„Monaco? Ein guter Mann. Kenne ich. Lehrt seit Ewigkeiten an der Columbia“, sagt Mom.
„Stimmt. Ein Standardwerk“, sagt Dad.
„Kann mir endlich einmal einer sagen, worum es geht?“ gebe ich mir jede Blöße, da ich sowieso schon unten durch bei allen Oberschlauen am Tisch bin.
„Ein Sachbuch ist ein Band, der sich im besten Fall wissenschaftlich mit einem Thema beschäftigt. Bisher hast du dir ausschließlich Belletristik vom absolut tiefsten Niveau rein gezogen, außer vielleicht dem ‚Fänger im Roggen’“, werde ich von Danny aufgeklärt.
Aha. Verstehe. Alles was Spaß macht ist völlig uninteressant, alles was anstrengend ist liest man an der Uni.
„Ich finde es toll, dass Jerry bereits in der ersten Woche an der Uni, ein Standardwerk liest“, versucht Mom mir beizustehen.
„Das ist ja wohl das Mindeste was man verlangen kann. Die letzten Jahre war der Knabe ja total aus der Spur und es wird Zeit, dass er endlich aufholt“, sagt Berry von oben herab.
„Arschloch“, sage ich.
„Nicht dieser Ton bei Tisch“, stoppt Mom jede weitere Attacke meiner älteren Brüder.
„Den Arsch lasse ich nicht auf mir sitzen“, feixt Berry.
„Klappe halten, Jerry ist Junior an der Uni. Ihr solltet ihn besser unterstützen“, sagt Mom.
„Abwarten wie lange der Eifer anhält. Er hängt mit dieser High School Tussi ab, die außer heiße Titten und einen straffen Po gar nichts drauf hat“, petzt Danny.
„Wow“, sagt Dad.
„Du hast eine Freundin?“ fragt Mom sehr interessiert.
„Und was für eine. Eine echt steile Braut, die sich nicht entblödet in Lederhotpants an der Uni aufzukreuzen und ständig mit dem Hintern wackelt“, erläutert Danny genüsslich alle Peinlichkeiten dieser Welt.
„Doch etwas unpassend“, meint Dad.
„Die ist nichts für dich, Jerry, die vögelt sich bald durch den Mittelbau ganz nach oben“, sagt Berry.
„Still jetzt! Die Kleine ist frisch von der High School!“ fährt Mom dazwischen und wendet sich an mich: „Kennen wir das Mädchen?“
„Es ist Suzie Q., letztes Jahr bin ich ein paar Mal mit ihr zusammen gewesen“, antworte ich.
Berry und Danny intonieren den CCR-Song.
„Ist sie nett?“ will Dad wissen.
„Nett nicht aber geil“, meint Danny.
„Sie ist okay“, sage ich.
„Ich nehme an du weißt was zu tun ist, wenn es soweit ist?“, fragt Dad.
Allgemeines Gelächter meine Brüder.
„Diesbezüglich musst du noch ein paar Sachbücher lesen, Bubi“, feixen meine Brüder, dass mir fast der Kaffee hoch kommt.
Samstag/Fortsetzung: Trotz der Hitze verlasse ich nicht die Wohnung bis ich „Film verstehen“ in einem Zug runter gerissen habe.
Wow.
Das Buch ist schwer okay, ich werde es in Zukunft immer griffbereit in meiner Tasche herum schleppen.
Es ist wieder drei Uhr Morgens. Ich checke Mails und Nachrichtenboxen. Kein Lebenszeichen von Suzie Q.
Sonntag:
Mit „Film verstehen“ intus wage ich mich hinaus aus der Wohnung und fahre mit der U-Bahn nach Brooklyn, um am Manhattan Beach abzuhängen und baden zu gehen.
Ich bin nicht der einzige, der diese Glanzidee hat, ganz New York City nützt den heißen Spätsommertag, um in Brooklyn schwimmen zu gehen. Die U-Bahn ist jedenfalls zum Brechen voll, so stelle ich mir einen Truppentransporter auf dem Weg ins Gefecht vor, es riecht unangenehm nach Schweiß und Körpersäfte.
Wieso lege ich mir nicht schon längst ein Fahrrad zu?
Die guten Ideen hat man in New York City in der U-Bahn.
Trotz des Massenauflaufs hänge ich alleine in der Menge ab. Ich habe mein Skizzenbuch dabei und mir gelingen ein paar wirklich gute Entwürfe für meine Grafik Novelle, mit der ich vor gut einem Jahr an der High School begonnen habe und die ich trotz meiner total veränderten Lebensverhältnisse abschließen möchte.
