winehouse, Michael Jackson und vielen Anderen. Es kann aber auch die Liebe zur Familie sein, zu seinem Kind oder Kindern, zum Partner oder Partnerin, zum Vater oder zur Mutter, die zu Ungewöhnlichem inspiriert. Oder die Liebe zu Gott. Diese Formen der Liebe sind die gefährlichsten, da man nur gibt und nicht erwarten darf, dass sie erwidert werden. Sie können einem das Herz brechen oder den Verstand rauben oder beides. Das nimmt man jedoch in Kauf. Wenn nicht, belügt man sich selbst.
Mein Problem ist, dass ich nicht weiß, worüber ich schreiben soll. Gibt es doch sicherlich endlos viele Themen, müssen diese mir jedoch erstmal liegen. Worüber ich nicht schreiben will, weiß ich zumindest: Irgendwelche brutalen Krimigemetzel, Psychothriller – wenn auch immens spannend – gibt es hier bereits genügend Autoren. Außerdem hält die reale Welt bereits genügend Morde, Vergewaltigungen sowie Kriegsdramen, bereit. Mir diesbezüglich auch noch was fiktiv aus dem Hirn zu leiern, erscheint mir so überflüssig wie ein Kropf. Plötzlich fiel mir ein Mann ein, der mir bei meinem literarischen Erstversuch helfen könnte. Später würde ich ihn dann – zum Beispiel bei einem Interview mit Larry King oder seinem Nachfolger auf CNN – als meinen Mentor bezeichnen. Ich verabredete mich mit einem meiner ehemaligen Professoren.
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Dr. Karlheinz Tietze, Professor für alte Geschichte ist wahrscheinlich der sympathischste Hochschullehrer, welcher auf Erden wandelt. Gleichzeitig besitzt er den sarkastischsten Humor, den man sich vorstellen kann und den er in seine überfüllten Vorlesungen einfließen lässt. Diese sind legendär und ein Geheimtipp für Wissensdurstige. Auf die Frage eines Erstsemestlers warum er Geschichtsprofessor geworden sei, antwortete er mit einem trockenen: „Warum nicht?“ Dann fügte er hinzu: „Ich bin ein C4 Beamter, mit super Bezügen und habe viel vorlesungsfreie Zeit! Noch besser als ein Lehrer!“ Da ich ihn vor geraumer Zeit, bezüglich eines Artikels konsultieren durfte, wusste er noch genau wer ich war und nahm meine Einladung zum Mittagessen gerne an.
„Was kann ich für Sie tun?“, signalisierte, dass unsere Zeit begrenzt war. Ich erzählte ihm kurz, dass ich gekündigt hätte und mir auch mangels Alternativen nun einredete, ein Buch schreiben zu können, Querstrich müssen. Er schien nicht überrascht und antwortete: „Ja, tun Sie das. Mir ist bereits, als Sie noch Student bei mir waren, aufgefallen, dass Sie gerne reden und viel Phantasie besitzen! Zu meinen Doktoranden sage ich regelmäßig, untermauert eure Dissertation schnell noch mit einem Buch, aber die sind ja stinkfaul; wollen den Doktortitel meistens nur, um anzugeben oder erhoffen sich vielleicht dadurch, Frauen leichter ins Bett zu bekommen! Wer weiß das schon so genau. Die weiblichen Doktoranden sind da ehrlicher und vor allem zielstrebiger. Sie wollen ihn, um ihre beruflichen Karrierechancen zu erhöhen.“ „Über was wollen Sie schreiben?“ War die Frage, die ich befürchtet hatte. „Da Sie eben das Wort „ehrlich“ verwendeten, kommt es mir leichter über die Lippen: Ich habe keine Ahnung!“, sagte ich. Er schaute mich skeptisch an und machte mich ziemlich verlegen, da er sich eine Ewigkeit Zeit ließ, bis er endlich antwortete: „Ja, schreiben Sie. Schreiben Sie ohne Regeln und Tabus. Wir leben schließlich im einundzwanzigsten Jahrhundert, im Zeitalter von Internet, YouTube, Twitter, sympathischen Homo-Ehen mit Kindern. Wir haben historisch einmalig, erstmals einen schwarzen US-Präsidenten. Putin lässt ungeniert weltweit seine politischen Gegner liquidieren und kommt damit durch. Der Papst verbietet weiterhin die Verwendung von Kondomen in afrikanischen Ländern. Es gibt immer noch keine Zwangssterilisation für Verbrecher, die Kinder missbrauchen und anschließend umbringen, geschweige denn die Todesstrafe für diesen Tatbestand. Warum eigentlich nicht? Hinterfragen Sie die Dinge.“ Dann machte er eine kurze Pause und holte erneut aus: „Zum Beispiel: Hat Romeo, Julia tatsächlich so sehr geliebt, oder war er vielleicht doch nur hinter ihrem Geld her, da sie aus einer extrem wohlhabenden Familie stammte? Selten ist etwas so, wie es scheint. Reißen Sie die Masken herunter. Oder: Warum hatten die bei Raumschiff Enterprise bereits in den 60er Jahren Handys und unsereins musste noch über dreißig Jahre darauf warten. Warum macht der Staat Krebsvorsorge nicht zur Pflicht? Sicherheitsgurte anzulegen ist gesetzlich vorgeschrieben. Warum dann nicht Krebsvorsorge? Kommt er besser damit weg, wenn die Menschen früher sterben und er damit ein Vermögen an einbehaltenen Renten spart? Wie kurz davor war Martin Luther, auch als Ketzer und Verbrecher von den katholischen Schergen verfolgt und verbrannt zu werden? Widmen Sie sich dem Vatikan – neben den Nationalsoziallisten, die größten Verbrecher in der Menschheitsgeschichte. Warum wurden bis heute, die Millionen von Opfern der Inquisition und anderen katholischen ruhmreichen Aktivitäten, nicht rehabilitiert und ihre Nachfahren entschädigt? Jeder Einzelne der im Namen der katholischen Kirche – von diesen im Namen Gottes deklariert – unter Höllenqualen umgebracht wurde, ist in den Archiven des Vatikans fein säuberlich aufgelistet. Eine Perversion, die nur von den Nazis übertroffen wurde. Warum gibt es für die hunderttausenden von Frauen, unschuldig von den Sadisten des Vatikans als Hexen gefoltert, ermordet und verbrannt, keine Gedenktafel auf dem Petersplatz? Wenn Sie schon schreiben müssen, dann rütteln Sie auf! Warum musste Maria Magdalena eine Hure werden, wo sie erwiesenermaßen die Partnerin Jesus war? Womöglich mit ihm verheiratet. Stellen Sie unbequeme Fragen! Warum hat sich die umfangreiche Lüge der katholischen Kirche bis heute halten können? Obwohl sie auf dem Konzil von Nicäa 325 n. C, auf Initiative des römischen Kaisers Konstantin, als großes Kartenhaus zusammengeschustert wurde? Diese menschenverachtende Männerclique, mit ihrem heuchlerischen Zölibat, die Sadismus, Folter, Pädophilie und Massenmord mit einem göttlichen Auftrag rechtfertigen. Wie können diese Größenwahnsinnigen es wagen, sich mit Gott oder einer religiösen Botschaft in Verbindung zu bringen? Was hat ihre zwielichtige und machthungrige Existenz mit göttlichem Sendungsbewusstsein zu tun? Demut, Bescheidenheit, Gewaltverzicht und Nächstenliebe sind die Dogmen der anderen großen Religionen.Seit ihrer Existenz, missachtet die katholische Kirche jedoch, diese simplen Grundsätze.“
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