„Das Feld solltest du aber vor den Ziegen retten. Denen schmeckt das noch besser. Deshalb ist mein Kräutergarten hinter einer Mauer versteckt.“ Wisgard hatte so ihre Erfahrungen. „Komm, Hände waschen. Da kann ich dir mein Reich zeigen. Aber wir haben nur wenig Zeit. Wenn die Pferde angeschirrt sind, will Markus aufbrechen.“
In Wisgards Kammer standen einige Regale mit vielen Tontöpfchen. An manchen sollte Fara riechen und raten, was drin war und wofür man den Inhalt verwendete. Wisgard nickte zufrieden.
„So, beeilen wir uns. Fara, nimmst du die andere Kiste mit den Kräutern?“ Damit legte Wisgard ihren Stock auf eine Kiste, hob diese hoch und marschierte forschen Schrittes in Richtung Hof.
Fara nahm die zweite Kiste und hob die Augenbrauen. Von wegen alt. Der Stock ist wohl eher ein Statussymbol.
Als sie auf dem Hof ankamen, war der Stallmeister dabei, den großen Hengst vor den Pferdewagen zu stellen, um ihn anzuschirren. Aber das Pferd wollte nicht. Es sah wie ein Tauziehen am Zügel aus. Der Hengst schnaubte und tänzelte hin und her. Dabei stellte er einen Hinterhuf ab und zu auf die vordere Spitze. Sein hellbraunes Fell leuchtete in der Sonne. Den Kopf hatte er hoch erhoben. Man merkte ihm an, dass er sich nicht gern vor den Wagen spannen ließ. Er strotzte vor Kraft und wäre am liebsten davongestürmt. Währenddessen beschimpfte der Stallmeister den Hengst mit rauen Worten. Zum Schluss band er den Zügel an dem Wagen fest, weil er den Hengst nicht zum Anschirren brachte.
Fara und Wisgard schoben die Kräuterkisten auf die Ladefläche des Wagens. Dort standen schon sechs Weinfässer, die Markus nach Villa Patria mitnahm.
Der Stallmeister kam mit großen Schritten aus dem Stall zurück und schwenkte eine Peitsche.
„Jetzt werde ich dir Mistvieh zeigen, was du machen sollst“, brüllte er den Hengst an und schlug auf ihn ein. Das Pferd zerrte vergeblich am Zügel.
Der Stallmeister holte wieder aus. Doch die Peitsche blieb hinten. Die Schnur hatte Fara gefangen und riss dem Stallmeister die Peitsche aus der Hand. In hohem Bogen flog sie durch den Hof und klatschte gegen eine Mauerwand.
Wutentbrannt stürmte der Stallmeister auf Fara zu. Dass eine Sklavin ihn dermaßen behinderte, ging gar nicht. Er konnte seine Wut auch an ihr auslassen. Aber Fara tauchte mit zwei schnellen Schritten seitlich an ihm vorbei und griff sich dabei sein Messer vom Gürtel.
Der Stallmeister wirbelte herum. Fara stand zwei Schritte entfernt vor ihm und hielt ihm die aufrechte flache Hand am ausgestreckten Arm entgegen. In der anderen Hand hielt sie das Messer nach unten. Unmissverständlich sagte die Geste, dass er Abstand halten sollte. Unschlüssig und mit hochrotem Kopf öffnete und schloss der Stallmeister die Hände.
Nach einem Augenblick ging Fara langsam zwei, drei Schritte rückwärts auf den Hengst zu. Dabei bedeutete sie noch einmal dem Stallmeister dortzubleiben, wo er war.
Markus hatte Faras Peitschenattacke von oben auf der Veranda gesehen und stürmte schon die Treppe hinunter. Nicht nur, dass die Barbaren-Prinzessin den Stallmeister mit dem Messer bedrohte, nein sie lief rückwärts dem wilden, aufgeregten Hengst unter die Hufe.
Ein Stock schlug von der Seite gegen seinen Bauch und brachte ihn zum Stehen.
„Sie hat dein Pferd vor dem Pferdeschinder verteidigt. Denkst du, sie sticht den Gaul jetzt ab?“, raunte Wisgard ihm von der Seite zu.
„Der Gaul wird sie umbringen und sie hat noch nicht gesagt, was mit meinem Vater passiert ist“, parierte Markus und wollte weiterstürmen.