Niemand nimmt Notiz von mir. Alle sind total cool und machen sich unheimlich wichtig. Ich gehe alleine ins Wasser und weil ich total unwichtig und uncool bin, würde es sicher keinem hier am Strand auffallen, wenn ich absaufen würde.
Aber den Gefallen mache ich euch nicht!
Ich komme aus dem Wasser und lege mich in den spärlichen Schatten, um wenigstens etwas der Affenhitze zu entkommen und lese in „Film verstehen“ das Kapitel 4: Filmgeschichte: ein Überblick.
Mein ungestümer Blick bleibt an einem Schwarzweißfoto aus einem französischen Film hängen, es zeigt einen Jungen am Meer. Ich sehe genauer hin und halte den Atem an.
Der Junge bin ich.
Die Zeit verfliegt und ich gehe wieder schwimmen. Auf dem Weg ins Wasser sehe ich mich nach Büchern um, die die Leute so lesen, was ich bisher noch nie gemacht habe. Wenn ich/du/er/sie liest, interessiert man/frau sich dann zwangsläufig auch für die Bücher der anderen Leute?
Keine Ahnung, aber ich interessiere mich dafür, was die Leute so lesen.
Die Ausbeute ist gering. Die faulen Säcke am Strand lesen höchstens die Zeitung, ein paar Krimis liegen herum und hie und da ein Comic, das war’s.
Hm?
Strand = Sommer = intellektuelle Nulldiät.
Vielleicht stimmt diese Maxime, was noch zu beweisen wäre.
Ich schwimme und tauche herum, wie es ein achtzehnjähriger Teenager eben so macht und komme wieder zu meinem Lager zurück.
Wow.
Suzie Q. hat sich neben meinen Strandutensilien breit gemacht, in ihrem Bikini sieht sie einfach nur toll aus, was ich ihr aber vorerst nicht sage.
„Hi.“
„Hi.“ Ich lasse mich neben der Strandnixe nieder.
„Wusste ich doch, dass du hier abhängst“, beginnt sie.
„Tatsächlich?“
„Wer liest sonst schon den großen James Monaco am Strand außer vielleicht James Monaco und selbst der lässt sich bei so einem Wetter lieber voll laufen.“
„Ist der wirklich hier?“
„Das war ein Witz.“
„Okay. Aber ein guter.“
Suzie Q. smilt säuerlich. „Loser.“
Hm?
„Und?“
„Was und?“
„Sagst du nichts über meinen Bikini?“
Ich sehe sie scharf an.
Suzie Q. smilt und rekelt sich wie ein Gossip-Girl vor mir im Sand.
„Du siehst phantastisch aus.“
„Danke. Schon besser. Sonst noch was?“
Hm?
„Also komm schon, neben dir liegt die heißest Braut am Strand und du spielst den Loser.“
„Was?“
„Mach schon was!“
„Was denn?“
„Was weiß ich? Küss mich. Heb mich hoch und schlepp mich quer über den Strand? Wirf mich ins Wasser?“
Gesagt getan. Ich schmuse sie nieder. Hebe sie hoch und schleppe sie zwischen allen faulen Säcken hindurch in Richtung Atlantik ab.
Suzie Q. ist so überrumpelt, dass sie einfach mitmacht. Am halben Weg über den Strand löst sich ihre Schockstarre. Sie lacht. Schlingt ihren Arm um meinen Nacken und schwingt vergnügt ihre Beine.
„Hey, Jerry, du bist ja ein echter Cowboy!“
„Yippie Yippie Yeah!“
Ich schleppe die, nach Eigendefinition, schärfste Strandnixe von Manhattan-Beach so weit hinaus, bis mir das Wasser an die Hüften steht. Sie strampelt wild die Beine, klammert sich an mir fest und bettelt gekünstelt herum, dass ich sie ja nicht fallen lasse.
Still jetzt! Ich werfe die Strandnixe in den Atlantik!
Kapitel 5: Der Dime gehört mir
Mit Suzie Q. auszugehen macht Spaß. Bis Mitternacht bin ich mit ihr am Manhattan Beach unterwegs. Sie trägt wieder ihre unmöglichen Lederhotpants, keine Ahnung, wieso sie so auf das kleine, speckige Ding steht, aber sie kann es sich leisten, dazu trägt sie High Heels, die ihre Beine extra lang machen und ein bauchfreies Top. Die Kleine an meiner Seite sieht verdammt scharf aus und wir beide ernten jede Menge neidische Blicke und saftige Kommentare.
Ein Typ wettet einen Dime, dass ich die Kleine heute Nacht noch flachlegen werde.
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