Wisgard knurrte ihn im Befehlston an. „Warte ab! Die weiß, was sie tut. Frag dich lieber, warum sie das macht.“
Fara hatte sich in der Zwischenzeit zu dem Hengst herumgedreht und ging langsam auf ihn zu. Etwa einen Schritt weit entfernt blieb sie vor ihm stehen. Mit leiser Stimme und in einer fremden Sprache redete sie auf ihn ein. Der stellte seine Ohren auf und schwenkte seinen Kopf zu Fara herum, so wie es die Zügel zuließen. Sein Tänzeln und das aufgeregte Schnauben verloren sich. Während Fara weitersprach, hob sie langsam ihre freie Hand und hielt sie dicht vor seine Nüstern. Mit der anderen Hand steckte sie das Messer unter ihre Kordel. Der Hengst stupste mit einer kleinen Bewegung seine Nüstern gegen ihre Hand. Während Fara weitersprach, streichelte ihre andere Hand sanft über seine lange Nase. Dabei war sie dem sonst bissigen Hengst so nahe, dass sie ihm beim Sprechen in die Nüstern hauchte. Der Hengst antwortete mit einem tiefen Räuspern und senkte noch mehr seinen Kopf, damit Fara ihn besser streicheln und beklopfen konnte.
Ringsum im Hof war es still geworden. Mit Ferox, dem Mistvieh, hatte es immer Schwierigkeiten gegeben. Er biss oft nach jedem, der in seine Nähe kam. Deshalb traute sich nur der Stallmeister an ihn heran. Auch Markus und Vitus hatten ihre Probleme mit ihm. Und jetzt stand der Gaul da und ließ sich von der dahergelaufenen Fremden beschwatzen.
„Was ist das für eine Sprache?“, fragte Markus leise.
Wisgard hörte jedes Wort, weil es ringsum so still war. „Ich weiß es nicht. Quadisch oder Markomannisch ist es nicht.“
„Griechisch auch nicht“, bestätigte Markus. „Sie behext ihn! So lammfromm habe ich Ferox nie gesehen. Deswegen habe ich ihn ja so genannt, wild.“
Ohne innezuhalten sprach Fara auf den Hengst ein und ging langsam, das Pferd zuerst auf den Rücken und dann auf die Hinterbacke klopfend, zu dem Huf, der wieder auf der Spitze stand. Aus ihrem Gemurmel glaubte Markus, ab und zu die Worte Römer und Jago herauszuhören. Langsam strich Fara an dem Pferdebein nach unten und bückte sich, um den Huf hochzuheben. Ein kurzes, forderndes Klopfen mit ihrer flachen Hand und der Hengst hob gehorsam den Huf an. Mit der linken Hand hielt Fara den Fuß oben, zog das Messer aus dem Gürtel und kratzte den Dreck und festklemmende Steine unter dem Huf weg. Huf und Hufeisen waren in einem erschreckenden Zustand. Das Horn war teilweise ausgebrochen und das Hufeisen war eine flache Sichel. Kein Wunder, dass es nur noch klappernd am Huf hielt. Und wieder tauchte das Wort Römer mehrmals auf.
Fara ließ den Huf wieder los und untersuchte die anderen drei. Als sie fertig war, band sie den Hengst vom Wagen los, griff in dessen Halfter, ging mit ihm langsam zum Stallmeister und hielt ihm sein Messer mit dem Griff voran hin.
„Schlag ihn nie wieder“, sagte sie leise aber drohend. „Hast du einen Hammer und zwei Hufnägel? Er verliert bald sein Hufeisen.“ Der Hengst neben ihr schnaubte den Stallmeister an.
Der nahm sein Messer und drehte sich zur Terrasse um, unschlüssig, was er tun sollte. Oben stand Clarissa, die sich das Schauspiel von dort angesehen hatte. Sie gab ihm einen kurzen Wink. Der Stallmeister wandte sich um und ging zum Stall zurück. Fara folgte ihm, den Hengst am Zügel hinter sich herziehend.
Auf dem Weg zum Stall stupste der Hengst Fara mit der Nase leicht in den Rücken. Doch die schien das nicht zu merken.
Am Stalltor steckte sich Fara das Halfterende in den Gürtel, setze den Hinterhuf mit dem klappernden Hufeisen auf ihrem Oberschenkel ab und ließ sich mit ausgestreckten Händen vom Stallmeister den Hammer und die Nägel reichen. Wieder redete sie die ganze Zeit mit dem Hengst. Der wischte ihr ab und zu spielerisch seinen Schwanz ins Gesicht. Dabei wedelte er nicht, wie bei Pferden sonst üblich, nach links und rechts, um Fliegen zu vertreiben. Nein, er wedelte immer nur in Faras Richtung. Schon war das Hufeisen wieder fest. Das musste bis zum Ende der Fahrt reichen.
Fara gab dem Stallmeister den Hammer zurück, nickte ihm kurz zu und führte den Hengst zum Pferdewagen, stellte ihn leicht schubsend an seinen Platz davor und begann, ihn anzuschirren. Dabei schaute sie erst prüfend nach dem zuvor angeschirrten zweiten Pferd, um es in gleicher Weise bei dem Hengst zu tun. Der knuffte das andere Pferd, um zu zeigen, dass er hier das Sagen hatte. Demonstrativ scharrte er mit den Hufen. Es konnte losgehen.
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